Nach den Vorstellungen der Ton angebenden Reformer in Bund und Ländern soll die Hochschule des 21. Jahrhunderts wie ein Dienstleistungsunternehmen ihre Produkte - Forschungsdienstleistungen sowie Aus- und Weiterbildung - auf einem Markt an kaufkräftige Nachfrager absetzen. An die Stelle von politischen Willensbildungsprozessen würden Formen der ökonomischen Regulierung treten und Hochschulbildung perspektivisch zur Ware machen. Wer dem hochschulpolitischen Mainstream kritisch gegenübersteht, wird zum "Reformgegner" abgestempelt. Auch wenn sie in der ganz auf neoliberale Sachzwanglogik eingestimmten Medienöffentlichkeit immer weniger wahrgenommen werden: Alternativen - sowohl zur Umwandlung der Hochschulen in marktgesteuerte Dienstleistungsunternehmen als auch
ch zur Verteidigung des unbefriedigenden Status Quo - sind machbar, hier und heute.Die Forderung nach größerer Hochschulautonomie, die auch wirtschaftliche Angelegenheiten einschließt, stößt heutzutage auf breite Zustimmung. In keinem hochschulpolitischen Programm darf die Forderung nach einem Globalhaushalt fehlen. Galt die Autonomie ursprünglich jedoch als konsequente Weiterentwicklung von Wissenschaftsfreiheit und akademischer Selbstverwaltung, kommt diese heute meist in Gestalt unternehmerischer Freiheit eines marktgesteuerten Dienstleistungsunternehmens daher, die die Hochschule nach dem Vorbild einer Aktiengesellschaft mit Vorstand und Aufsichtsrat umstrukturieren soll.Es wäre aber fatal, die derzeitige bürokratische Gängelung der Hochschulen durch autokratische Leitungen innerhalb der Hochschulen zu ersetzen, zumal wenn dies nicht mit erweiterten Mitbestimmungsrechten einhergeht. Die gegenwärtige Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen vom Staat an die Hochschulen hat zur Folge, dass neue Mitbestimmungstatbestände, etwa die Verteilung eines globalen Budgets, den Alltag der akademischen Selbstverwaltung prägen. Warum aber sollten diese dem Kuratel absoluter Professorenmehrheiten unterstellt werden?Nicht einmal die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verlangt dies. In seinem viel zitierten Hochschulurteil von 1973 hat Karlsruhe eine Professorenmehrheit lediglich für solche Gremienentscheidungen verlangt, die Forschung und Lehre unmittelbar betreffen. Darüber hinaus sind 1998 fast alle restriktiven Organisationsvorschriften aus dem Hochschulrahmengesetz gestrichen worden. Reformbereite Länderparlamente könnten heute also eine gleichberechtigte Mitbestimmung der am Wissenschaftsprozess beteiligten Gruppen realisieren - zumindest bei allen Entscheidungen in Haushalts- und Planungsangelegenheiten sowie bei Satzungsfragen und Wahlen. Damit steht die viertelparitätische Zusammensetzung von Hochschulorganen wieder auf der hochschulpolitischen Agenda.Wenn es vielen Politikern vorab auch darum geht, mit Studiengebühren Haushaltslöcher zu stopfen, liegt ihre politische Bedeutung doch darin, die Hochschulen in marktgesteuerte Unternehmen umzuwandeln. Von den Studierenden wird erwartet, dass sie die "Rendite" ihres Studiums schärfer kalkulieren; die Hochschulen hingegen sollen um die Kaufkraft der studentischen Kundschaft konkurrieren. Gegen die Idee einer nachfrageorientierten Hochschulfinanzierung ist erst einmal nichts einzuwenden. Warum sollten die Mittel der Hochschulen, Fachbereiche oder Studiengänge über eine angemessene Grundausstattung hinaus nicht auch vom tatsächlichen Zuspruch abhängen, den die Lehre bei den Studierenden erfährt? Müssten diese dann nicht endlich die Lehre ernster nehmen und auf die Interessen und Bedürfnisse der Studierenden eingehen?Niemand konnte bislang jedoch plausibel machen, warum die nachfrageorientiert verteilten Zuschüsse den Umweg über die Portmonees der Studierenden nehmen, also ganz oder teilweise von den Studierenden privat - über Studiengebühren - aufgebracht werden müssen. Unter dieser Voraussetzung würde sich die Finanzierung der Hochschulen an der Nachfrage von Studierenden aus besser verdienenden Familien orientieren - die Chancengleichheit bliebe auf der Strecke. Nachfrageorientierung und Gebührenfreiheit schließen sich also nicht aus, sondern harmonieren perfekt miteinander.Die im Rahmen des Bologna-Prozesses vereinbarte europaweite Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen könnte den alten konservativen Traum von der Zweiteilung des Universitätsstudiums in eine berufsorientierte erste Phase für die "Masse" und eine wissenschaftsorientierte zweite Phase für eine "Elite" verwirklichen. Die "besonderen Zugangsvoraussetzungen", über die sich die Kultusministerkonferenz schon verständigt hat (zum Beispiel herausragende Abschlussnoten, Eingangsprüfungen oder Auswahlgespräche), entscheiden dann darüber, wer nach erfolgreich abgelegtem Bachelor in die Höhen der Wissenschaft aufsteigen darf.Bachelor und Master könnten ebenso gut auch ein Ansatz für eine umfassende Modularisierung der Studienstrukturen sein, die den Studierenden eine individuelle Gestaltung ihres persönlichen Studienprogramms ermöglicht. Ein modularisiertes Studium wäre nicht mehr an wissenschaftliche Einzeldisziplinen gebunden, sondern könnte sich genau so gut an komplexen Berufs- und Tätigkeitsfeldern orientieren.Dreh- und Angelpunkt einer alternativen Studienreform ist daher die uneingeschränkte Durchlässigkeit beim Übergang in weiterführende Studienangebote - über die Grenzen der Hochschularten hinweg. Warum sollte man in Zukunft nicht an ein erfolgreich an einer Fachhochschule abgeschlossenes Bachelor-Studium einem universitären Master-Studiengang anschließen können?Dr. Andreas Keller ist Politikwissenschaftler und in der Berliner Hochschulverwaltung tätig. Er ist Mitglied im Bundesvorstand des Bundes demokratisch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi).