In meinem fachlichen Umfeld, der Sexualwissenschaft, ist die sogenannte geschlechtergerechte Sprache Standard und zugleich Standarte. Jetzt hat auch die Duden-Online-Redaktion entschieden, 12.000 bislang im generischen Maskulinum gehaltenen Artikeln über Personen- und Berufsbezeichnungen jeweils einen zweiten, weiblichen hinzufügen. Das Gendern wird wie ein Hoheitszeichen gepflegt, und jede Beschädigung erscheint wie Blasphemie. Ich würde diese Sprache gern verwenden. Weil ich den emanzipatorischen Anspruch teile und weil ich viele, die diese Neubildungen verwenden, persönlich hoch schätze.
Aber, ach! Ich kann es nicht. Ich vermag sie weder auszusprechen noch hinzuschreiben; und erblicke oder höre ich sie, wird mir unbehaglich. Wenn ich Sie, liebe Leser, anspreche, dann kann ich keinen Sinn darin sehen, Sie mit „Leserinnen und Leser“ anzusprechen. Leser ist in der deutschen Sprache ein Allbegriff, nicht nur in der Mehrzahl, sondern auch in der Einzahl. Aus dem grammatikalischen Artikel kann man bei Allbegriffen (wie etwa: der Mensch, die Person, die Persönlichkeit, der Säugling, das Kind, der Spatz, die Meise …) nicht auf das Geschlecht schließen.
Wo Wortungetüme drohen
Im Deutschen tragen rund die Hälfte der Substantive den weiblichen Artikel „die“, viel weniger den männlichen Artikel „der“, und noch etwas weniger den sächlichen „das“. Eine Geschlechtergerechtigkeit ist dadurch weder hergestellt noch beschädigt, genauso wenig dadurch, dass der angeblich weibliche Artikel „die“ immer für den Plural gilt, also auch für Männer: die Männer und nicht der Männer.
Schriebe ich also „Leserinnen und Leser“, dann wäre das doppelt gemoppelt: Im Wort „Leser“ stecken beide Geschlechter, also auch die Leserinnen. Und nicht nur die! Wenn ich Sie mit Leser anrede, dann hebe ich ein Merkmal hervor, nur eins, nämlich, dass Sie den Freitag lesen. Aber zugleich ist klar, dass Sie ein männlicher oder weiblicher Leser oder trans sein können, dass Sie jung oder schon älter sind, dass Sie reich oder nicht so reich sind, dass Sie in Berlin geboren oder nicht in Berlin geboren sind, dass Sie verliebt oder gerade nicht verliebt sind, dass Sie Union-Berlin-Fan sind oder Fußball nicht mögen. Wollte ich allen diesen und weiteren Merkmalen sprachlich gerecht werden – welche Wortungetüme würden dann entstehen! Sich für ein einziges Merkmal, das Geschlecht, zu entscheiden, und bei jeder Gelegenheit nur das Geschlecht hervorzuheben, ist einseitig, überflüssig und ganz und gar ungerecht.
Ich weiß wohl, dass in bestimmten Situationen ein Merkmal entscheidend sein kann, natürlich auch das Geschlecht, zum Beispiel beim Arzt oder im Kleiderladen oder bei der Wahl einer Toilette. Aber in den anderen Situationen eben nicht oder nicht allein. In der Kletterhalle ist Klettern das dominierende Merkmal. Schaut man sich um, sieht man junge und alte Kletterer, gute und weniger gute, Frauen und Männer, Mütter, Kinder, Enkel. Der gute Gastgeber bei der Vorbereitung eines Festschmauses wird nach Veganern (nicht nach Veganerinnen und Veganern) unterscheiden. Wenn es um das Überqueren eines tiefen Sees geht, ist die Unterscheidung nach Schwimmern und Nichtschwimmern, nicht aber nach Geschlecht, überlebensnotwendig. Derzeit, da Corona uns in Atem hält, erfahren wir täglich, wie viele Infizierte gemeldet sind. Die Zahlen werden genannt, sind aber nicht nach Geschlecht sortiert. Merkwürdig?
Um die Anrede „Leserinnen und Leser“ zu umgehen, könnte ich – was schon häufig geschieht – ins Partizipische ausweichen: „Sehr geehrte dies gerade Lesende!“ Aber ist das die ideale Lösung? Als Leser des Freitag im Sinne eines Abonnenten oder Stammkäufers müssen Sie diese Zeitung keineswegs dauernd lesen, und Sie können den Freitag auch lesen, ohne Leser im Sinne eines Stammlesers zu sein. Wenn aus den Studenten die Studierenden, aus dem Studentenrat ein Studierendenrat wird, dann schütteln Sprachkundige und Laien den Kopf (oder schreiben einen Leserbrief). Jemand kann ein an der Universität eingeschriebener Student sein, aber kaum studieren, und jemand kann den Freitag gründlich studieren, ohne Student zu sein. Das eine (Student) ist ein Status, das andere (Studieren) eine Tätigkeit.
Interessant ist in diesem Zusammenhang das Schicksal der von Politikern manchmal krampfhaft gebrauchten Form „die Wählerinnen und Wähler“. Die Form wurde bisher nicht ins Partizipische gewandelt: Wählende. Wähler ist ein Status (das Wahlrecht haben), Wählender sein eine Tätigkeit; eine, die der Wähler auch unterlassen kann.
Mein Unbehagen an Sprachkonstrukten wie Leserinnen und Leser, LeserInnen, Leser_innen, Leser*innen oder Leserïnnen, ist nicht nur und nicht in erster Linie sprachlicher, sondern inhaltlicher Natur. In beliebigen Zusammenhängen und Situationen wird – auf soziografischer Ebene – nur eine Untergruppe zuungunsten aller anderen hervorgehoben und – auf individueller Ebene – die Gesamtpersönlichkeit auf das Geschlecht reduziert. Diese essenzialistische Reduktion wird der Gesamtpersönlichkeit nicht gerecht. Der Philosoph Péter Nádas fragt in Von der himmlischen und der irdischen Liebe: „Kann ich einen Menschen sehen oder ist mir niemals möglich, derartiges zu sehen, weil ich, wenn ich jemandem gegenüberstehe, ausschließlich Frau oder ausschließlich Mann vor mir sehe?“
Wie Zuschreibung ausgrenzt
Man müsse den ganzen Menschen, seine Charaktereigenschaften beachten, nicht nur und nicht in erster Linie sein Geschlecht, so Nádas: „Nicht nach Maßgabe seines Geschlechts spreche ich von seinem Charakter, sondern nach Maßgabe seines Charakters spreche ich von seinem Geschlecht.“ Der Sexus sei „lediglich ein einzelnes Element“ eines Systems von Eigenschaften, die den Charakter des Menschen ausmachen. In der „geschlechtergerechten“ Sprache wird das Geschlecht über die Persönlichkeit gestellt. Das Individuum wird auf sein Geschlecht reduziert, es wird also gewissermaßen verstümmelt.
Die Praxis, Menschen auf ein Merkmal zu reduzieren, ist durchaus ein geläufiges Unterfangen, so wenn Homosexuelle auf ihre Sexualität reduziert werden, Zugereiste auf ihren Migrationshintergrund (der Flüchtling) oder Behinderte auf ihre Behinderung. Im philosophischen Sinne handelt es sich hier um das Verhältnis von Allgemeinem und Einzelnem, vom Gemeinsamen und Unterschiedlichen. Hegel spricht von der „unendlichen Persönlichkeit“; davon, dass das „Ich als allgemeine Person aufgefasst werde, worin Alle identisch sind: Der Mensch gilt so, weil er Mensch ist, nicht weil er Jude, Katholik, Protestant, Deutscher, Italiener usf. ist.“
Das Epitheton ornans „weiblich“ versus „männlich“ verspricht Spezifisches oder wenigstens Typisches, also etwas, das ausschließlich Frauen oder hauptsächlich Frauen auszeichnet bzw. nur männlich oder in charakteristischer Weise männlich ist. Sexualwissenschaft, Gender- und Diversitätsforschung wissen eigentlich, dass dieses Versprechen nur partiell oder temporär eingehalten werden kann. Das, was einst als vorzugsweise männlich galt, kommt heute auch bei Frauen vor (und umgekehrt): Zum Beispiel Fußball. Zum Beispiel Intelligenz. Zum Beispiel die Einstellung zur Mathematik. Die Leipziger Jugendforschung hat schon in den siebziger Jahren herausgefunden, dass Mädchen in Mathematik die gleichen, oft sogar die besseren Leistungen erbringen als Jungen. Ich selbst habe in dieser Zeit festgestellt, dass – nach ihren Lieblingsfach in der Schule befragt – bei weiblichen genauso wie männlichen Studienanfängern Mathematik in der Rangfolge der beliebtesten Fächer vorn lag. Und die gern befeixte Behauptung, dass Frauen nicht einparken können, ist nur noch ein doofer Witz. Ich bin jedenfalls von Antjes, Elisas, Tatjanas umstellt, die mühelos rückwärts mit einem großen Anhänger in eine schmale Einfahrt reinfahren können – ohne Nachlenken!
Was Verkleinerung bewirkt
Insgesamt gleichen oder ähneln sich viele Eigenschaften von Frauen und Männern, und zwar nicht nur, weil sie beide zwei Beine, ein Herz und einen Kopf zum Denken haben. Männer sind keine Unter- oder Abart der Menschen und Frauen auch nicht. Klassifikationen wie männlich, weiblich, trans* haben ihre Grenzen. „Jedes Schema ist schemenhaft. Unerschöpflich, unbegrenzt ist die Differenzierung menschlicher Individualitäten“, um den großen Sexualforscher Magnus Hirschfeld zu zitieren. Und endlos ist auch die Differenziertheit der menschlichen Gesellschaft.
An dieser Stelle will ich auch auf das Gendersternchen eingehen. Ich habe immer bemängelt, dass Formen wie Leserinnen und Leser oder LeserInnen oder Leser_innen eine gesellschaftliche Minderheit ausklammern, und zwar Transpersonen, die sich nicht in das binäre Schema männlich/weiblich einordnen lassen. Auf den ersten Blick wird mit dem Sternchen (liebe Leser*innen) Gerechtigkeit hergestellt. Auf den zweiten Blick wird dies, insbesondere von Transsexuellen, die nicht fremd-, sondern selbstbestimmt ihr Geschlecht bezeichnen möchten, als ein Diktat, eine Vereinnahmung betrachtet. Zudem ist es seltsam, wenn eine Transperson wie eine Fußnote bezeichnet oder, anders herum gesehen, zu einem erdenfernen Himmelskörper gemacht wird, und zwar in der Verkleinerung (Sternchen). Wenn man es genau betrachtet: Würde man im Radio oder im Fernsehen mit „Liebe Hörer*innen“ angesprochen (mit einer winzigen Pause anstelle des Sternchen oder auch ohne diese Pause), werden nur weibliche und Transpersonen angesprochen, die männlichen Hörer werden ausgeschlossen.
Die „geschlechtergerechte“ Wortkonstruktion trennt. Mit ihr wird die alte Geschlechtertrennung zementiert und die Unversöhnlichkeit der beiden Geschlechter zum Konzept gemacht. Ich erinnere mich, dass es in der alten Richard-Wagner-Schule Leipzig, der RiWa, in Stein gemeißelt getrennte Eingänge für „Knaben“ und „Mädchen“ gegeben hat. Solche Separierungen gab es von klein auf und zuhauf. Sie waren fast immer offen oder latent mit Diskriminierungen verbunden, jedenfalls nichts, was Gemeinsamkeit, Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung förderte.
Wird sich die „geschlechtergerechte“ Sprache allgemein durchsetzen? Wird sie Eigentümlichkeit einer Elite, einer Subkultur bleiben oder mehr und mehr Sprachdiktat im Sinne einer Political Correctness werden, so wie schon heute Hochschulen sie bei Qualifizierungsarbeiten erzwingen, Zeitschriften sie von den Autoren verlangen, Verwaltungen dazu genötigt werden? Eine Weile wird sie wohl noch vorhanden sein. Aber letztlich wird sich die „geschlechtergerechte“ Sprache nicht durchsetzen, schon weil es in vielen Sprachen, insbesondere im dominanten Englischen, keine Entsprechung gibt. Und wohl auch, weil für Tiere eine sprachliche Genderisierung auch wegen des Sternchens scheitern oder zu albernen Worten führen würde. Zudem wäre es abwegig, alte Schriften nachträglich zu verändern. Geldwechsler*innen, Feudalherr*innen, Indianer*innen, junge Pionier*innen gab es sprachlich nie. Das „Gendern“ führt sozial, kulturell und sprachlich ins Nichts.
Hauptsächlich aber wird es entschwinden, weil fortschrittliche Kräfte erkennen, dass mit diesem Sprachdiktat die Wirklichkeit nicht nur nicht verbessert wird, sondern die realen Ungerechtigkeiten verdeckt und in Ruhe gelassen werden. Die „geschlechtergerechte“ Sprache wird in Inhalt und Form ihren Namen und ihrem Anliegen nicht gerecht.
Kommentare 46
Gelungener Beitrag. Vielleicht kann man zusammenfassend sagen, das sich biologische Geschlechter, im Verlauf der fortschreitenden Technisierung der Daseinsbewältigung, zu kulturellen Geschlechtern ausgeprägt haben. Schade, denn Geschlechtsdimorphismus ist so übel nicht. Eventuell ist das ein Altmodische Perpektive.
"Das „Gendern“ führt sozial, kulturell und sprachlich ins Nichts.
Hauptsächlich aber wird es entschwinden, weil fortschrittliche Kräfte erkennen, dass mit diesem Sprachdiktat die Wirklichkeit nicht nur nicht verbessert wird, sondern die realen Ungerechtigkeiten verdeckt und in Ruhe gelassen werden."
Sehr gut gefällt mir an der Argumentation, dass hier positiv auf die reale Vielfalt des Lebens eingegangen wird und das 'Gendern' nicht nur als Widerspruch zwischen grammatikalischem und biologischem Geschlecht aufgefasst wird. Zwar wird auf PC kurz eingegangen, doch der ganze Umfang der Identitätspolitik wird nicht aufgezeigt.
Der vorherrschende Verblendungszusammenhang ist jedoch universal und unerbittlich. Es wird wohl noch ein langer und schmerzhafter Weg vor uns liegen, bis die Identitätspolitik zu Grabe getragen ist. Das 'Gendern' ist ja nur ein Ausdruck davon. Die Schere zwischen Arm und Reich ist zwar immer weiter aufgegangen, aber gleichzeitig werden die Menschen durch immer größere Mengen von mehr oder weniger subtiler Propaganda daran gehindert, aus ihrer 'selbstverschuldeten Unmündigkeit' herauszutreten. Man sollte auch nicht vergessen, dass das 'Gendern' ein leicht erreichbares Surrogat für den ungleich schwereren Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit ist.
Danke, der Artikel spricht mir aus dem Herzen. Was die Thematik aktuell regelrecht brisant macht, ist, dass wir längst über den Punkt hinweg sind, wo es einfach jedem selbst überlassen ist, wie er seine Gedanken formuliert. Dazu gleich mehr.
Ansonsten ist der Gedanke mit den verschiedenen Ebenen von Identität eminent wichtig. Nele Pollatschek hat sich ja in zwei Essays sehr klug dazu geäußert (auch, dass ihr aufgrund der Motive Leute die gendern, eigentlich grundsympathisch sind, was ich auch unterschreiben kann).
Ein weiterer Punkt ist, dass auf echte Argumente zu dem Thema vielerorts nicht mehr gehört wird. Man ist entweder dafür oder man ist weiß-rechts-männlich, alt, antifeministisch. Dabei kenne ich aus der politischen Partei, der ich nahe stehe und bei der Gendern seit Urzeiten geradezu ein identitätsstiftendes Thema ist, eine Menge Leute, die dem selber sehr kritisch gegenüberstehen, wo es aber dennoch intern nie auch nur zu Diskussionen um diese Frage kommt.
Aber zurück zu der Frage, inwieweit Gendern noch Privatsache ist. Wenn man sich die Meinungsumfragen der letzten Jahre zum Thema anschaut, findet man, dass nach wie vor eine deutliche absolute Mehrheit sowohl der Männer als auch der Frauen Gendern gleichgültig oder ablehnend bewerten. Gleichzeitig rekrutiert sich die Minderheit, die das Thema aktiv vorantreibt, vorwiegend aus einem intellektuellen Mileau, welches stärker in Institutionen mit Zugang zur Öffentlichkeit vertreten sind als der Bäcker nebenan, die Leute an der Bushaltestelle etc.
Diese Konstellation von Gendergaps und -sternchen, die aus Behörden, Kindergärten, Schulen, Universtitäten, Zeitungen und Fernsehen tönen, gaukelt zum Einen einen gar nicht vorhandenen gesellschaftlichen Konsens pro Gendern vor, und zum Anderen zeigt sie denen, die nicht "dazu gehören" den virtuellen Stinkefinger: Ihr seid zwar in der Mehrheit, aber Ihr könnt es doch nicht verhindern.
Keine gute Voraussetzung für eine organische Entscheidungsfindung in einer Gesellschaft, eher ein Einstieg in ein neues Klassendenken WIR gegen SIE.
Aber das Gendern ist doch ...... . Sonst kann man/frau/divers sich doch nicht als "links" verstehen. Den Interessen des Kapitals tut gendern oder nicht keinen Abbruch. Oder doch ? Menschen, die gerade jetzt jeden € 3x umdrehen müssen, den geht das Gendern soooo am A..... lang, und fühlen sich den Gendereren und innen nicht nahestehend. Obwohl gerade mit diesen Menschen linke Sozial- und Gesellschaftspolitik gemacht werden muss. Das Bündnis mit eingebildeten Fatskes fällt da aber schwer.
Vielen Dank für die klare Darstellung, Herr Starke! Es gelten z.Zt. "Idiotismen" als Norm, die unsere Sprache verunstalten, während wir doch alle MENSCHEN sind.
Danke Herr Starke für den klugen Debattenbeitrag, der in vielen, besonders den praktischen Aspekten auch meinen Standpunkt wiedergibt. Ich befürchte jedoch, dass er bei den eigentlichen Adressaten nicht ankommen wird.
Der Grund dafür ist wohl, dass in dem Diskurs über geschlechtergerechte Sprache ein heilloses Durcheinander herrscht, bei dem, wie der Soziologe Armin Nassehi sagte, die „Unterschiede zwischen Rolle und Person verdampfen und semantisch die Kämpfe um Bedeutung und Macht anheben.“ In meiner Wahrnehmung jedenfalls wird allzu häufig nicht wirklich unterschieden zwischen Sexus als biologischem Merkmal, Gender als sozialem und Genus als sprachlichem Konstrukt, sondern je nach Interessenlage über das eine geredet und das andere gemeint.
Sprachphilosophisch gesehen, handelt es sich dabei um Kategorienfehler, denn man kann über Sexus nicht in den gleichen Begriffen sprechen wie über Genus oder Gender. Mein Gewährsmann ist der Philosoph John R. Searle, der den Unterschied zwischen rohen und institutionellen Tatsachen eingeführt hat, um damit „die Beziehungen zwischen denjenigen Eigenschaften der Welt, die Sache der rohen Physik und Biologie sind, einerseits, und denjenigen Eigenschaften der Welt, die Sache der Kultur und Gesellschaft sind“, zu untersuchen. „Rohe Tatsachen“, schreibt er, “existieren unabhängig von allen menschlichen Institutionen; institutionelle Tatsachen können nur innerhalb von menschlichen Institutionen existieren.“ Demnach ist das biologische Geschlecht, unabhängig davon, wie viele es davon gibt, eine rohe Tatsache, während Gender und grammatikalisches Geschlecht institutionelle Tatsachen sind.
Dadurch, dass im Diskurs die Mehrdeutigkeit des Begriffs "Geschlecht" bewusst oder auch unbewusst für je eigene Zwecke ausgenutzt wird, werden diese kategoriellen Unterschiede ausgehebelt. Ein Begriff ist jedoch mehr als bloß ein Wort; er umfasst auch die Regeln seiner korrekten Verwendung. Werden die Regeln der korrekten Verwendung missachtet, kommt es zu Fehldeutungen, Missverständnissen und letztlich inhaltslosen Kontroversen.
Hinzu kommt ein grundsätzlicher Denkfehler der Verfechter der geschlechtergerechten Sprache, der einem häufig in deren Texten begegnet, nämlich die Prämisse, dass Sprache das Denken forme. Damit wird aber die komplexe Wechselbeziehung zwischen Sprache und Denken einseitig simplifiziert. Wäre dem so, wären kognitive Leistungen wie Ideen, Träume, Phantasien oder auch Mehrsprachigkeit nicht erklärbar. Nicht erklärbar wäre mithin, wie das Neue in die Welt kommt, erst recht nicht, wie neue Wörter und Begriffe entstehen, etwa die Konstrukte der geschlechtergerechten Sprech- und Schreibweise.
Kleine Ergänzung zum letzten Absatz Ihres Kommentars aus einem Artikel von der Linguistin Ewa Trutkowski:
»Ein weiteres Argument, das immer wieder herangezogen wird, um die Notwendigkeit der Nutzung von Gendersprache zu belegen, ist der Verweis auf sogenannte Assoziationsstudien. Diese würden zeigen, dass Versuchspersonen bei maskulinen Nomen primär an männliche Individuen dächten und eine geschlechtsabstrahierende, generische Lesart dahinter zurücktrete.
Es wäre falsch und unwissenschaftlich, die Existenz von Assoziationseffekten zu leugnen: Dass Genus bestimmte, oft stereotype Assoziationen zum Sexus auslöst, kann man sprachübergreifend feststellen (so assoziierten italienische Probanden bei unbelebten Nomen mit «-a»-Endungen «lieblichere» Vorstellungen als bei welchen mit «-o»-Endungen), es fragt sich allerdings, warum daraus die Notwendigkeit zu gendern folgen sollte, denn ob Wortformen wie «Kosmetiker» oder «Lehrer» generisch oder spezifisch männlich interpretiert werden, hängt von vielen sprachlichen – und aussersprachlichen – Faktoren ab.
Man vergleiche etwa die Sätze «Ein Lehrer ging die Strasse entlang», «Ein Lehrer verdient ganz gutes Geld», «Hans und Maria sind Lehrer» und «Alle neu eingestellten Lehrer sind Frauen». Jeder Leser wird bemerken, dass die Wortform «Lehrer» von Fall zu Fall unterschiedliche Assoziationen auslöst. Doch Assoziationsstudien, die so differenziert vorgehen, gibt es nicht. Das zeigt einerseits, wie wenig wir noch wissen, aber andererseits auch, auf welch dünnem Eis sich viele Befürworter des Genderns bewegen.«
Was die Frage, ob das Denken eher der Sprache folgt oder umgekehrt, betrifft, ist das ja so ein Thema, wo immer wieder gern die "zahlreichen Studien" aufgefahren werden, worauf ja Frau Trutkowski hier auch eingeht.
Als Mensch, der in einem zweisprachigen Haushalt mit häufigem Codeswitching lebt, habe ich aus eigener Erfahrung eine klare Meinung dazu: man wählt die Sprachkonstrukte (und in unserem Fall sogar: die Sprache), die gerade am besten geeignet sind, das, was man im Kopf hat, auszudrücken. Findet man nichts, was den Anforderungen genügt, wird man kreativ und denkt sich etwas aus. Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass es sich bei der Wechselwirkung zwischen gesellschaftlicher Realität und Sprache anders vehält.
Danke für die wichtige Ergänzung, die wohl nicht im Widerspruch zu meiner Aussage steht, sondern eher das komplexe Geflecht von Sprache und Denken illustriert.
Man könnte dazu noch viel mehr ausführen, insbesondere auch auf die marxistischen, tätigkeitsorientierten Theorien von Wygotski und Leontjew eingehen, aber hier ist nicht der Platz für Traktate.
"In der „geschlechtergerechten“ Sprache wird das Geschlecht über die Persönlichkeit gestellt. Das Individuum wird auf sein Geschlecht reduziert, es wird also gewissermaßen verstümmelt."
Eine sehr gute Argumentation, die das Wesentliche auf den Punkt bringt.
Zum Beleg der "Verstümmelung" hier ein Auszug eines "gegenderten" "Faust" ((1. Teil, "Nacht"):
"Zwar bin ich gescheiter als alle die Läff:innen,
Doktor:innen, Magister:innen, Schreiber:innen und Pfäff:innen;
Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel,
fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel -
Dafür ist mir auch alle Freud entrissen..."
Der letzte Vers macht deutlich, wohin die Reise geht
"Das „Gendern“ führt sozial, kulturell und sprachlich ins Nichts."
Ein sehr wichtiger Hinweis, der die völlige Brüchigkeit des theoretischen Ansatzes des "Genderns" erkennen lässt.
Zu ergänzen wäre, dass diese keine bloßen "Theorien"darstellen, sondern dass sie durch die Untersuchungen zur Begriffsbildung beim Kind durch Wygotski auch experimentell bestätigt sind.
Demgegenüber bestätigen die von Martin Dietze angesprochenen "Assoziationsstudien" im Grunde nur den extremen "linguistischen Determinismus" der "Sapir-Whorf-Hypothese", mit der "Behauptung eines kausal zwingenden Einflusses der Sprache, dem sich die Sprechenden gar nicht entziehen können, auch wenn ihnen dieser Einfluss bewusst ist."
(Wikipedia, "Sapir-Whorf-Hypothese")
Kleine Ergänzung: In einem aktuellen Vortrag zum Thema wurde mit dem (angeblich) sprachtheoretischen Begriff "Personenbezeichnungsmodell" hantiert, dieser dann aber nicht auf Personen (Individuuen) angewendet, sondern eindeutig auf Rollen oder Status. Sucht man den Begriff im Netz, stösst man auf einen Artikel aus 2004; weitere Suchergebnisse sind zum allergrößten Teil Referenzen auf diesen.
Ist das nun Nachlässigkeit, intellektuelle Unredlichkeit oder bewusste Vernebelung?
Muss in dem Zusammenhang auch an das wunderbare Buch "Eleganter Unsinn" von Alan Sokal und Jean Bricmont denken. Untertitel: Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften mißbrauchen. Sehr amüsant und sehr zu empfehlen.
Ein Wort noch zu den Assoziationen:
Haben diese Assoziationen ihren Ursprung wirklich in der Sprache? Stecken dahinter nicht vielmehr tradierte gesellschaftliche Rollenvorstellungen? Und sollte man die in inhaltsleeren Auseinandersetzungen über Sprachkonstrukte verpulverte Energie nicht vielmehr in die Überwindung dieser Rollenvorstellungen investieren? Stichwort: 11. Feuerbachthese.
Genau das ist einer der Kernpunkte. Die Assoziationsstudien werden gern angeführt als Beweis dafür, dass eine "gendergerechte" Sprache alle möglichen positiven Auswirkungen habe. Dabei können diese Studien das gar nicht beweisen, sie können kaum mehr, als Beobachtungen zu dokumentieren. Natürlich versucht man, durch entsprechende Randbedingungen und Fragestellungen den Interpretationsspielraum nicht unnötig groß werden zu lassen, aber es bleibt dennoch viel zu viel Unschärfe.
Ich halte es auch für plausibel, dass die Sprache hauptsächlich der Wirklichkeit folgt, wobei auch die Mentalität der Sprecher eine Ausprägung von Wirklichkeit ist. So lässt sich das berühmte Beispiel mit den vielen Wörtern für Schnee oder woanders auch die Farbe grün erklären, aber auch, warum z.B. die englische Sprache in vielem ganz anders funktioniert als z.B. die deutsche.
Dem entspricht auch die Sprachpraxis bei mir zu hause.
"das berühmte Beispiel mit den vielen Wörtern für Schnee" ist ein Mythos.
https://de.wikipedia.org/wiki/Eskimo-W%C3%B6rter_f%C3%BCr_Schnee: "Der Glaube, dass die „Sprache der Eskimo“ (tatsächlich gibt es mehrere Eskimosprachen) im Vergleich zu anderen Sprachen besonders viele Wörter für Schnee habe, ist ein verbreiteter Irrtum. Tatsächlich sind es nicht mehr als in anderen Sprachen, denn in den Eskimo-Sprachen erscheinen Zusammensetzungen wie feuchter Schnee als ein Wort."
Nichts für ungut.
Habe gerade die Leser*innenbriefe in der aktuellen Ausgabe gelesen. Drei äußern sich zu Starkes Beitrag. Die beiden sehr kritischen zeichnen sich - geradezu symptomatisch - dadurch aus, dass sie keine sachlichen Argumente einbringen, sondern dem Autor einfach nur vorwerfen, aus der Position eines privilegierten alten weißen Mannes zu argumentieren, was insofern putzig ist, als Professor Starke als Ost-Akademiker nach 1989 sicher nicht privilegiert war.
Eine Zuschrift stammt von Dr. Dagmar Gebauer, und da stellt sich mir die ironische Frage, wie denn Frau Gebauer, die sich nach eigenen Worten durch das generische Maskulinum nicht repräsentiert sieht, wenn sie denn schon solchen Wert auf die Anbringung ihres akademischen Grades legt, angeredet werden möchte - Frau Doktor oder Frau Doktorin.
gez. Dr. rer. nat. Harsdorfer, nicht ganz so alter weißer Mann.
Ja, dieses Muster ist in der Diskussionsführung leider nicht untypisch. Noch schlimmer ist es in den sozialen Medien, wo das Ganze dann oft ins Formelhafte überspitzt wird.
Leider gibt es auch eine andere Seite der Medaille: Verbale Aufrüstung, oft völlig unpassende Formulierungen findet man leider auch zu viele bei der Gendersprache kritisch eingestellten Kommentaren; und das macht es dann eben auch allzu leicht, genau mit dem wenig kreativen "weiß", "alt", "rechts", "Mann" zu antworten.
Durch beide Seiten wird ein Zustand gefördert, bei dem eine sachliche Debatte nicht mehr möglich (und von vielen wohl auch nicht gewollt) ist.
Was mich so verwundert, ist die Inkonsequenz und fehlende Logik der Sprach-Vergenderer.
Einfaches Beispiel:
Der BäckER
Die BäckERin
Die BäckER:innen
Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache sieht anders aus.
Die weiblichen berufsmäßig Backenden finden sich hier lediglich als Anhängsel eines „ER“ in einem „in“ bzw „innen“ wieder! Und was hat „ER“ überhaupt noch in der Bezeichnung für eine weibliche berufsmäßig Backende zu suchen? Warum nicht Bäcksie? Und für eine gemischte Gruppe „Die Bäcksieer“?
Und die, die sich weder als Mann noch als Frau verstehen, müssen sich mit einem Doppelpunkt zufrieden geben. Seltsamerweise gibt es aber keine Einzelbezeichnung für diese Menschen in ihren Berufen. „Bäck:“ las ich noch nie. Oder muss es unsinnigerweise "Bäcker:" heißen? Und wie spricht man eine Doppelpunkt-oder Sternchen-Pause nach einem abgeschlossenen Wort?
Ja, solche Fragen führen wohl ins Nichts ...
Das Huhn, der Hahn, die Henne
Das Rind, die Kuh, der Stier
Das Mensch, die Frau, der Mann
Das Lehr, der Lehrer, die Lehrin
Das Bäck, der Bäcker, die Bäckin
oder?
---
Das Löffel, die Löffelin, der Löffeler
Das Gabel, der Gabeler, die Gabelin
Das Messer
Das Fenster, der Fensterer, die Fensterin
Das Tür, die Türin, der Türer
Der Dachfirst, der Dachfirster, die Dachfirstin
das /der/die Haus*er*in
deutsches sprak, schweres sprak*in
"Das Bäck, der Bäcker, die Bäckin"
Damit könnte ich leben. Aber wirklich gerecht ist das nicht. Der Bäcker hat sein "ER" und die Bäckin lediglich ein "IN"
Wo hat dieses "IN" überhaupt seinen Ursprung. Frau IN Küche? ;-)
Bilden wir doch mal die Mehrzahl:
Die Bäckin, die Bäckinnen. Die gehen alle in die Backstube hinein, nach innen. Ganz harmonisch. Keine muss ins Hartz.
Hingegen: Der Bäcker, die Bäckaussen? Einer darf rein, die anderen werden verhartzt?
Und die Geschlechtsumwandlung: Von der zu die, das kommt vielleicht 0,5 % der Bäcker entgegen, aber gerade der grossen Mehrzahl wird eher nicht gerecht.
