Eine Regelung über die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter, die zwischen 1939 und 1945 in Unternehmen des Landes tätig sein mussten, ist auch in Österreich von den Konturen her klar. Die Parallelen zum deutschen Modell sind nicht zu übersehen und von der Regierung in Wien wohl auch beabsichtigt. Allerdings stehen letzte Verhandlungen mit Klägern in den USA noch aus.
Natürlich ist es schon eigenartig, dass gerade jetzt diese überfälligen "Fälle" ins Rollen kommen, dass erst nach Jahrzehnten effektive Kollektivklagen und Verhandlungen erfolgen, obwohl diese doch 1951, 1964 oder 1979 genauso auf der Tagesordnung standen. Das spricht in keiner Weise gegen die Forderungen und ihre Seriosität, sondern allein gegen die US-Administration, die enteignete Juden und einstige Zwangsarbeiter jahrzehntelang hängen ließ und deren Ansprüche rücksichtslos taktischen Überlegungen des Kalten Krieges unterordnete.
Man tut, weil man muss, nicht weil man möchte ...
Spät, aber doch noch, ist einiges in Gang gekommen. Und auch wenn viele Österreicher es in ressentimentgeladener Manier nicht zur Kenntnis nehmen wollen, sogar die blau-schwarze Regierung weiß, dass sie gefordert ist. Das ist gut so, wenngleich ihre Motive keine lauteren sind. Sie macht das nämlich nicht freiwillig, sondern aus internationaler Rücksicht. Die Bemerkung des stellvertretenden amerikanischen Finanzministers Stuart Eizenstat, der Umgang Österreichs mit den Opfern des Holocaust werde über die künftigen bilateralen Beziehungen entscheiden, wurde in ihrem Gewicht verstanden, wenn auch nicht in der ihr zugrunde liegenden Argumentation anerkannt. Genau diese Differenz gilt es sich vor Augen zu halten. Man will also weder diplomatische Kollisionen mit den USA, noch der österreichischen Wirtschaft Geschäfte vermiesen. Handfeste Gründe, die aber mit den Opfern kaum etwas zu tun haben. Diese interessieren nur peripher, das war schon bei Kriegsende so. Ohne äußeren Druck hätte man in Österreich - wie man hierzulande sagt - kein "Ohrwaschl" gerührt. Man tut, weil man muss, nicht weil man möchte. Es ist leider so, dass nur die Sprache des Ultimatums und der Sanktion verstanden wird. Daher ist eine Figur wie der US-Anwalt Ed Fagan durchaus nützlich.
Betreffend Zwangsarbeit gibt es denn auch eine schnelle Einigung. Wenn für die Mehrheit der Überlebenden überhaupt noch etwas zu holen ist, dann jetzt. Das ist auch der Grund, warum eine Verquickung der Zwangsarbeit mit der Restitution gerade von den osteuropäischen Vertretern der Zwangsarbeiter abgelehnt wird. Es ist davon auszugehen, dass die Anzahl der finanziell Anspruchsberechtigten demnächst rapide sinkt. So nimmt man, was angeboten wird. "Wir haben kein Interesse, dass die Verhandlungen mit der Regierung verzögert werden", meinte etwa der ukrainische Delegationsleiter. Die im Mai von der Regierung veranstaltete Versöhnungskonferenz war trotz alledem ein Hohn. Die ausbezahlten Sätze sind analog denen in Deutschland geradezu lächerlich. 3.000 DM gibt es für Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft, 5.000 für solche in der Industrie und 15.000 für Sklavenarbeiter (KZ-Häftlinge). Die Feststellung, dass es sich vor allem bei dem Betrag für Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft um einen Bagatellbetrag handelt, pariert Maria Schaumayer, die zuständige Regierungsbeauftragte, mit der Bemerkung: "In den Ländern des Ostens können Menschen auch mit geringeren Beträgen ein Jahr lang leben." Welch Glück.
