Kasse machen mit Küblböck

Medien Solange das Geschäftsmodell funktioniert, bleibt Boulevard ekelhaft
Ausgabe 31/2019
Daniel Küblböck bei „Let's Dance“ im Jahr 2015
Daniel Küblböck bei „Let's Dance“ im Jahr 2015

Foto: Sascha Steinbach/Getty Images

„Vater kritisiert Verlage: Würdevolle Trauerzeit muss man sich sehr schwer erkämpfen“, „Schockierende Nachricht: Deutsche Verlage erfinden Unwahrheiten über verschwundenen Sänger“, „Unfassbar! Klatschblätter belästigen Familie von Daniel Küblböck“: So ähnlich müssten die Schlagzeilen eigentlich aussehen, geht man danach, was über den Musiker und sein Verschwinden seit Herbst 2018 veröffentlicht wurde.

Das Problem: So was kauft kaum jemand. Deshalb wurden Druckerschwärze und Hirnschmalz für dies verschwendet: „Sensationelle Nachricht: Sein Freund hat ihn gesehen“, „Die heimliche Rückkehr“, „Unfassbar! Er lebt als Frau in Kanada“. Burda stieg mit Freizeit Spaß, Freizeit Revue und Freizeit Exklusiv ein, bei Klambt waren es Ok! und In und bei Funke mischte Die Aktuelle mit. Zu süß war scheinbar die Verlockung, das Küblböck-Schicksal zu monetarisieren. Denn der Fall hat alles, wovon ein*e Klatschredakteur*in träumen kann: einen tragischen Protagonisten, Human-Interest-Faktor10, ungewisse Umstände und jede Menge Raum für Recherchen, ähm, Fantasie und schimärische Schlagzeilen. Aus den Überlegungen, eine Gedenkstätte für Küblböck einzurichten, wird seine Rückkehr; aus Träumen von Freunden und Familie die Aussage, er sei „gesehen“ worden; und Verschwörungstheorien im Netz sind Grundlage für die Behauptung, er lebe nun als Frau.

Die Mühe, all solchen Schwachsinn zusammenzutragen, macht sich regelmäßig Mats Schönauer, wenn er für das Medienkritik-Magazin Übermedien in der Rubrik „Topf voll Gold“ die Auswüchse der Regenbogenpresse unter die Lupe nimmt. Die geballte Absurdität dieses Geschäfts wird vor allem in den Collagen deutlich, in denen er die Fantastereien der Klatschredaktionen wie Kalaschnikow-Salven bündelt. Unter Beschuss fühlen sich in solchen Fällen, klar, vor allem die Hinterbliebenen.

Die Wurzeln solcher Klatschberichte liegen im 19. Jahrhundert. Nicht weil Küblböck damals als Frau in Kanada lebte, sondern weil da die Penny Press aufkam. Durch die Konkurrenz im Straßenverkauf wurde der Kampf um die sensationellste Schlagzeile geboren. Die Blätter aber nun aber als Ursprung allen Übels zu verdammen, greift zu kurz, denn damit bekamen Mittelschicht und Arbeiter erstmals die Möglichkeit, sich Zeitungen leisten zu können.

Sich auf der Aussage „Das ist halt Boulevard, so funktioniert das eben“ auszuruhen, ist aber so phlegmatisch wie feige. So wird jegliche Verantwortung verbuddelt und den Betroffenen zugeschoben – von Redaktionen genauso wie von Leser*innen, die solche Schimären letztendlich ja finanzieren. Die Regenbogenpresse decke ein gesellschaftliches Bedürfnis ab, was ihre Nachfrage zeige, teilte Funke mit, als verschiedene Magazine der Mediengruppe sowie von Bauer und Burda 2017 den Negativpreis des Netzwerks Recherche erhielten. Solange das Geschäftsmodell Geld abwirft, wird sich wenig ändern. Schönauer rollt derweil seinen Felsblock immer wieder aufs Neue den Berg der Klatschberichterstattung hinauf, wenn er die Blättchen seziert. Und ruft angesichts der Absurdität des Ganzen die Übermedien-Nutzer*innen inzwischen regelmäßig selbst zum Schlagzeilenbasteln auf.

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