Dann besorgt sich einer Schwert, um der zu sein der als -er innen sein darf, ohne Hartz. Und dann einer ein Sturmgewehr und der Nächste eine Bazooka, zur Zeit von einem gewissen Scholz preisgünstig abzuholen. Und dann fängt einer an zu twittern und sammelt Proud Boys ein, da ist ja eine Position freigeworden.
Wir wissen doch wie das läuft: -er kann keine harmonische Mehrzahl bilden und deswegen knallt es wieder mal.
Für das -er müsste eine harmonische Lösung gefunden werden, nicht für -in/-innen .
Wir müssen es nicht immer harmonisch haben. Ich glaube die meisten würden mit "Bäckers" klar kommen, vor allem in Norddeutschland. Die Kämpfer auf dem Genderschlachtfeld werden wahrscheinlich Bäckererer bevorzugen.
Sehr sehr gern gelesen und mein Sprachgebrauch hatte ich eingesetzt, wenn ich eine Oberärztin, sie operierte auch wie ihre männlichen Kollegen, auch so ansprach Frau Oberärztin- sie war die Ausnahme und behauptete sich im Männerzirkus. Ich habe heute in dieser Genderei den Eindruck, da wird sich wichtig getan- sorry musste raus.
Und wie "gerecht" ist es nach Ihrem Sprachempfinden, dass die - nach Ihrer Meinung ausschließlich männlichen - Bäcker sich im Plural des "weiblichen" Artikels "die" bedienen dürfen/müssen?
Es erscheint mir weiterführender, danach zu fragen, wo solches "Sprachempfinden"seinen "Ursprung" hat.
SturmgewehrInnen und BazookarInnen sind neben IranerInnen mein Lieblingswort. DrohnInnen sind nicht so mein Ding, aber bei AtomwaffInnen bin ich Feuer und Flamme.
Verstehe ich nicht. Missverständnis? Ich bin auch gerne mal mit etwas Ironie unterwegs - aber ernsthaft an dem Thema interessiert.
Und zu Plural und Artikel: Das Problem wäre zu lösen, wenn man einfach „die“ und „der“ durch „de“. ersetzt. In Norddeutschland kann man noch „de Bäckers“ statt „die Bäcker...*...innen“ hören.
Mein Vorschlag wäre für die geschlechtsneutrale Bezeichnung im Plural: „de Bäcks“. Und für ausschließlich weibliche „de Bäcksies“. Männlich Plural: „de Bäckers“. Das wäre eine konsequente und „gerechte“ Lösung.
Wenn sich Frauen mit einem "in" und "innen" zufrieden geben, kann es natürlich auch "de Bäckin" bzw "de Bäckinnen" heißen. Klingt auch etwas gefälliger.
Eine Sprache sollte logisch und gefällig sein, und keine überkommenen Rollenbilder transportieren. Alles zusammen wäre möglich.
Das, was uns ‚Sprachvergenderer‘ da aber anbieten erfüllt die Kriterien nicht. Eine Sprache „gerechter“ machen zu wollen ist schon ein falscher Ansatz. Deshalb kommen da auch diese skurrilen Konstrukte bei raus.
Hatte jemand mal die Bevölkerung gefragt, ob sie darin irgend einen Verständnisnutzen sieht? Und sich Frauen mit dem "innen" und Andersgeschlechtliche mit Doppelpunkt oder Sternchen und Gedenkpause nun besser fühlen?
Hui, der Debattenteil macht seinem Auftrag alle Ehre, steil kontroverser Artikel... dachte ich mir so, bis ich die Kommentare darunter gesehen habe. Heiliger Strohsack!
Dabei ist die Argumentation doch so dünn! "Leser" ist - ganz offensichtlich! - kein "Allbegriff". Wenn Sie eine lesende Frau auf der Parkbank sehen, sagen Sie dann zu ihrem Kind, "guck mal, ein Leser"? Von Begriffen, die eine männliche und weibliche Form besitzen - Bürger, Arbeiter, Leser - gibt es auch eine weibliche, die steht ind er Tat auch im Duden. Diese zu unterschlagen und zu behaupten, das andere Geschlecht sei mitgemeint, ist eine - bewusste oder unbewusste - Entscheidung.
Dass Gendersternchen unästhetischer seien als generisches Maskulinum ist - ganz offensichtlich! - Ihr persönlicher Geschmack.
Die These, dass reale Ungerechtigkeiten dadurch eher verdeckt würden, wird mit keinem einzigen Argument unterfüttert. Ich habe den Eindruck, reale Ungerechtigkeiten zu verdecken ist in der Vergangenheit auch ohnedies hervorragend gelungen.
Sorry, aus meiner Sicht gibt es wirklich, wie man die Vorteile und Wirkung auch bewerten mag, keine Nachteile der "geschlechtergerechten Sprache".
Ich frag mich daher was die tatsächliche Motivation ist der Leute, die hier mit solcher Verve die Gegenposition einnehmen und diese Debatten permanent am Leben erhalten, befeuern und spötteln.
Möglicherweise haben Sie den Artikel nicht gelesen oder wenn doch, dann nicht verstanden.
"Wenn Sie eine lesende Frau auf der Parkbank sehen, sagen Sie dann zu ihrem Kind, "guck mal, ein Leser"?"
Auch wenn dies fiktiv ist, kein vernünftiger Mensch würde zu seinem Kind sagen, dies ist eine Leserin. Wenn überhaupt solch eine Frage kommen würde, wäre die wohl passendste Antwort darauf: "Eine Frau, die liest." Wobei das Kind schlau genug sein würde, um zu erkennen, dass da eine Frau sitzt. Es würde vielleicht fragen, was die Frau dort macht oder was sie liest. Jedenfalls kenne ich das so von meinen Kindern. Gemeinhin nennt man das in einer Debatte ein Strohmann-Argument, welches man aufbaut, um darauf einzuschlagen. Der Autor hat doch mehr als deutlich gemacht, dass das Geschlecht einer Person nur eine seiner vielen Eigenschaften ist. Warum es eine so herausragende Stellung einnehmen soll, bleibt im Übrigen Ihr Geheimnis. Dazu haben Sie nichts geschrieben. So wie der Rest Ihrer dürftigen Argumentation aus Behauptungen besteht, die durch nichts bewiesen werden.
"Dass Gendersternchen unästhetischer seien als generisches Maskulinum ist - ganz offensichtlich! - Ihr persönlicher Geschmack."
Mit dem generischen Maskulinum sind ganz offensichtlich schon Werke der Weltkultur entstanden. Die jetzigen Versuche der gendergerechten Sprache haben es dazu noch nicht geschafft. Es kann ja noch werden, aber die Verhunzung bestehender Werke ist bereits eine Tatsache.
