Die Frage, ob die Angst der Deutschen vor Überfremdung den Bundestagswahlkampf prägen wird, ist seit vergangenen Sonntag beantwortet. Seitdem steht fest: Die Partei Rechtsstaatlicher Offensive (PRO), besser bekannt als Schill-Partei, wird zur Bundestagswahl antreten. Ihr zentrales Wahlkampfthema, das kündigte Parteichef Ronald Schill unmittelbar nach der Entscheidung an, wird die Rücknahme des Zuwanderungsgesetzes sein. Dies sei, so Schill "das Herzstück, das die Menschen bewegt". Das Programm des in Hamburg als "Richter Gnadenlos" bekannt gewordenen Juristen ist es, "den massenhaften, unkontrollierten Zustrom aller armen Menschen in die Bundesrepublik zu stoppen". Schill wörtlich: "Wir brauchen eine Festung Europa."
Auch die Wahlkampfstrategie der Schill-Part
der Schill-Partei zeichnete sich auf dem Bundesparteitag in ihren Grundzügen bereits ab. Schill und Konsorten wollen sich der CDU/CSU als "verlässlicher Koalitionspartner" und Mehrheitsbeschaffer andienen. Dazu soll vor allem gegen die FDP Front gemacht werden. Dass etwa der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Rainer Brüderle angekündigt hat, zu einer schwarz-gelben Koalition werde es nur kommen, wenn das Zuwanderungsgesetz unangetastet bleibe, soll den Liberalen um die Ohren geschlagen werden. Der Tenor: Einen wirklichen Wechsel wird es mit der FDP nicht geben. Der mit 453 zu 386 Stimmen umkämpfte Antritts-Beschluss war von der Spitze der Schill-Partei nicht erwartet worden. Ronald Schill, bis zum Parteitagsbeschluss erbitterter Gegner einer Bundestagswahlkandidatur, setzte sich nach seiner Abstimmungsniederlage flugs an die Spitze der Antrittsbefürworter. Hatte er noch vor wenigen Wochen verkündet, er stehe im Falle einer Kandidatur "nicht zur Verfügung", betont er jetzt, er werde "nicht automatisch abwinken", wenn ein Spitzenkandidat gesucht werde. Ein Bundestagsmandat strebt der Hamburger Innensenator, dem seine Kritiker einen ausgeprägten Narzissmus attestieren, allerdings nicht an. Zu Höherem berufen kann "er sich vorstellen, ein Ministeramt zu übernehmen". Dabei verhehlt er nicht, dass er dabei das Amt des Bundesinnenministers fest im Blick hat. Schill statt Schily heißt die Devise. Auch wenn Schill bereits die Zehn-Prozent-Marke als Wahlziel ausgegeben hat, glaubt er selber nicht recht an den Erfolg. Zu Beginn des Parteitages hatte er in eindringlichen Worten dafür plädiert, nicht zur Bundestagswahl anzutreten. "Im besten Falle 5,5 Prozent", traue er seiner Partei zu; aber nur wenn "wirklich alles optimal laufe". Mit deutlichen Worten beschrieb Schill das Innenleben der Partei, das durch eine Vielzahl von "finanziellen, organisatorischen und personellen Problemen" gekennzeichnet sei. Man verfüge über überproportional viele ehrgeizzerfressene Querulanten, die das Leben schwer machten. "Diese Leute fechten alles an, außer man setzt sie auf Platz 1 und sagt ihnen zu, dass sie Bundesaußenminister werden." Detlev Münch, Schill-Bezirksvorsitzender des Regierungsbezirks Arnsberg, machte gar "Mitglieder aus, bei denen ich mich frage, ob sie die Partei nicht mit einer Psychiatrie verwechseln". Diese Personen sollen nun für den Bundestag kandidieren. Denn Schill braucht jedes Mitglied, um die organisatorischen Parteiprobleme zu bewältigen. In den nächsten Tagen müssen zahlreiche Orts-, Kreis- und Landesverbände aus dem Boden gestampft, im Schnellverfahren 16 Landeslisten aufgestellt und ein Parteiprogramm zusammengezimmert werden, um nicht schon an den am 18. Juli ablaufenden Anmeldungsfristen zu scheitern. In Bundesländern wie Bayern oder Thüringen gibt es bislang nicht einen einzigen Ortsverband - nur in Sachsen-Anhalt und Hamburg existieren bereits Landesverbände. Da die Schill-Partei auch über keine finanziellen Reserven verfügt, ist sie darauf angewiesen, sich in die Hand wohlhabender Spender zu begeben, um auch nur ein einziges Wahlplakat kleben zu können. Ein Apparat mit Wahlkampfmanager, Parteisekretär und Presseabteilung muss in wenigen Wochen zusammengeschustert, ein Wahlkampfkonzept aus dem Stand entwickelt werden. Wegen all dieser Probleme meint nicht nur PRO-Bundesvorstandsmitglied Mario Mettbach, dass die Bundestagswahl für die rechtskonservative Partei "mindestens zwei Jahre zu früh kommt". Doch obwohl der gesamte fünfköpfige Parteivorstand einhellig von der Kandidatur abriet, war die knappe Mehrheit der rund 900 zum Parteitag erschienenen Mitglieder, von denen viele außerhalb eines Wahlkampfs keine Möglichkeit sehen, sich in der Partei wirkungsvoll zu engagieren, in ihrem Elan von der Parteispitze nicht zu stoppen. Da Wahlkampfmittel fehlen, muss Schill ganz auf die Medien setzen und wie in Hamburg mit polemischen Haudrauf- und Sperrweg-Parolen versuchen, den Kampf um die Titelseiten zu gewinnen. Auch wenn Schill, was wahrscheinlich ist, an der Fünf-Prozent-Hürde strauchelt, eines scheint gewiss: Er wird dem Wahlkampf einen Stempel aufdrücken und als Konkurrent am rechten Rand auch die Union weiter nach rechts treiben. Oder wie ein Parteitagsredner (sich) versprach: "Wir wollen ein besseres Deutschland für zünftige Generationen."