Als das Gerücht kursierte, die Tochter des US-amerikanischen Präsidenten, Ivanka Trump, könnte Chefin der Weltbank werden, lagen Staunen und Gewissheit nah beieinander. Es wäre ein weiterer Coup der Trumps gewesen, dabei dürfte die Nachricht nicht überraschen: Die Elite bleibt gern unter sich, das wissen auch alle. Bekannt ist die Metapher der Drehtür-Politik, denn der Wechsel zwischen politischen Ämtern, Lobbygruppen und Unternehmen geschieht pausen- und vor allem geräuschlos. Die Elite reproduziert sich selbst, mit Wechseln zwischen den verschiedenen Feldern, nur wenige angepasste Aufsteiger sind zugelassen, wie Charles Wright Mills bereits 1956 in seinem Buch The Power Elite (Die amerikanische Elite) für den US-Kontext feststellte. F
xt feststellte. Für Frauen wie Ivanka Trump ist die Drehtür stets in Bewegung.Die Nachricht war trotzdem insofern verwunderlich, als Frauen in Spitzenpositionen immer noch eine Seltenheit sind. Erst seit 2011 etwa steht mit Christine Lagarde eine Frau an der Spitze des Internationalen Währungsfonds, bei der Weltbank findet sich keine einzige unter den bisherigen Präsidenten oder Chefökonomen. Auch das Bild des G20-Gipfels spricht mit vielen schwarzen Anzügen und Krawatten Bände. Neuerdings beträgt auch der Frauenanteil im Deutschen Bundestag nur noch rund ein Drittel. Mit wenigen Ausnahmen stagnieren die Erfolge von Frauen, oder es gibt sogar einen Regress bei der politischen Mitbestimmung.Doch es gibt eine ernst zu nehmende Verschiebung, zumindest in der wirtschaftlichen Elite: Tatsächlich steigt der Frauenanteil in den Führungsetagen von weltweit führenden Unternehmen stetig; er hat sich neben den veränderten gesellschaftlichen Erwartungen an Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern sogar noch förderlich für den Profit erwiesen. Unternehmen setzen zunehmend auf Frauen – wegen ihrer besseren Universitätsabschlüsse, ihrer sogenannten Soft Skills (soziale Kompetenzen), ihrer Belastbarkeit. Auch, weil es immer mehr Kundinnen gibt, je mehr Frauen sich auch auf dem Arbeitsmarkt bewegen und ökonomisch unabhängiger werden. Kurz gesagt: Frauen wissen, was Frauen wollen oder konsumieren werden.Privat finanzierte Stiftungen wie etwa die AllBright Stiftung setzen sich daher aktiv für Frauen und Diversität in Führungspositionen der Wirtschaft ein. „Moderne Führungsteams“ sorgen dann für Wettbewerbsfähigkeit. In diesem Sinne publizierte die Stiftung 2018 eine Studie, die zeigt, dass deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich hinterherhinken. Zwar hat die gesetzliche Quote den Anteil von Frauen in Aufsichtsräten auf etwa 30 Prozent erhöht, doch in den Vorständen der 30 größten DAX-Unternehmen erhöhte er sich nur leicht auf 13,8 Prozent. Den deutschen Unternehmen fehlten damit die Treiber für notwendigen Wandel. Frauen und Digitalisierung, das seien die Themen, bei denen die Zukunft für Unternehmen entschieden werde.So durchlässig die Geschlechtergrenzen in der Darstellung der AllBright Stiftung auch sein mögen, es geht um Frauen als Ressource und um Repräsentation, also um Geld und Image. Die männliche Macht innerhalb der Eliten, ihr Habitus, die informelle Weitergabe von Positionen bleiben unangetastet. Gründer der Stiftung ist nicht durch Zufall ein Mann: Sven Hagströmer strebt Diversität an, „aus Liebe zum Profit“ (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 28. Oktober 2018). An Schaltstellen gilt der Patrimonialismus, die Bruderherrschaft, nach wie vor. Für den deutschen Industriesektor gilt das offenbar noch mehr als für den weiblich dominierten Dienstleistungs-, Gesundheits- oder Erziehungssektor. Im Vorstand von Volkswagen findet sich eine Frau unter sechs Männern.Erst kommt der ProfitSo mögen zwar die Panels des Weltwirtschaftsforums in Davos von Frauen besetzt sein, bei der Versammlung selbst sind aber von den Anwesenden gerade einmal 21 Prozent Frauen. Dazu kommt, dass unter der wirtschaftlichen Politik des Forums global vor allem Frauen leiden, weil sie es sind, die von der Austeritätspolitik seit der Krise besonders hart getroffen werden.In Davos wie bei der AllBright Stiftungherrscht ein Elite-Feminismus, der weder an der globalen Vermögensverteilung noch an neoliberaler Ideologie rüttelt. Sheryl Sandberg, Geschäftsführerin von Facebook, vertritt das Diktum des „Lean in“ für Karrierefrauen. Es ist Ausdruck davon, wie wenig Frauen in der Macht-Elite an den Strukturen ändern.