"Sorry, aus meiner Sicht gibt es wirklich, wie man die Vorteile und Wirkung auch bewerten mag, keine Nachteile der "geschlechtergerechten Sprache"."
Wenn das so wäre, dann hätte sich diese doch schon rasend schnell durchgesetzt. Stattdessen wird in regelmäßigen Abständen eine neue Gendersau durchs Dorf getrieben. Das sieht für nicht danach aus, dass die Anhänger von ihrer Sache wirklich überzeugt sind. Oder hätte ich jetzt scheiben müssen:
- Anhänger und Anhängerinnen
- AnhägerInnen
- Anhäger_innen
- Anhäger(innen)
- Anhägerix
- Anhäger*innen
- Anhänger/innen
- Anhänger:innen
Die Nachteile gendergerechter Schreibweise, insbesondere deren Einfachheit und wie sie angewendet wird, stellt das Vielfaltsmanagement der Uni Rostock sogar ins Netz. Man lernt nie aus. Ganz nach deren Motto "Tradition et Innovatio". Die TU Dresden breitet das sogar auf 4 Seiten aus. Vorteile in Form von Einfachheit kann ich darin nicht erkennen.
Ich hab den Artikel sehr wohl gelesen, herzlichen Dank.
"Der Autor hat doch mehr als deutlich gemacht, dass das Geschlecht einer Person nur eine seiner vielen Eigenschaften ist. Warum es eine so herausragende Stellung einnehmen soll, bleibt im Übrigen Ihr Geheimnis."
Wenn es so unwichtig ist, weshalb machen Sie dann einen Aufstand, wenn es darum geht, auch weibliche Formen zu verwenden? Indem Sie generisches Maskulinum verwenden, sprechen/schreiben Sie ja nicht neutral, sondern männlich. Gegenfrage also: Wieso muss für Sie das männliche Geschlecht eine so herausragende Rolle einnehmen?
"Mit dem generischen Maskulinum sind ganz offensichtlich schon Werke der Weltkultur entstanden. Die jetzigen Versuche der gendergerechten Sprache haben es dazu noch nicht geschafft."
Fast alle großen Werke der Weltkultur sind auch entstanden, ohne dass es einen Mindestlohn gab.
"(...) Die TU Dresden breitet das sogar auf 4 Seiten aus. Vorteile in Form von Einfachheit kann ich darin nicht erkennen."
Oh bitte, Sie haben schon verstanden, dass Sie nur EINE dieser Formen benutzen können, und nicht alle gleichzeitig, ja? :-) Was jetzt so schwer daran sein sollte, IRGENDEINE zu benutzen, verstehe ich nicht. Davon abgesehen, überhaupt, hat das auch niemand von Ihnen verlangt. Es wäre nur nett, wenn Sie aufhören sich darüber lustig zu machen oder zu protestieren, wenn andere dies tun wollen. Denn die "Gendersau" wird durchaus nicht durchs Dorf getrieben von den Befürworter*innen.
Es ist intellektuel nur mäßig anregend, mit Ihnen zu diskutieren. Sie weichen aus, wo Sie konkret werden müssten.
Wenn ich mich für EINE Form entscheide, andere für eine andere Form, was ist das dann für "kein" Nachteil?
Was hat Weltkultur und Mindestlohn im Zusammenhang mit dem hiesigen Thema zu tun?
Wie wollen Sie die Vielfalt der Persönlichkeit in weiteren künstlichen Sprachkonstrukten darstellen, ohne etwas zu vernachlässigen und das Ganze aber nicht übermäßig aufblähen?
Wenn meine Ausführungen auf Sie wirken, als ob ich mich darüber lustig mache, so ist das weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidbar.
Ein Vorschlag zur Vereinfachung: für die nächsten 1000 Jahre verwenden wir ausschließlich die weibliche Form (Bäckerinnen, Lehrerinnen, ... Männer fühlen sich mit gemeint), danach können wir wieder zum generischen Maskulinum wechseln.
"Was hat Weltkultur und Mindestlohn im Zusammenhang mit dem hiesigen Thema zu tun?"
Lesen Sie bitte Ihren eigenen Kommentar von gestern, da haben Sie selbst das Argument Weltkultur angeführt, dass die gendergerechten Sprache zu dieser noch nichts beigetragen habe. Meine Erwiderung zielte darauf ab, Ihnen verdeutlichen zu wollen, dass das - genau! - nichts damit zu tun hat, sondern der Umstand, dass Werke der Weltliteratur in Zeiten entstanden sind, als nur das generische Maskulinum üblich war, nicht bedeutet, dass es hier eine Kausalität gibt, wie Sie es oben eindeutig suggerierten.
So viel zu einer intellektuell anregenden Debatte, hmm.
Ihre Fähigkeit, ein Argument zu verstehen, ist mangelhaft ausgeprägt. Ich schrieb oben, dass Werke der Weltkultur 'mit' dem generischen Maskulinum entstanden sind. Nirgends steht dort, das dies die Ursache dafür ist. Das kann ja auch gar nicht sein, da es in den verschiedensten Sprachen der Menschheit ganz unterschiedliche Gramattiken gibt. Manche kennen nicht einmal Artikel oder Geschlechter (die Gramattiken wohlgemerkt). Schauen Sie dazu einfach mal in das Buch "Denksport Deutsch" von Daniel Scholten. Es trägt übrigens den Untertitel "Wer hat bloß die Gabel zur Frau und den Löffel zum Mann gemacht?
Herr/Frau Grenzpunkt, darf ich an diesem Punkt einmal freundlich darauf hinweisen, dass Sie mich jetzt schon zum zweiten Mal persönlich beleidigt haben? "Ihre Fähigkeit, ein Argument zu verstehen, ist mangelhaft ausgeprägt." "Es ist intellektuell nur mäßig anregend, mit Ihnen zu diskutieren." Dass man sein Gegenüber als zu dumm bezeichnet ist keine gute Voraussetzung, Verständnis für die eigene Position zu inspirieren. Wenn schon nichts anderes, nehmen Sie das vielleicht mit für künftige Diskussionen :-)
Aber ich würde nicht wieder zum generischen Maskulinum wechseln.
Wenn ich sie hätte als dumm bezeichnen wollen, dann hätte ich das auch getan. Da von Ihnen keine neuen Argumente mehr zu erwarten sind, auf die bereits dargelegten wollen oder können Sie ja nicht eingehen, schließen wir unseren Disput damit.
