In MeckPomm werden Naziwaffen sexy

Schulbildung In Ahlbeck beweist eine Bildungseinrichtung ihren pädagogischen Bankrott, als Schüler Hakenkreuze kritzeln
Ausgabe 51/2020
Was malen wir denn heute Schönes? Ein kleines Hakenkreuzchen vielleicht?
Was malen wir denn heute Schönes? Ein kleines Hakenkreuzchen vielleicht?

Foto: Westend61/Imago Images

Schulen, hieß es dieser Tage oft, haben außer ihrem Lehr- auch einen Bildungsauftrag. Darum sei ja Präsenzunterricht so wichtig, denn lernen ist mehr als pauken. Soziale Kompetenzen wollen heranwachsen, Talente sich entfalten. Demokratie braucht Bildung.

Die Klasse 9b der Europaschule im Vorpommerschen Ahlbeck hatte kürzlich Wandertag. Aber weil die Museen zurzeit geschlossen sind, kam ein Museumspädagoge zu den Kids: Herr Brümmel aus Peenemünde.

Ein Team um den Raketeningenieur Wernher von Braun hat dort zur Nazizeit an der berüchtigten „Wunderwaffe“ geschraubt, die den Zweiten Weltkrieg in letzter Minute noch wenden sollte. Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge würden, so war der Plan, Raketen fertigen, die töten und in Trümmer legen, was in Europa noch nicht gestorben und vernichtet war. So könnte man ihn doch erringen, den Endsieg, dank deutscher Ingenieurkunst. Bekanntermaßen kam es anders. Das Peenemünder Museum hegt nun den Nachlass.

Herr Brümmel erscheint in Ahlbeck. Mit ihm eine Journalistin der Rostocker Ostsee-Zeitung. Und was nun abgeht, bezeichnet der Museumspädagoge als Pilotprojekt. Die 14-, 15-Jährigen lernen zunächst: Ein Zeichner aus Brauns Team hat in der Peenemünder Waffenschmiede auf Versuchsraketen gern Bilder gemalt, meist nackte Frauen, manchmal protzige Muskelmänner. Tail Art, „Schwanzkunst“, nennt der Militär solche Verzierungen. Ein letzter Gruß an den Feind, bevor der totgeht. Die Wunderwaffe als Sexbombe. Herr Brümmel zeigt Beispiele.

Die Jugendlichen, so eingestimmt, sind nun bereit, selbst tätig zu werden im Peenemünder Geist. „Erst fand ich es komisch, dass wir das zeichnen sollen“, wird ein Schüler im Artikel zitiert. Aber er hat dann doch eine von einer Rakete durchbohrte britische Flagge gemalt, und am Rand des Blatts grüßt ein Hakenkreuzfähnchen. Ein Hakenkreuz? „Die Schüler haben gefragt, ob sie es verwenden dürfen“, sagt der Museumspädagoge. „Ich habe keine Denkgrenzen gesetzt.“ Denkgrenzen? Welches Denken meint der Pädagoge, das er nicht begrenzen, sondern fördern will? Man wünscht sich, der Klassenraum würde mal kräftig durchgelüftet! Doch nein. Allen Verantwortlichen ist’s egal. Die Lehrerin stößt keine Diskussion an, wenn ihre Kids verfassungsfeindliche Symbole kritzeln. Und die Journalistin protokolliert gedankenlos. Ganz im Heute stehe, meint sie etwa, die Zeichnung einer Schülerin, auf der ein Astronaut per Reißverschluss das Weltall öffnet und „ein bunter Schriftzug verkündet: We need more space!“. Offensichtlich weiß die Schülerin von Hitlers Ruf nach mehr Lebensraum im Osten. Die Ostsee-Zeitung hat noch nie davon gehört, erklärt ihren journalistischen Bankrott. Und die Frage stellt sich: Welche Leserschaft wird hier bedient?

„Erschüttert und fassungslos“ reagiert denn auch das Theater Vorpommern. Gibt es keine Instanz, wird in einem offenen Brief gefragt, „die angesichts solcher Vorgänge aufmerkt und ein Gespür dafür erkennen lässt, dass offenbar etwas eklatant in die falsche Richtung läuft?“.

Europaschulen wie die in Ahlbeck, heißt es beim zuständigen Ministerium, seien Schulen, die ihr Profil in besonderer Weise europaorientiert ausrichten. Im Wahlbezirk Usedom, wo bei der letzten Landtagswahl 2016 AfD und NPD auf zusammen mehr als 36 Prozent der Wählerstimmen kamen, lehrt man Schüler*innen, wie man Raketen verschönt, die ausgerichtet sind „gegen Engeland“.

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