Jetzt mal ernst

Schlichtung Die Bahn hat sich auf die GDL zubewegt. Gewonnen ist damit noch nichts
Ausgabe 22/2015
Seit Mittwoch sitzt Claus Weselsky mit der Bahn wieder am Verhandlungstisch
Seit Mittwoch sitzt Claus Weselsky mit der Bahn wieder am Verhandlungstisch

Foto: Christian Mang/Imago

Länger als jeder andere Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn hätte er werden sollen, aber dann war er nach zwölf Stunden vorbei. In den frühen Morgenstunden des Donnerstags vor Pfingsten einigten sich die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und der Staatskonzern auf eine dreiwöchige Schlichtung. Auf den ersten Blick genau das, was die Bahn seit Wochen fordert und die GDL bislang abgelehnt hatte. Seit Mittwoch nun sitzen beide Seiten wieder am Verhandlungstisch, unter der Vermittlung des ehemaligen Brandenburger Ministerpräsidenten Matthias Platzeck und des aktuellen Thüringer Regierungschefs Bodo Ramelow.

Kommt in der mit je drei GDL- und Bahn-Vertretern besetzten Schlichtungskommission kein Ergebnis zustande, sollen Ramelow und Platzeck einen Regelungsvorschlag unterbreiten. Der wäre allerdings nicht automatisch bindend – beide Tarifparteien können zustimmen oder ablehnen. Immerhin: Bis 17. Juni wird es keine weiteren Streiks geben, mit etwas Glück gibt es bis dahin sogar eine Einigung.

Warum hat die GDL sich auf die Schlichtung eingelassen? War sie am Ende erschöpft? War der öffentliche Druck zu groß? Nein, heißt es aus der Gewerkschaft. Der gordische Knoten, sagte Claus Weselsky, sei geplatzt, weil die Bahn das Recht der GDL anerkannt habe, für alle ihre Mitglieder – vom Lokführer bis zur Zugbegleiterin – eigenständige Tarifverträge abzuschließen.

In der Tat heißt es in der Schlichtungsvereinbarung, es sei keine Vorbedingung für die Annahme eines Schlichtungsspruchs oder eines Tarifabschlusses, dass die „Einigung inhaltsgleich mit bereits vorhandenen oder noch abzuschließenden Tarifverträgen mit anderen Gewerkschaften ist“.

Das wäre eine echte Wende in diesem erbitterten Konflikt. Der war vor allem aus einem Grund festgefahren: Die Bahn verhandelt parallel mit zwei Gewerkschaften – der GDL, die das fahrende Personal organisiert, und der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die den Anspruch hat, alle Bahnbeschäftigten zu vertreten. Einen Tarifvertrag mit der GDL werde es aber nur geben, wenn die Vereinbarung am Ende deckungsgleich mit dem sei, was man mit der EVG abschließe – so lautete der Standpunkt, an den sich die Bahn seit Sommer 2014 geklammert hatte. Für die GDL war das inakzeptabel: Jedes Verhandlungsergebnis hätte unter dem Vorbehalt gestanden, dass die EVG kein Veto einlegt.

„Kein Kommentar“

Doch meint die Bahn es diesmal ernst? Hat sie die GDL wirklich als eigenständigen Tarifpartner anerkannt? Der Vereinbarungstext klingt eindeutig, und doch will es beim Bahnvorstand niemand bestätigen. „Kein Kommentar“, sagt ein Sprecher auf Nachfrage und verweist auf eine Erklärung von Personalvorstand Ulrich Weber. Der aber hatte jede Festlegung sorgfältig vermieden und stattdessen vieldeutig unterstrichen, man habe „nichts mit der GDL verabredet“, was die „Verhandlungen mit der EVG belasten“ werde. Zweifel an der Aufrichtigkeit der Bahn sind angebracht. Das Unternehmen hat schon mal eine Vereinbarung mit der GDL gebrochen. Kurz vor Weihnachten hatte sie nach mehreren Streiks ihre Vorbedingung, keine unterschiedlichen Tarifverträge innerhalb von Berufsgruppen zu akzeptieren, fallen gelassen. Im April folgte die Rolle rückwärts, man stand wieder bei null.

In den großen Medien wurde der Wortbruch damals praktisch nicht zur Kenntnis genommen. Aber jetzt ist die Situation anders. Im Schlichtungsverfahren, unter Vorsitz von Platzeck und Ramelow, dürfte es der Bahn schwerfallen, die erneuerte Vereinbarung „umzuinterpretieren“.

So besteht die Chance, endlich zu den Inhalten zu kommen. Beim Entgelt liegen Bahn und GDL nicht so weit auseinander: 4,7 Prozent Erhöhung bot zuletzt das Unternehmen, fünf Prozent fordert die Gewerkschaft. Konträre Vorstellungen gibt es bei Arbeitszeit und Überstunden. Die GDL will von der 39- zur 38-Stunden-Woche, vor allem aber fordert sie eine „Überstundenbremse“. Denn das rollende Personal schiebt mittlerweile vier Millionen Überstunden vor sich her – im Schnitt fast ein ganzer Monat. Allein bei den Lokführern müssten 1.800 neue Leute eingestellt werden, um diesen Berg abzubauen. Die GDL will die Zahl der Überstunden auf 50 im Jahr begrenzen. Nach „überzogenen Forderungen“, wie dies SPD-Verkehrsexperte Sören Bartol nannte, klingt das nicht.

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