Aber ich überlasse Ihnen gern das Schlusswort mit einem Zitat:
"die Argumentation (ist) doch so dünn!"
ganz starker beitrag. autor kurt starke kommt aus dem osten, ist sozialisiert in der ehemaligen ddr. sein blick scheint mir deutlich weniger verstellt als der unserer westdeutschen genderschwurbler:innen;) dort gab es traktoristen (weiblich) und traktoristen (männlich), die gleich entlohnt wurden. das gefällt mir doch irgendwie besser als der zustand in der real existierenden brd, wo mit sternchen und unterstrichen um sich geschmissen wird, frauen aber noch immer 20% und mehr gehaltsunterschiede für die gleiche tätigkeit hinnehmen müssen. kästners altes "es gibt nichts gutes, außer man tut es" gilt auch für soziale und sprachliche ehrlichkeit.
Aus dem Artikel : Schriebe ich also „Leserinnen und Leser“, dann wäre das doppelt gemoppelt: Im Wort „Leser“ stecken beide Geschlechter, also auch die Leserinnen.
Und ich frage : Warum so kompliziert ?
Könnte es nicht sein dass damit "nur" die Wertschätzung gemeint ist, etwas also was es in heutigen Zeiten vor lauter Selbstdarstellung kaum noch gibt ?
"Gestern tagsüber" hätte ich vielleicht noch geschrieben : Gegenwart und Sprache entwickelt sich etwas schräg. Seit "gestern Abend" meine ich es ist alles nur noch bescheuert, krank, verstopfende ... bis frustrierend. Ja, gestern abend schob sich eine Buchbeschreibung vor meine Augen. Darin hiess es in etwa : der Mann als solches wird nicht gebraucht, ausgenommen eine kleine Anzahl Primärmänner für die Befriedigung und Fortpflanzung der Frau. Für die "Restmänner" sollte die Pornografie und die Prostitution intensiviert werden.
Wie bitte ?
Ja genau, es läuft was verkehrt. Vielleicht ist die Erkenntnis Sprache ist Kommunikation, ein Bestandteil der Kunst abhanden gekommen. Vielleicht (ich bin mir sicher) ist es egal ob "In *aussen" Ausdruck von Gleichberechtigung, Wertschätzung, Gerechtigkeit kann auch Schweigen sein.
Nur "Schweigen" besonders im richtigen Moment ist etwas ganz besonderes und etwas ganz "gefährliches" weil dann das Überdecken der Oberflächlichkeit fehlt.
Warum denn nun gleich wieder diese (deutschen?) 1000 Jahre? Aber prinzipiell ist das auch mein Vorschlag. Man könnte jährlich wechseln. Sitzt halt jede und jeder mal ein Jahr etwas beleidigt in der Ecke. Das sollte auszuhalten sein. Und beim Duden reicht ein erklärender Satz im Vortext. Fertig!
Oha – der Artikel ist schon etwas älter. So auch von meiner Seite: Gut gebrüllt, Löwe (mit ***** Sternchen)!
Gendern ist ein typisch deutsches Phänomen. Eine sprachliche Form von am deutschenWesen soll die Welt genesen. In anderen Sprachen ist man nämlich nicht so genau!
Das Gendern ist so etwas wie verbale Apartheit.
ApartheiD, sorry.
Keine große Sache, liebe Lesende: Schauen wir mit dem Autor in die Glaskugel, liegt die Chance für Geschlechtergerechtigkeit bei 50% oder der Hälfte. Für ein Mittelding, die Mittelkraft, bräuchte es Willensstärke, die gerade die Stärksten, die Sprachmächtigsten, nicht glauben aufbringen zu können. Das verwundert.
Eine Frage an den Autor: Wäre es denn denkbar, den nachdenklicher Produzierenden von Sprache und Schreibe abzuverlangen, in ihren Texten und Reden zumindest immer ein sensibles Zeichen des Problembewusstseins zu hinterlassen? Sicherlich ist das elitär gedacht, aber sicher im Sinne Hirschfelds oder Schillers. Bürgerin und Bürgersmann setzen Zeichen, das man ´s anders machen kann.
Ein Beispiel, in einem Kontext, bei dem es scheinbar nicht darauf ankommt:
>>Das, was einst als vorzugsweise männlich galt, kommt heute auch bei Frauen vor (und umgekehrt): Zum Beispiel Fußball. Zum Beispiel Intelligenz. Zum Beispiel die Einstellung zur Mathematik.<<
Das kleine Wörtchen >>auch<<, das Fitzelchen, hat es in sich, geht es um Gerechtigkeit, die es, was menschlich ist, nie wirklich gibt.
Die zweite Frage an den Autor: Adelige Sprachgewohnheiten und Luthers Tischreden prägten die deutsche Sprache in ihrer klassischen Gerinnung. Bürgerliche wollten auch höflich sein. So pflegten sie Gewohnheiten. Kann das uns Heutigen nicht auch gelingen, durch Gewöhnung zu neuer Selbstverständlichkeit zu gelangen?
Beste Grüße
Christoph Leusch
Cooler Artikel, eine mentale Zeitreise zurück in die Nullerjahre... hachja, war noch jung und wild damals.
Gut, dass der Typ mittlerweile in den Nullerjahren zurückgeblieben ist. Bald gibt's solch altbackenes Blabla nur noch im Museum;-)
Gendern ist nichts anderes als verbal praktizierte Geschlechtertrennung.
Wie passt das zusammen mit dem Gleichheitsgedanken? Gar nicht.
Und die ausbleibende Begeisterung für dieses Thema in der Bevölkerung wird dann genau wie erreicht, gesetzt den Fall das würde ausnahmsweise mal jemanden interessieren? Argumentation und gewachsene syntaktische Regeln scheinen ja in dem Diskurs nicht mehr herhalten zu können, weil diese nicht das gewünschte Ergebnis erzielen, oder zu anstrengend sind und zudem anzeigen, dass der Versuch, Gleichstellung über grammatische und Zeichenungetüme zu erreichen, begründbar mehrheitlich Abwehrreflexe auslöst.
Und dass breite Teile der Bevölkerung spontan der Wokeness anheimfallen, ist auch schwer vorstellbar, nicht umsonst gilt in vielen Religionen Erwachen als Gnade, ist also auch kein verlässlicher Faktor.
Im Prinzip bleibt dann auch hier nur ein elitärer „Great Reset“, der dann aber bitte schön alles versachlicht, alle Substantive, auch solche wie Liebe, Freude, Geburt, Empathie, Intelligenz, die auf Grund ihres weiblichen Geschlechts, in der Matrix der wir leben, offensichtlich dazu führen, dass man Männer weniger mit diesen assoziiert, zumindest dann wenn man die Logik des Genderns konsequent zu Ende denkt.