Invasionsziel Venezuela

Putsch Es wäre an der Zeit, dass Deutschland und die EU die Anerkennung des venezolanischen Staatschefs überdenken
Ausgabe 20/2020
Szene in der venezolanischen Hauptstadt Caracas. Im Hintergrund ist ein Graffito, das Präsident Nicolás Maduro abbildet
Szene in der venezolanischen Hauptstadt Caracas. Im Hintergrund ist ein Graffito, das Präsident Nicolás Maduro abbildet

Foto: Federico Parra/AFP/Getty Images

Geschichte kann sich bekanntlich wiederholen – das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce, wusste Karl Marx. Die Erkenntnis trifft auch auf Venezuela zu. Die jüngst versuchte Landung von 60 Söldnern mit dem Ziel, Präsident Maduro zu entführen und in die USA bringen, wo 15 Millionen US-Dollar Kopfgeld auf ihn ausgesetzt sind, mutete an wie eine dilettantisch inszenierte Farce. Die Rambo-Aktion zerschellte an der Abwehr venezolanischer Sicherheitskräfte, bevor sie richtig begann. Das Ergebnis: acht Tote, mindestens 34 Festnahmen, darunter zwei US-Amerikaner. Die Operation erinnert an die Schweinebucht-Invasion auf Kuba und bezeugt, wie die Lateinamerika-Politik der USA weiter unter Kompetenzmangel leidet. Von außen lancierte Versuche zum Staatsstreich basieren auf einer Fehleinschätzung der Opposition Venezuelas, gegen die man in Washington so wenig gefeit ist wie in der Brüsseler EU-Zentrale oder in Berlin.

Jordan Goudreau, Chef der Sicherheitsfirma Silvergroup, hatte Juan José Rendón, Chefstratege des selbst ernannten Interimspräsidenten Juan Guaidó, einen Plan zum Sturz Maduros angeboten, wozu am 16. Oktober in Washington gar eine Vereinbarung unterzeichnet wurde. Das siebenseitige Dokument, das der Washington Post vorliegt, trägt neben Rendóns auch Guaidós Unterschrift. Goudreau habe dann diesen Plan eigenmächtig vorangetrieben, behauptet die Opposition in Caracas, während Guaidó schweigt, und die US-Regierung versichert, sie wisse nichts. Ist es vorstellbar, dass ein Guaidó-Intimus wie Goudreau auf eigene Faust handelte? Und dass Schnellboote mit bewaffneten Söldnern ohne Wissen der Behörden Kolumbiens von dessen Küste ablegen konnten?

Guaidó, der in Venezuela viel an Rückhalt verloren hat, ist politisch verbrannt. Es wäre an der Zeit, dass Deutschland sowie die Europäische Union dem Rechnung tragen und die Anerkennung Guaidós als Staatschef überdenken. Sie sollten stattdessen auf Verhandlungen drängen, die alle in Venezuela relevanten politischen Kräfte einbeziehen, also auch Nicolás Maduro nicht ausschließen.

Da von den USA ein solcher Schwenk kaum zu erwarten ist, könnte das vereinte Europa im Umgang mit einem Krisenstaat wie Venezuela statt Parteilichkeit ausnahmsweise Realpolitik walten lassen.

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