Jobs auf Staatskosten - Segen und Fluch

Instrumente aktiver Arbeitsmarktpolitik Arbeitsbeschaffungs- (ABM) und Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM) sind unter Rot-Grün nicht wohl gelitten

ABM gelten landläufig als das bekannteste, zugleich aber auch umstrittenste und immer wieder gern diskreditierte Vehikel aktiver Arbeitsmarktpolitik. In Zeiten hoher Beschäftigungslosigkeit wie gerade jetzt können damit befristet Arbeitsplätze auf einem »zweiten Arbeitsmarkt« geschaffen werden. Das heißt, die Arbeitsaufnahme erfolgt nicht bei »normalen« Unternehmen, sondern »ABM-Trägern«, zumeist öffentliche Institutionen oder gemeinnützige private Unternehmen. Die erhalten in Einzelfällen vom Arbeitsamt bis zu 100 Prozent des Lohns, den sie an einen ABM-Teilnehmer zahlen. Ein gleiches Ziel mit vergleichbaren Mitteln verfolgen die Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM), bei denen an Betriebe für einen befristeten Zeitraum Lohnzuschüsse gezahlt werden. Im Unterschied zu ABM sind an der Finanzierung von SAM aber auch die Bundesländer, Kommunen, der Europäische Sozialfonds und die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) beteiligt.

ABM sollen vorrangig Langzeitarbeitslose fördern. Ihr Lohn liegt in aller Regel höher als das vorher bezogene Arbeitslosengeld. Dabei darf vor allem nicht unterschätzt werden, dass eine Tätigkeit innerhalb einer ABM (wie auch SAM) den erneuten Anspruch auf Arbeitslosengeld begründet.

Schließlich müssen die Arbeitsplätze bei ABM nicht rentabel sein wie auf dem ersten Arbeitsmarkt, wo der Markterfolg (Umsatz, kostendeckende Preise) über ihre Existenz entscheidet. Sie werden statt dessen vom Staat mit Steuergeldern und durch Zuschüsse aus der Arbeitslosenversicherung alimentiert. Ausnahmslos Umstände, die immer wieder nach dem ökonomischen Sinn der Maßnahmen fragen lassen.

Brücke nicht abreißen

Speziell für die neuen Länder kommen die Strukturanpassungsmaßnahmen Ost für Wirtschaftsunternehmen (SAMOfW) in Betracht, die teilweise ganz anders als »traditionelle« SAM funktionieren. Unternehmen in den neuen Ländern und Berlin erhalten bei der Einstellung eines durch das Arbeitsamt zugewiesenen Arbeitslosen eine Lohnsubvention von maximal 1.355 DM je Monat und Beschäftigten. Um Mitnahmeeffekte zu vermeiden, darf das Unternehmen sechs Monate vor und während der Förderung keine Entlassungen vornehmen. Die Förderungshöchstdauer beträgt ein Jahr, und die Zahl der förderungsfähigen Beschäftigten pro Betrieb ist jeweils begrenzt. Maximal trägt das Arbeitsamt 50 Prozent des Lohns. In Ausnahmefällen kann eine solche Förderung auch 24 Monate dauern.

Soweit die Theorie des »zweiten Arbeitsmarktes«, die im August 2001 in fast 240.000 Fällen auch Praxis war - allerdings mit seit Monaten fallender Tendenz (s. Übersicht unten), denn ABM und SAM sehen sich heute zusehends angezweifelt, wenn nicht gar diskreditiert. Das Bundesfinanzministerium neigt in einer Studie vom Frühsommer zu der Auffassung, ABM und SAM holten nur kurzfristig Arbeitslose von der Straße, sie führten nur selten zur Eingliederung in dauerhafte und krisenfeste Jobs - man solle sie u.U. ganz abschaffen. Bundesarbeitsminister Riester vertritt hingegen die Auffassung, ohne Not dürfe man die vielfach bewährte Brücke hinüber zum ersten Arbeitsmarkt nicht leichtfertig abreißen. Ohnehin seien derartige Beschäftigungsmöglichkeiten eine Chance, Menschen weiter am sozialen Leben teilhaben zu lassen, ihrer Entwurzelung vorzubeugen. In der EU geben vor allem Frankreich, Finnland und Schweden viel Geld für aktive Arbeitsmarktpolitik aus, während Großbritannien, Spanien, teilweise Österreich ein eher restriktives Konzept verfolgen und unter anderem auf die Einrichtung von Niedriglohnsektoren setzen.

240.000 Arbeitslose mehr

Fazit: Rot-Grün verbucht eine im Vergleich zur ersten Hälfte der neunziger Jahre deutlich gesunkene ABM-Quote (s. Grafik oben), setzt damit aber nur einen Trend fort, der schon unter der CDU/CSU/ FDP-Regierung begann. Wie auch immer die Instrumente ABM und SAM gehandhabt werden, soviel steht fest - ohne begleitende agile Konjunkturpolitik, die Stimulierung von Binnenmarkt und Nachfrage, lassen sich damit in der Tat stets nur Strohfeuer entzünden, die schnell erloschen sein können. Unbestreitbar ist aber auch - die rund 240.000 ABM und SAM im August haben verhindert, dass Nürnberg bereits Anfang September eine Arbeitslosenquote jenseits der vier Millionen vermelden musste.

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