Die Sonne scheint selten, und die Menschen sagen nur das Nötigste. Die Räume, in denen sie leben, sind so schön wie die 50er Jahre auf alten Fotos. Ihre Gesichter sind von Alkohol und Einsamkeit gezeichnet, die nur im finnischen Tango, der eine eher steife Angelegenheit ist, Ausdruck und Trost findet. Diese Art stilisierter Grundstimmung kennt man aus den Filmen Aki Kaurismäkis. Sein älterer Bruder Mika machte sich vor allem mit Musikdokus einen Namen, dabei war er es, der einst das Filmemachen tatsächlich studiert hat und so den kleinen Bruder in die Spur setzte. Seine in Finnland angesiedelten Spielfilme aber übernehmen den Stil des Bruders wie eine Art Kurzschrift.
Auf der Suche nach einem Freund strandet ein chinesischer Koch mit seinem kleinen Sohn in
en Sohn in einem abgelegenen Dorf in Lappland, wo alle, denen er den Namen seines Freundes nennt, nur ratlos den Kopf schütteln, einschließlich der hübschen Wirtin Sirkka (Anna-Maija Tuokko). Doch Cheng (Pak Hon Chu) bleibt hartnäckig. Er scheint nichts Besseres zu tun zu haben, als zu warten, und als ein Reisebus voller chinesischer Touristen in der Gaststätte Halt macht und über Sirkkas Essensangebot die Nase rümpft, springt er ein. Von da an stellt er mit seinen Kochkünsten nicht nur Touristen zufrieden, sondern verzaubert das ganze Dorf.So weit die Prämisse. Ein ideales Set-up für knorrige Charaktere, tragische Missverständnisse, steife Komik und Melancholie à la Kaurismäki. Und ja, es gibt sie auch in Master Cheng in Pohjanjoki, Männer mit zerfurchten Gesichtern und hängenden Brüsten wie etwa den Stammgast Romppainen und seinen Kumpel, die lernen, dass es außer Kartoffelpüree mit Wurstsoße noch andere Dinge auf der Welt gibt, die schmecken. Und dass Essen nicht nur satt macht, sondern sogar heilen kann: Mir nichts, dir nichts überwindet Romppainen nicht nur seine Skepsis gegenüber dem Fremden, sogar seine Krebskrankheit scheint über Nacht gelindert. Kulturelle Verständigung ist so einfach, wenn sie durch den Magen geht. Oder?Komplizierter ist es mit der Liebe – die die Haupthandlung des Films bestimmt. Sie keimt auf zwischen der finnischen Wirtin und dem chinesischen Koch, dessen Zauberkünste, wie überhaupt seine sanfte Anwesenheit, auch bei ihr eine heilende Wirkung entfalten.Aufreizend langsam erzähltMit Sirkka und Cheng begegnen sich in der Abgeschiedenheit Lapplands zwei Menschen, die einer globalisierten Welt angehören. Etwas Urbanes, Weltgewandtes und Zeitgemäßes haftet ihnen an, das untypisch ist für Figuren in Kaurismäkis Filmen. Letztere sprechen normalerweise nur das Allernötigste. Sie beschreiben ihr tragisches Schicksal in ebenso knappen Worten wie den Weg zur nächsten Bar. Bei Cheng und Sirkka wirkt es dagegen fast so, als wären die sprachlichen Hindernisse, die ihre Begegnung anfänglich etwas holpern lassen, nur hineingeschrieben worden, um die Annäherung hinauszuzögern, wie es sich fürs Genre halt gehört. Von Anfang an verbindet sie mehr als jeden von ihnen mit dem Rest des Dorfes.Es dauert nicht lange, bis sie Schulter an Schulter auf einem Stein sitzen und Barsche angeln. Aber bis sie sich endlich küssen, muss Cheng noch viele Gerichte kochen, Sirkka muss ihm das Tangotanzen und seinem Sohn das Radfahren beibringen. Die Erzählung schlendert in aufreizender Langsamkeit dahin, fügt hier und dort noch etwas ein. In wohlkalkulierten Dosierungen offenbaren die Dialoge der Protagonisten nach und nach die Geheimnisse ihrer Vergangenheit, bis endlich der Weg bereitet ist für die Szene, auf die man in einer romantischen Komödie wartet. Und die ist dann auch eine der schönsten des Films. Vielleicht, weil der Film hier nichts anderes sein will, als er ist: ein Feelgood-Movie. Und dabei den ganzen interkulturellen Kitsch mal kurz vergisst.Denn: Echte Hindernisse oder Konflikte ergeben sich aus dieser Begegnung der Kulturen nicht. Zu schnell lassen sich die Dorfbewohner von Chengs wohlduftender Küche überzeugen. Dass fremdes Essen und seine Gerüche gewöhnungsbedürftig sein könnten, spielt keine Rolle. Eine ganze Schulklasse isst ergeben Chengs Reisnudelsuppe. Außer Sirkka kommen zudem Frauen fast nicht vor. In einer traditionellen Gesellschaft, wie sie der Film porträtiert, wären sie es, die Chengs triumphalen Erfolg als Bedrohung sehen könnten.Auch hat Chengs und Sirkkas Zögern nichts mit unterschiedlichen kulturell geprägten Erwartungen zu tun. Selbst Chengs fehlende Aufenthaltspapiere sind nur ein Vorwand dafür, den dritten Akt einzuläuten. Vielmehr geht es einmal mehr um zwei Figuren, die ihr Päckchen Vergangenheit zu tragen haben und die durch diese Vergangenheit in die Einsamkeit gedrängt wurden. Sie kommen durch Zufall aus weit entfernten Teilen der Erde zusammen. Das allein wäre eigentlich Stoff genug. Dass die weißen, heterosexuellen Männer sich als solche bezeichnen und bemerken, dass sie als solche eigentlich keine asiatische Suppe löffeln, wäre gar nicht nötig. Oder doch? Schämt man sich wegen der Belanglosigkeit weniger, wenn man auf die vermeintlich wertvolle Botschaft verweisen kann?Natürlich darf am Ende auch der Tango – der Tanz der Einsamkeit und des Schmerzes – nicht fehlen. Als Cheng schließlich in Begleitung einer finnischen Harmonika einen Tango auf Chinesisch singt, scheinen alle kulturellen Gegensätze endgültig überbrückt, und alle Menschen in der Geschichte sind in Wehmut verbunden.Placeholder infobox-1