Jedes Jahr dasselbe: Anfang Januar füllen sich normalerweise die Fitnessstudios mit ungelenken Teigsäcken, die ächzend die Faszienrollen und Beinpressen blockieren und die Spinde mit ihren Vorratspackungen an Whey-Proteinen vollmachen, bevor der Spuk im Februar ein jähes Ende findet und die Selbstkasteiungsroutiniers wieder exklusiv im eigenen Schweißgeruch walken können. Denn der Jahresbeginn ist die Zeit der Vorsätze: Endlich alles anders machen! Endlich den inneren Schweinehund ins Jagdgesetz aufnehmen und behandeln wie ein FDP-Politiker eine geschützte Art!
Nur leider, so ist halt die Natur des Menschen, sind alte Gewohnheiten so übermächtig wie Bayern München in der Fußball-Bundesliga, und das Ergebnis ist trotz mitunter hoffnungsvoller Teilerfolge immer dasselbe: Am Ende sind aus den veganen, positiv denkenden und abstinenten Neujahrssportlern wieder die biertrinkenden, übellaunigen Gewohnheitsgriller geworden, die höhnisch auflachen, wenn jemand mal eine Auberginenscheibe auf den Rost legen möchte. Nur noch einen Tick übellauniger als zuvor vielleicht, weil aus ihren guten Vorsätzen wieder nichts geworden ist, was sie ärgert, woran im Zweifel aber nie sie selbst, sondern die da oben, die da unten, das Merkel-Regime oder die Juden beziehungsweise Israel schuld sind.
Deshalb fängt 2021 schon mal ziemlich gut an: Die Fitnessstudios bleiben ohnehin geschlossen. Das erspart viel unnötigen Frust. Den man zudem ja auch nicht mal wie üblich in der Kneipe ertränken könnte. Womit sich ein weiterer guter Vorsatz ganz ohne Mühe von selbst erfüllt.
Und wenn es doch wieder möglich sein wird, endlich mal mehr Sport zu treiben, wird man verantwortungsvoll-verächtlich auf die Trottel blicken, die nun sofort in die Muckibuden/die Skigebiete/die Freibäder/die Stadtparks strömen und damit die gerade mühsam nach unten gedrückten Inzidenzzahlen wieder antreiben, weshalb man selbst aus tiefer gesellschaftlicher Verantwortung heraus auf dem Sofa liegen bleibt und heroisch Netflix schaut. Das verbessert auf jeden Fall die Laune. Vielleicht drückt man dann beim sommerlichen Grillen doch mal ein Auge zu, wenn eine Auberginenscheibe auf dem Rost landet – solange der Mindestabstand gewahrt bleibt. Zumindest zum eigenen Schweinenacken.
Ebenfalls ein erfolgversprechender Vorsatz: Mehr politisches Engagement zeigen! Als „Querdenker“ ist das besonders leicht. Man muss sich einfach so rücksichtslos benehmen wie immer und dabei über die „Schlafschafe“ schimpfen, schon ist man Aktivist im Widerstand. Aber auch als Geradeausdenker ist die Auszeichnung für mehr Zivilcourage praktisch schon im Sack – siehe oben: auf dem Sofa liegen usw., die Bundesregierung hat es mit ihren Besondere-Helden-Videos schon so versprochen. Ergänzend kann man auf Twitter noch über die „Querdenker“ schimpfen.
Auch andere gute Vorsätze werden kaum je leichter zu erfüllen sein als in diesem Jahrhundertjahr: Endlich mehr Zeit mit der Familie verbringen! Auf unnötige Flugreisen verzichten! Die Oma würde man ja auch viel öfter im Heim besuchen – allein, man darf halt nicht. Kann man nichts machen. Wäre verantwortungslos. Endlich öfter ins Theater gehen – es liegt ja nicht am mangelnden guten Willen.
Sicher, irgendwann in den nächsten Monaten wird die Corona-Lage sich so weit entspannen, dass Verwandtenbesuche und Kulturveranstaltungen wieder möglich sein werden, aber dann sind wir so weit im Jahr, dass man sich das als Vorsatz für 2022 aufheben kann.
Nutzen wir also die Chancen, die dieses weitere Ausnahmejahr uns bietet. Und letztlich steht hinter all den guten Vorsätzen ja eine grundlegende Erkenntnis, so unterschiedlich die individuellen Auslegungen auch sein mögen: Es gibt Verbesserungsbedarf. Damit ist der erste Schritt bereits getan, jedes Jahr wieder. Und mit dem fängt bekanntlich auch der längste und steinigste Weg einmal an.
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