Kann keine Trauer sein

Medientagebuch ZDFkultur wird eingestellt. Überraschen kann das kaum: Trotz einiger erfrischend unkonventioneller Formate setzte sich mehr und mehr die Beliebigkeit durch

Letzten Freitag verkündete Intendant Thomas Bellut, dass bei ZDFkultur nun endgültig der Stecker gezogen werden soll. Bis der Rundfunkrat diese Entscheidung am 8. März offiziell absegnet, bestückt man das Programm derweil mit Wiederholungen. Sonderlich überraschend kommt das Ende aber leider nicht. Muss das ZDF auf Betreiben der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten) bis ins Jahr 2016 doch 75 Millionen Euro einsparen, und nun greift auch hier das vielleicht letzte ökonomische Naturgesetz.

Bei Kürzungen kommt erst mal die Kultur weg. Fairerweise muss man sagen, dass die betriebswirtschaftlichen Argumente in diesem Fall sehr, sehr erdrückend sind. Mit seinem 18 Millionen starken Jahresetat kam der Spartenkanal nie über einen homöopathischen Marktanteil von 0,1 Prozent hinaus. Viermal mehr sind es immerhin bei ZDFinfo und sechsmal mehr bei ZDFneo, mit dem Zdfkultur schon mal verwechselt wird. Aber letztlich, nun ja, gesendet haben alle mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Und tun es weiterhin.

Es stellt sich daher die Frage, warum ZDFkultur, das primär die Generation Occupy zum Zielpublikum zählte, so gnadenlos ignoriert wurde?

Womöglich liegt es an einem schweren Konstruktionsfehler. Geradezu skurril erscheint nämlich, dass der Nischensender, der erst im letzten Jahr aus dem Theaterkanal hervorging, ernsthaft mit dem Anspruch antrat, die „Versöhnung zwischen Feuilleton und Popkultur“ herbeizuführen. Als ob das papierne Feuilleton selbst das nicht schon vor Jahren gemacht hätte. Anstatt also Eulen nach Mainz zu tragen, hätte man an einem klaren Profil feilen können. Ein wesentliches Problem von ZDFkultur bestand nämlich darin, dass der ambitionierte Wille zur Vielfalt hier schließlich in orientierungslose Beliebigkeit mündete.

Dabei hatte man ja mit Roche & Böhmermann, TV Noir oder The VICE Reports durchaus erfrischend unkonventionelle Formate im Programm, die teilweise auch gesehen wurden. Die ersten acht Folgen von Roche & Böhmermann wurden in der Mediathek 1,3 Millionen Mal aufgerufen. Umspült wurde diese Talkshow aber von einem Meer der Mutlosigkeit. ZDFkultur, das war am Ende eine dröge Mischung aus Konzertmitschnitten, Netzthemen und allerlei Pseudo-Hipness. Symptomatisch, dass man unter dem Motto „ZDFkult“ werktäglich alte Folgen von Dalli-Dalli, Unser Charly oder der Hitparade versendete. Für einen Sender, der die Kultur im Namen trägt, ist das ein bemerkenswertes Missverständnis.

Dabei käme den öffentlich-rechtlichen Spartenkanälen eigentlich eine entscheidende Rolle zu. Wenn man schon die Pilcherisierung der Primetime ertragen muss, dann sollten doch zumindest sie die Versuchslabore für experimentelles Fernsehen bilden. Hat die Einführung der GEZ-Haushaltspauschale jüngst noch mal richtig Feuer in die länglich schwelende Debatte um das ARD/ZDF-System gebracht, so kann man vielleicht drauf hoffen, dass bald Bewegung auf den Lerchenberg kommt.

Glaubt man hingegen einem, der nicht nur lange in diesem System gearbeitet hat, sondern auch just seinen zweiten Oscar abräumte, muss man jedoch skeptisch bleiben. Lächelnd mutmaßte Christoph Waltz vor Kurzem in der SZ, dass eine wirkliche Reform des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wohl nicht mehr ohne „Blutvergießen“ zu haben sei. Blut vor allem bei denen, die zur Veränderung drängen.

Nils Markwardt schreibt für den Freitag öfter auch auf den Literaturseiten

AUSGABE

Dieser Artikel erschien in Ausgabe 9/13 vom 28.02.20013

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