„Ist das die Welt, die wir wollen?“

Fotografie Das Schöne an Edward Burtynskys Bildern: Sie erheben keine einseitigen Vorwürfe. Das Hässliche: Sie zeigen, dass wir alle verantwortlich sind für die Umweltzerstörung

Der Freitag: Herr Burtynsky, Ihr Werk vereint politisches Engagement und künstlerisches Schaffen. Kann die Schönheit Ihrer Bilder dabei helfen, vor der Zerstörung der Umwelt zu warnen?

Edward Burtynsky: Ich hoffe es. Die Universitäten nutzen diese Bilder mittlerweile, da sie einen Vorteil mit sich bringen: Sie sind nicht didaktisch, sie klagen nicht nur einseitig die Industrie an. Denn jeder von uns ist involviert. Ich trinke Wasser aus dieser Plastikflasche, die ein Produkt aus Öl ist. Alles, was wir anfassen, basiert irgendwie auf Erdöl.

Worauf zielen Ihre Bilder dann?

Ich hoffe, dass sie eine Menge Fragen aufwerfen, über Fortschritt und die Art und Weise, wie wir uns die Natur aneignen. Ist das die Welt, die wir wollen? Was bedeutet es und wie weit können wir die Entwicklung treiben, bevor die Welt unbewohnbar geworden ist? Wenn meine Bilder helfen, darüber einen Dialog anzuregen, ist es das Beste, was passieren kann.

Wohin führt dieser Dialog?

Er offenbart die Position der Betrachtenden, die durch den Anstoß der Fotos zeigen, was sie über die Welt denken. Sehen sie die Entwicklung als ein ökologisches Desaster? Oder als Triumph des Menschen über die Natur? Beide Interpretationen sind möglich. Für einen Großindustriellen und Kapitalisten handelt es sich um eine großartige Sache: Sieh, wir verbessern das Leben der Menschen durch unser Bemühen und die Fähigkeit, die Rohstoffe zu verwandeln! Wenn der Biber Bäume fällt, um Dämme zu bauen, ist das zwingend negativ?

Sie hatten 1997 Ihre Epiphanie, bei der Ihnen die Abhängigkeit vom Erdöl bewusst wurde. Besteht Ihrer Meinung nach noch Hoffnung für die Menschheit, dass sie die einhergehende Ressourcenzerstörung erkennt?

Leider glaube ich nicht, dass Menschen gut im langfristigen Denken sind. Wir überlebten so gut, weil wir sehr anpassungsfähig bei schnell notwendigen Veränderungen sind. Das ist unsere Stärke. Und ums Überleben geht es immer noch im Kern. Wir haben nur gelernt, eine glänzende Oberfläche über diesen ziemlich aggressiven Überlebensinstinkt, über das Tier in uns, zu decken. Verschiedene Systeme und Gesellschaften lehren Empathie und ein Bewusstsein über das unmittelbare Überleben hinaus. Wir im Westen sind in einer privilegierten Position, über so etwas nachzudenken zu können.

Inwiefern?

Wir müssen uns nicht tagtäglich mit existenziellen Fragen beschäftigen. Aber wenn man in Schwellenländern wie Indien gerade versucht, sein Leben nicht mehr auf der Straße verbringen zu müssen, können solche Gedanken überhaupt nicht entstehen, verständlicherweise. Da geht es darum, ob genügend Essen auf dem Tisch ist, um die Kinder zu ernähren.

Für Ihre Ausstellung in Berlin konnten keine großen Sponsoren gewonnen werden. Hat die Industrie Angst vor Ihren Bildern?

Ja, ich denke die Regierungen und die Großindustrie haben Angst. In Kanada legen sie kritischen Wissenschaftlern gerade wieder Maulkörbe an, da sie die Entwicklung des Ölsandabbaus in Alberta befördern wollen. Als ich kürzlich eine Ausstellung in London eröffnete, wollte ich den Wissenschaftler William E. Rees auftreten lassen. Er hat den Begriff des Ökologischen Fußabdrucks geprägt. Wir baten die Regierung, einige Sprecher zu senden. Sie haben ihn nicht unterstützt, weil er keine schönen Sachen über die kanadischen Ölsande sagt.

Allein der Dialog ist bereits eine Bedrohung. Was erschreckend ist, weil wir davon so abhängig sind. Wenn wir keinen öffentlichen Dialog darüber führen, wann die Vorkommen versiegen, mit wem sollen wir dann darüber sprechen? Ich hasse es zu sagen, aber ich denke, es sind die Bürger, die aufwachen müssen und sich nicht länger auf die Regierungen verlassen dürfen, in der Hoffnung, dass sie oder auch die Firmen unsere Probleme lösen werden. Denn das wird nicht passieren.

Wie verlief die Zusammenarbeit mit den Unternehmen der Erdölbranche bei der Arbeit an „Oil“?

Immer angespannt. Einige waren entgegenkommend und andere schwierig. Bei vielen komme ich niemals rein. Die meisten Ölfirmen sehen keinerlei Nutzen darin, einen Künstler wie mich reinzulassen. Im Gegenteil, sie sehen es als kompromittierend oder als Infragestellung ihres Handels an. Das Gleiche erlebte ich, als ich das Thema „Wasser“ fotografierte. Ich bekam ebenfalls Probleme. Wasser und Öl werden die Schlüssel-komponenten der Unterminierung dessen sein, was wir geschaffen haben. Ich denke, sie werden die Quelle großer Spannungen in unserer Gesellschaft sein.

Das Gespräch führte Brit Beneke

Edward Burtynsky, geboren 1955 in Kanada, hat in seiner Arbeit "Oil" den Kreislauf von Gewinnung, Verwertung und Verbrauch des Rohstoffs Öl dokumentiert. Sie ist bis zum 9. September im C/O Berlin zu sehen. Der Freitag ist Medienpartner der Ausstellung.

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