Atomdeal USA - Indien
Nukleare Vorsorge
Juli 2005
Beide Staaten beschließen eine zivile Atomkooperation und fassen ein Abkommen ins Auge, dass es Indien erlauben würde, sich für die nächsten 40 Jahre mit nuklearen Brennstoffen zu versorgen, ohne den Kernwaffensperrvertrag unterzeichnen zu müssen. Weiterhin wäre es Delhi gestattet, einen strategischen Vorrat an Brennstoffen anzulegen, diese aus den USA zu beziehen und in einer speziellen Wiederaufbereitungsanlage verarbeiten zu können. Bedingung ist - das Verfahren muss durch Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien beaufsichtigt werden.
Premier Singh hofft
November 2005
Führende Politiker der regierenden Kongresspartei - nicht zuletzt Premier Singh - geben zu verstehen, dass der Nuklearvertrag mit den USA ihrem Land die seit langem erhoffte offizielle Anerkennung als Atommacht verschaffen soll. Aber es steht fest , dass der beabsichtigte Nukleartransfer aus den USA nur dann möglich sein wird, wenn der US-Kongress ein darauf bezogenes, 30 Jahre altes Handelsverbot aufhebt.
Sekretär Burns blockt ab
Dezember 2005
Unterstaatssekretär Nicolas Burns, der die Verhandlungen mit Delhi für die US-Seite bis dahin geführt hat, sagt vor dem US-Kongress, eine offizielle Anerkennung Indiens als Atommacht komme nicht in Frage. Vage bietet er an, diesen Status inoffiziell einzuräumen, womit es Indien jedoch nicht erlaubt sei, selbstständig zu entscheiden, welche seiner Atomanlagen als zivil deklariert und damit IAEA-Inspektionen zugänglich sein werden.
Gefolgschaft in der IAEA
Januar/Februar 2006
Die USA verlangen in der Person ihres Indien-Botschafters David Mulford von der Regierung Singh Beistand im Atomstreit mit Teheran: Indien soll am 2. Februar bei der entscheidenden Sitzung der IAEA in Wien dafür votieren, dass der Fall Iran an den UN-Sicherheitsrat verwiesen wird - andernfalls wäre der US-Kongress kaum bereit, den Atomdeal zu verabschieden. Indien übt sich in Wohlverhalten, der Vertrag erhält das Plazet der US-Legislative - doch verliert Premier Singh im indischen Unterhaus die nötige Unterstützung für eine Ratifizierung des Vertrages. Das Abkommen ist für Monate suspendiert.
Veto der Kommunisten
Juli/August 2007
Premier Manmohan Singh setzt sich noch einmal nachdrücklich für den Vertrag ein und verbindet sogar sein politisches Schicksal mit einem erfolgreichen Abschluss. Doch den Widerstand der 59 Abgeordneten der Left Front, auf deren Stimmen die Regierung angewiesen ist, vermag er nicht zu brechen.
Konsens in Wien
November 2007
Bei Gesprächen zwischen der IAEA und Indien in Wien gibt es einen Konsens über Sicherheitsstandards und die Kontrolle importierter Atomanlagen, etwa aus den USA. Die indische Seite hat damit die letzte Vorbedingung für den nun doch möglichen Abschluss des Nuklearvertrages mit den USA erbracht, nachdem die von den Kommunisten geführte Left Front signalisiert hat, ihre Blockade aufzugeben.
Westbengalen und die Kommunisten
Seit 1977 regiert die Kommunistische Partei Indiens (Marxist), abgekürzt CPI (M), diesen Bundesstaat an der Grenze zu Bangladesch mit derzeit 85 Millionen Einwohnern. Keine andere Region der Erde wird länger von einer demokratisch gewählten kommunistischen Partei regiert. Auch hat niemand in Indien selbst einen Staat über einen größeren Zeitraum hinweg geführt als Jyoti Basu - der Chef-Minister Westbengalens zwischen 1977 und 2001. Angesichts der Kurzlebigkeit vieler Staatsregierungen in Indien ein seltenes Phänomen.
Dabei regiert die CPI (M) bereits seit mehreren Wahlperioden im Verbund mit einer Linksfront, der die Kommunistische Partei Indiens (CPI), die Revolutionäre Sozialistische Partei (RSP) und der Vorwärts-Block (FB) angehören. Die anderen relevanten Parteien Westbengalens in Opposition zur Linksfront sind der Indian National Congress (INC) und der Trinamul Congress.
Seit Ende der neunziger Jahre tendiert die Politik der Linksfront mehr und mehr dazu, Sonderwirtschaftszonen in Westbengalen einzurichten, in denen ausländisches Kapital günstige Anlagemöglichkeiten findet, und sich damit einer Strategie der Kongresspartei anzunähern, die Indien nach dem Beispiel Chinas in die Weltwirtschaft zu integrieren sucht. Bereits Jyoti Basu hatte als Regierungschef das Terrain für neoliberale Wirtschaftsreformen bereitet, die letzten Endes auch Hintergrund für die Polizeiaktionen und Zusammenstöße in Nandigram (s. oben) waren.
Über die Wirtschaftspolitik in Westbengalen gibt es keinen fundamentalen Dissens zwischen der CPI (M) und der CPI. Zur Aufspaltung der indischen Kommunisten in diese beiden Parteien, die bis heute zu den nur sechs gesamtnationalen Parteien Indiens gehören, kam es bereits 1964 wegen innerparteilicher Differenzen über die Haltung zum indisch-chinesischen Grenzkrieg zwei Jahre zuvor. Die spätere CPI(M) sympathisierte mit China, während die CPI eher einem nationalkommunistischen Kurs folgte. Die explizit maoistischen Kräfte verließen 1969 die CPI(M) und sammelten sich als Naxaliten in neuen Organisationen. Spätestens seit dem Ende des Kalten Krieges und den Marktreformen in China haben die ideologischen Unterschiede zwischen CPI (M) und CPI an Bedeutung verloren. Seither wird immer wieder einmal über die mögliche Rückkehr zu einer Partei verhandelt.
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