InsBergfreie

Krisenbewältigung Gipfel ohne Ergebnis

Ein Krisengipfel ist eine Gelegenheit, Geschäftigkeit zu demonstrieren, ohne Ergebnisse vorlegen zu müssen. Damit nachher niemand sagt, es sei ja gar nichts herausgekommen, wird genau das schon im Vorfeld angekündigt.

Nach dem Treffen im Kanzleramt, das eigentlich nur der Analyse dienen sollte, war plötzlich doch von einem Ergebnis die Rede, von einem "zentralen" sogar: Konzerne sollen angeboten haben, darüber nachzudenken, die Selbstverpflichtung anzustreben, 2009 auf Kündigungen zu verzichten. Damit, so die Nachrichtenagentur dpa, hätten "selbst Optimisten nicht gerechnet".

Angeboten, darüber nachzudenken, etwas anzustreben? Selbst Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), dem jede Meldung über zupackende Krisenbewältigung recht sein müsste, wollte auf dem Treffen nur einen "positiven Hinweise" auf eine Selbstverpflichtung erkannt haben. Die Regierung würde im Gegenzug "eventuell" die arbeitsmarktpolitischen Instrumente erweitern - damit so wenige Menschen wie möglich "plötzlich ins Bergfreie" fallen. Angela Merkel ließ mitteilen, sie habe als Kanzlerin "zwei Aufträge erteilt" - einer erging als Frage an die Dax-Unternehmen: "Wie kann der Abbau von Arbeitsplätzen verhindert werden?" Eine Antwort steht noch aus. Und selbst wenn: Es wäre nicht die erste Selbstverpflichtung der Unternehmen, die sich in Luft auflöste.

Nun hat es eine solche bisher gar nicht gegeben, dennoch ist ein Streit über die Urheberschaft entflammt. Es hieß, Vertreter der Dax-Konzerne hätten den Vorschlag eingebracht. So stand es später auch in vielen Zeitungen. DGB-Chef Michael Sommer konterte, diese Erklärung sei von den Firmen-Abgesandten aber "nicht ganz freiwillig" abgegeben worden, sondern gehe "auf unsere Initiative" zurück.

Wo Sommer bemüht war, das Nicht-Ergebnis in einen gewerkschaftlichen Erfolg umzumünzen, warf sein Verdi-Kollege Frank Bsirske die Frage auf, welches Motiv die Unternehmen haben könnten, Stellen zu erhalten. Die Aneignung fremder Arbeit lässt sich mit Hilfsbereitschaft ebenso wenig erklären wie ein Kürzungsstopp mit patriotischem Verantwortungsgefühl, das nach dem Krisengipfel im Wort vom "nationalen Kraftakt" zu neuer Popularität kam. Bsirske wies darauf hin, dass viele Betriebe "vor dem Hintergrund der absehbaren Facharbeiterklemme" ein ganz und gar krisenunabhängiges Interesse hätten, "die Kernbelegschaften zu halten". Das sei bei dem Treffen lediglich "noch mal unterstrichen worden".

Dass von einem Entlassungsmoratorium nicht die Rede sein kann, zeigt auch, dass Leiharbeiter nach den Worten des Verdi-Chefs von allen Überlegungen ausgenommen sind. 2004 hatte die rot-grüne Regierung die Schleusentore weit aufgerissen, die Zahl der Leiharbeiter hat sich seither auf rund 730.000 mehr als verdoppelt. In der Krise sind sie die ersten Verlierer, in der Autobranche, wo rund 100.000 Leiharbeiter beschäftigt sind, werden bereits Verträge in großer Zahl nicht verlängert.

Im Januar will sich die Kanzlerin mit den DAX-Managern treffen. Dann werde man nach den Worten eines Regierungssprechers "Möglichkeiten prüfen, welche freiwillige Selbstverpflichtung denkbar ist". Kommt dann doch noch die gute Nachricht, mit der "selbst Optimisten nicht gerechnet" haben? Kaum. Vier von fünf Beschäftigten arbeiten gar nicht bei den 30 Dax-Konzernen. In vielen Unternehmen sind betriebsbedingte Kündigungen schon jetzt durch Verträge ausgeschlossen.

Mehrere Teilnehmer der Krisenrunde bei Merkel wurden in dieser Woche mit den Worten zitiert, eine Selbstverpflichtung sei eine "reine Alibi-Veranstaltung". Anfang Januar folgt schon der nächste Krisengipfel. Im Koalitionsausschuss wird einmal mehr darüber beraten, wie es weitergehen soll. Es werde ein Treffen sein, sagte Steinbrück, "von dem sie bitte nicht irgendwelche Beschlüsse erwarten".

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