Jüngstes Gericht

Zeitgeschichte Der lettische Regisseur Herz Frank dreht 1987 das Porträt eines Doppelmörders im Todestrakt. Er gilt als Begründer der "Rigaer Schule des poetischen Dokumentarfilms"
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Ein kleiner Junge – wie alt mag er sein, drei Jahre vielleicht – sitzt im Zuschauerraum eines Theaters. Neben ihm seine Mutter und noch andere Kinder. Man sieht ihre Gesichter, alles Übrige ertrinkt im Schwarz des Saals. Musik erklingt. Doch die Bühne sieht man nie. Was man sieht, ist die Reaktion des Jungen auf das Geschehen dort. Er weint, er lacht, er möchte schreien, sich verkriechen, fürchtet sich, er atmet erleichtert auf – während vor seinen Augen, für uns unsichtbar, das Gute gegen das Böse kämpft. Zehn Minuten. Zehn Minuten reift ein Kind heran, in Echtzeit. Ohne Schnitt. Einmal schwenkt die Kamera, zeigt die neben ihm Sitzenden, kehrt zurück. Der Kleine geht über emotionale Höhen und Tiefen, wir sehen ihm in