Man hätte nicht gedacht, so billig davonzukommen. Maria Schaumayer, die ehemalige Präsidentin der Nationalbank, hat, so meinte die Presse Ende Mai, "ganze Arbeit geleistet". "Ohne Rechtsfrieden kein Geld", warnte die Kronen-Zeitung einige Tage später. Dieser Rechtsfrieden sei ja nichts anderes als der auf eine Rechtsbasis gesetzte Schlussstrich. Die US-Regierung solle eine Erklärung abgeben, die den Gerichten empfiehlt, künftige Klagen von Zwangsarbeitern a priori abzuweisen. Die Schuld sei getilgt. Endgültig. Jetzt muss doch endlich Ruhe sein, hört man an den Stammtischen: Wieviel wollen die denn noch? Und da wundert man sich dann, dass die Juden und Polacken so unbeliebt sind.
Das Deutsche Reich ist an den Juden gescheitert ...
Ähnlich wie bei den Zwangsarbeitern will man auch beim arisierten Raubgut verfahren. Die alte SPÖ-ÖVP-Koalition hatte diesbezüglich sogar eine Historikerkommission eingesetzt. Und auch das Kabinett Schüssel versichert, sie wolle Aufarbeitung. Die Simulation der Großzügigkeit ist freilich eine hinterhältige. Im Prinzip glaubt man, sich nichts vorwerfen lassen zu müssen. Das stimmt allerdings nicht - die Restitution gleicht einem großen schwarzen Loch, das man Jahrzehnte erfolgreich verdrängt und vertuscht hatte. Bei den "Refundierungen", so rechtlich einwandfrei sie auch gewesen sein mögen, standen die enteigneten jüdischen Emigranten mehr unter Druck als die Enteigner. Ihre Rückkehr war unerwünscht und wurde auch seitens der Überlebenden oft gar nicht mehr angestrebt. Aussitzen war die Devise aller Regierungen seit 1945. Oskar Helmer (SPÖ), der langjährige Innenminister der Nachkriegsjahre, hat dazu die wegweisende Parole ausgegeben: "Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen." Dieses Verhalten kennt Kontinuität, unmittelbar nach dem Krieg demonstrierte es in offiziellen Dokumenten unverhohlenen Antisemitismus.
In einem Memorandum des Außenministeriums mit dem Titel "Die außenpolitische und völkerrechtliche Seite der Ersatzansprüche der jüdischen Naziopfer" (Sommer 1945) heißt es unter anderem: "Nichtsdestoweniger spielen die Juden in der Welt eine große Rolle in der Außenpolitik, einesteils weil ein großer Teil der Presse sich in ihren Händen befindet, durch welchen sie ihren Einfluss auf die öffentliche Meinung ausüben - andererseits weil sie es verstanden haben, die Regierungen anderer Staaten zu veranlassen, sich ihrer Forderungen anzunehmen. Das gelang den Juden um so leichter, als sich das internationale Finanzkapital weitgehend in jüdischen Händen befindet. Nicht umsonst hat man daher das Judentum als die 5. Weltmacht bezeichnet, an deren Gegnerschaft Hitler-Deutschland zugrunde gegangen ist."
Merke: Nicht die Juden sind an Deutschland, sondern das Deutsche Reich ist an den Juden gescheitert. Wie schon der Volksmund sagt: "Die Juden sind unser Unglück!" In der Folge argumentiert das Memorandum perfide für eine Gleichstellung aller Naziopfer, weil "eine differenzielle Behandlung der christlichen Nazi-Opfer (worunter alle Nichtjuden gleich in abendländischer Manier eingemeindet wurden, Arier durfte man nicht mehr sagen - F.S.) nur geeignet wäre, eine neue Welle des Antisemitismus hervorzurufen. Gegen eine solche Behandlung können die alliierten Mächte kaum Einwendungen erheben. Dadurch, dass man aber den Grundsatz der Gleichbehandlung aufstellt, erhöht sich die finanzielle Belastung. Die Vertreter der jüdischen Opfer dürften daher eher die finanzielle Unmöglichkeit einer vollen Entschädigung einsehen."
Der innere Raubzug war nicht nur völkischer Konsens, er ist es - auf das Resultat bezogen - auch geblieben. Das macht die ganze Sache so unerträglich. Von entscheidender Bedeutung wird nun sein, inwieweit es Jörg Haider gelingt, die Frage der Arisierung mit jener der vertriebenen Sudetendeutschen zu junktimieren. Zweifellos sein Anliegen, das es zu vereiteln gilt.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.