„Sich reinhängen“ bedeutet dann für einige wenige Frauen, die Spitze zu erreichen, die berühmte gläserne Decke zu durchbrechen, wenn sie sich nur genug anstrengen. Die allermeisten Arbeiterinnen in den von Frauen geführten Unternehmen haben von diesem Erfolg nichts, so hart sie auch arbeiten mögen.Der Soziologe und Elitenforscher Michael Hartmann beschreibt in seinem Buch Die Abgehobenen anhand von Einzeleindrücken, wie die Frauen die männlichen sozialen Aufsteiger in den Vorstandsetagen verdrängen. Einen ähnlichen Prozess – wenn auch nicht für die Elite – beschreibt der Soziologe Oliver Nachtwey in dem Buch Die Abstiegsgesellschaft: Dort, wo Frauen auf den Arbeitsmarkt kommen, verdrängen sie schlechter ausgebildete Männer. Frauen profitieren von den kommunikativen Anforderungen und neu entstehenden Jobs. Zugleich leiden sie unter dem verhältnismäßig geringen Lohn.Das mag einer der vielen Gründe sein, warum die wirtschaftliche Lage der Männer und das männliche Selbstbild sich in den letzten Jahrzehnten so verschlechtert haben, dass es zu Protesten kommt – oftmals kanalisiert durch rechte Gruppen oder Parteien.Schuldig gemacht werden durch besagte Gruppen und Parteien dann die Frauen selbst, oder gleich der Feminismus, die Gender-Theorie und Diversity. Dabei sind nicht die Frauen oder Minderheiten verantwortlich für den relativen Abstieg der Männer. Tatsächlich wird der Aufstieg der einen mit dem Abstieg der anderen bezahlt. Der Grund: Frauen, Minderheiten und Männer konkurrieren um Arbeitsplätze; und zwar so, wie sie es um die Plätze an der Spitze auch tun. Solange es den Konkurrenzdruck um die günstigste Arbeitskraft oder die beste Ausbildung gibt, so lange wird nach den Kategorien der Profitabilität entschieden, und das immer früher.Die Auswahl beginnt bereits im Mutterleib, und sie verfestigt sich über die sozialen Beziehungen sowie nicht zuletzt über die Bildungsinstitutionen. Die fehlende Durchlässigkeit von unten nach oben wird dann spätestens an der Universität sichtbar. Dort, so argumentieren etwa die Politikwissenschaftler Jürgen Gerhards und Tim Sawert in einem aktuellen Beitrag für die Fachzeitschrift Leviathan, ende die im Diversity-Diskurs beschworene Solidarität „an der Grenze der Unterschicht“.Bezeichnend sei, welche Rolle vor allem die soziale Herkunft an den Universitäten spiele, während Geschlecht und Sexualität sich nicht länger negativ auf die Repräsentation auswirken. Zwar betonen die Autoren, dass die Hierarchie der Universität weiterhin geschlechtlich fixiert ist, also Männer weiterhin die meisten Professuren besetzen (etwa zwei Drittel) und es zu sexueller Belästigung an Frauen kommt. Doch die soziale Ungleichheit, schreiben die Autoren, wiege schwerer. Das liege daran, dass der Zugang zu höheren Bildungseinrichtungen verunmöglicht werde. Heterosexuellen Männern mit Migrationshintergrund aus nichtakademischem Elternhaus ist es demnach quasi unmöglich, sozial aufzusteigen, allein weil ihnen die Ausbildung fehlt.Quoten für alleWollte man den Herrschaftsknoten aus verschiedenen Diskriminierungen auflösen, es bräuchte Quoten für Arbeiterinnen und Arbeiter, Quoten nach Geschlecht, Herkunft und Sexualität – in der Wissenschaft, in Parteien, Institutionen sowie für Vorstände in Unternehmen. So eine allumfassende Quote würde letztlich dafür sorgen, dass die Elite, wie man sie kennt, verschwände. Genau deshalb wäre es unmöglich, sie durchzusetzen. Beharrlich halten sich die Eliten ja dadurch an der Macht, dass sie ihre Macht zu verteidigen wissen.Außerdem sind Quoten immer nur Mittel zum Zweck und für eine Übergangszeit gedacht. Sie können zwangsweise dafür sorgen, dass sich in der Repräsentation und auch am Inhalt etwas ändert. So besteht die begründete Hoffnung darin, dass Arbeiter in Parteien eine andere Umverteilungspolitik verfolgen werden, so wie weibliche Professorinnen an den Universitäten anders forschen werden als ihre männlichen Kollegen – aber auch dafür gibt es keine Garantie. Quoten sind damit nicht mehr und nicht weniger als ein Werkzeug, und eine Quote für Arbeiterkinder in Universitäten könnte durchaus ein sinnvoller Schritt sein. Sie wäre es aber nur dann, wenn sie nicht das Ziel ersetzen würde, höhere Bildung allen uneingeschränkt zu ermöglichen.Ebenso sind Quoten in Vorstandsetagen nur so lange sinnvoll, wie diese kleinen Zirkel wichtige Entscheidungen in Unternehmen für Millionen Angestellte treffen sollen. Eine Politik, die auf die Demokratisierung aller Lebensbereiche abzielt, wird nicht umhinkommen, sich mit dieser Elite anzulegen. Auch mit der weiblichen Elite.
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