Jeff Koons in Berlin

Ausstellung Für die einen ist er der Totengräber der Kunst. Für die anderen der Vollender der Pop-Art. Spätestens seit der amerikanische Künstler Jeff Koons 1990 ...

Für die einen ist er der Totengräber der Kunst. Für die anderen der Vollender der Pop-Art. Spätestens seit der amerikanische Künstler Jeff Koons 1990 auf der Biennale von Venedig den öffentlichen Beischlaf mit der italienischen Pornodarstellerin Cicciolina, die er später auch noch heiratete, zur Kunst erhob, gilt der 1955 geborene Künstler als das begabteste Enfant terrible des Kunstbetriebs. Fast 20 Jahre später spaltet dieser Mann noch immer die Kritik. Bevor er sich als Berliner Museums-General verabschiedete, hat ihn Peter-Klaus Schuster mit einer Einzelausstellung in die Reihe "Kult des Künstlers" eingereiht - neben Joseph Beuys und Paul Klee. Dafür hat er ihm sogar das Heiligtum der Moderne, Mies van der Rohes Nationalgalerie, freigeräumt. Prompt wurde er mit dem Vorwurf des "Kniefalls vor dem Markt" überzogen.

Damit spielen die Kritiker auf Koons Biografie an. Denn der hat als Warenmakler an der Wall Street angefangen. Der Vorwurf ist jedoch ungefähr so überzeugend, als wollte man Andy Warhol heute noch mit der Begründung aus dem Olymp der Kunst exmatrikulieren, er habe einmal als Modezeichner begonnen. Dabei hat Koons nichts anderes getan als der Factory-Man auch: Konsum und Ware als Gegenstand der Kunst ernst zu nehmen. Die elf großen Skulpturen seiner Celebration-Serie, die er zwischen die schweren Marmorsäulen des Mies-Baus postiert hat, kommen wieder aus dieser Zone: ein in Stanniol verpacktes Schokoladenei, ein Blumenstrauß aus Luftballons, ein großes Herz am Goldband. Aus einem Wollstrumpf aus Plastik lugt ein Kätzchen hervor. Und dann natürlich diese Farben: Pink, violett, türkis. Wer diesen Parcours der trivialen Kostbarkeiten, eine Kreuzung aus Jahrmarkt und Kindergeburtstag, durchschreitet, kann gar nicht anders als "Kitsch as Kitsch can" zu murmeln.

So ungebrochen wie es den Anschein hat, gibt Koons die Warenästhetik aber nicht weiter. Zwar ist kaum ein größerer Gegensatz denkbar als der zum filigranen Paul Klee, dessen, einen Stock tiefer im Halbdunkel hängender, Angelus Novus Walter Benjamin zu seiner berühmten Definition vom "Engel der Geschichte" inspirierte. Gemessen an dem Klee-Diktum, dass die Kunst nicht das Sichtbare zeigen muss, sondern sichtbar machen muss, sind die grundverschiedenen Künstler auf der anderen Seite so etwas wie Brüder im Geiste. Denn in der Vergrößerung stellen Koons bunte Objekte nicht mehr nur sich selbst dar, sondern werden zu Archetypen von Konsum, Kitsch, Kommerz. In ihren verführerisch schimmernden Oberflächen erblickt sich plötzlich der Betrachter - mitsamt seinen trivialen Gelüsten. Dass Koons seinen roten Balloon Dog ein "Trojanisches Pferd" nennt, ist nichts als plausibel. Wer sich einmal so einen Koons ins Haus holt, wird sich wundern, welche Selbsterkenntnis daraus hervorkriecht.

Aber nun strebt der Prophet des Banalen offenbar doch einen Platz im Pantheon der Künste an. Nicht nur weil der sonst ewig grinsende Koons im Katalog andachtsvoll vor Leonardo da Vincis Flora-Büste im Bode-Museum posiert. Und er im Gespräch mit General Schuster die Platzierung im Mies-Tempel euphorisch als "Höhepunkt" preist. Es hat etwas mit den Werken selbst zu tun. Koons silberne Rabbit-Skulpturen vom Ende der achtziger Jahre waren gerade mal ein Meter groß. Inzwischen messen seine Werke kaum noch unter drei Metern und wiegen mehrere Tonnen. Gemessen an den zierlichen Nippesfiguren aus Holz und Porzellan, mit denen Koons zu Beginn seines Aufstiegs Pornographie und Barock kurzschloss, wirken die überdimensionierten Artefakte plötzlich hohl und schal, schlimmer noch: erhaben. Die Kunst wird der schillernde Pop-Artist mit ihnen nicht zu Grabe tragen. Womöglich aber die Ironie seiner frühen Jahre.

Jeff Koons Celebration. Neue Nationalgalerie Berlin. Noch bis zum 5.2.2009. Katalog, Hatje Cantz, 19 EUR

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