Im Gespräch Evelyn Kenzler, rechtspolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion, über Mängel des neuen Parteiengesetzes und Hintertüren der Korruption
In der vergangenen Woche wurde vom Bundestag das novellierte Parteiengesetz verabschiedet. Neu an diesem Gesetz ist, dass Einzelpersonen nun für falsche Rechenschaftsberichte strafrechtlich belangt werden können. Unternehmensspenden, die zu den Finanzaffären in CDU und SPD geführt haben, sind auch weiterhin möglich. Bedingung ist lediglich, dass sich die Unternehmen nicht mit mehr als 25 Prozent in öffentlicher Hand befinden. Kontrollen der Parteienbuchhaltung werden künftig verschärft.
FREITAG: Ihnen geht das neue Parteiengesetz nicht weit genug. Warum?
EVELYN KENZLER: Das ist zum einen das Verbot von Unternehmensspenden, das wir bereits seit Frühjahr 2000 fordern. Auch Altkanzler Helmut Schmidt und Heiner Geisler haben sich zum Beispiel gegen Un
aben sich zum Beispiel gegen Unternehmensspenden ausgesprochen. Außerdem sollten Spenden insgesamt in ihrer Höhe begrenzt werden, auch wenn sie von natürlichen Personen kommen, auf 50.000 Euro pro Jahr und pro Person, und auf 500 Euro bei Barspenden. Und bereits ab 3.000 Euro sollten Spenden mit Name und Wohnort des Spenders veröffentlicht werden.Sind das nicht halbherzige Forderungen? Warum nicht Spenden generell auf 1.000 Euro jährlich pro Person begrenzen? Mit den zulässigen Grenzen, die Sie nennen, gibt es immer noch viel Raum für den Einfluss begüterter Personen auf politische Parteien.Wenn man so weitreichende Änderungen fordert, hat das sicher auch seine Berechtigung. Aber das würde nur funktionieren, wenn man die Parteienfinanzierung insgesamt völlig umstellt. Zu einem nicht geringen Teil leben die Parteien nun mal von Spenden. Das Problem sind nicht die vielen kleinen und mittleren Spenden bis zu fünfstelliger Höhe, sondern die Großspenden und die Spenden aus der Wirtschaft, weil sie politische Entscheidungen beeinflussen. Ich glaube auch nicht, dass es im Moment möglich wäre, so weitgehende Vorschläge durchzusetzen.Aber das hätte doch den großen Vorteil, dass man in Wahlkämpfen auf das idiotische Verplakatieren der Städte und auf nichtssagende Fernsehspots verzichten könnte.Auf jeden Fall sollte es hier deutliche Einschränkungen geben, auch die Parteien müssen sparen. Deswegen sagen wir ja: Wir wollen keine Millionenspenden mehr zulassen. Andererseits müssen wir Grenzen definieren, mit denen alle Parteien zurecht kommen können. Gerade die großen Volksparteien, sollten sich, wenn sie denn diesen Anspruch wirklich erfüllen und volksnah sein wollen, viel mehr darum bemühen, kleinere Spenden zu sammeln und sich dann also auch mit den Interessen und Wünschen der Normalverbraucher auseinander zu setzen. Eine Spende von sechs Millionen DM, wie sie die CDU vor der letzten Bundestagswahl vom Unternehmer-Ehepaar Ehlerding bekam, sollte auf keinen Fall zulässig sein. Freimütig meinte Frau Ehlerding im Parteispenden-Untersuchungsausschuss: "Ja, uns gefiel der Stimmungsumschwung nicht, wir wollten, dass die Bundestagswahl zu Gunsten der CDU ausfällt."Bei der staatlichen Finanzierung der Parteien monieren Sie nur, dass die Höchstgrenze jetzt auf 133 Millionen Euro heraufgesetzt wird. Ist nicht überhaupt der staatliche Parteienzuschuss viel zu hoch?Zum jetzigen Zeitpunkt die staatliche Teilfinanzierung um noch mal fast acht Millionen Euro zu erhöhen, ist gerade nach den beiden großen Spendenaffären das falsche öffentliche Signal. Es ist zwar gesetzlich zulässig, aber politisch völlig instinktlos. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht 1992 sehr detaillierte Vorgaben für eine verfassungsgemäße Parteienfinanzierung gemacht, an die wir uns halten müssen.Mit dem neuen Gesetz werden Einzelpersonen für falsche Rechenschaftsberichte haftbar gemacht. Werden Schatzmeister künftig mit einer Backe im Knast sitzen?Nur wenn sie vorsätzlich handeln, das heißt, wenn sie ganz bewusst falsche Zahlen in den Rechenschaftsbericht einstellen, wenn sie wissen, dass es sich beispielsweise um rechtswidrig angenommene Spenden handelt, und wenn sie versuchen, über Manipulationen im Rechenwerk deren Herkunft und deren Höhe zu verschleiern. Leider ist unsere Forderung, die ja in der Öffentlichkeit zu Recht erhoben wurde, nicht aufgegriffen worden, dass beispielsweise bei strafrechtlichen Verstößen das Recht, öffentliche Ämter zu bekleiden und das passive Wahlrecht auszuüben, zeitlich befristet aberkannt werden. Nach der jetzigen Rechtslage können diejenigen, die Gesetze verletzt haben, zwar strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden; sie können aber immer noch an anderer Stelle untergebracht und versorgt werden - in Parteiämtern oder über andere Mandate.Kann man mit Parteiengesetzen Korruption wirksam bekämpfen? Welche ergänzenden Instrumente wären notwendig?Das Parteiengesetz ist natürlich nur eines der dazu notwendigen Instrumente. Wir brauchen ein Anti-Korruptionsgesetz. Es sollte beispielsweise die gesetzliche Möglichkeit geben, Schwarze Listen über Unternehmen anzulegen, die sich der Korruption schuldig gemacht haben, um sie künftig von öffentlichen Auftragsvergaben auszuschließen.Was halten Sie davon, alle öffentlichen Aufträge - von der Ausschreibung bis zur Entscheidung - komplett öffentlich zu machen?Das ist sicherlich ein sehr vernünftiger Vorschlag, um diese Verfahren soweit wie möglich aus dem Dunkel und aus eienr Grauzone herauszubekommen. Wir hatten ja beispielsweise bei der Kölner Affäre nicht nur das Problem der Stückelung und der Verschleierung von Spenden. Das war nur die Konsequenz einer viel gravierenderen Tatsache, nämlich dass es Schmiergeldkassen in Millionenhöhe im Ausland gab und damit Politiker und öffentliche Entscheidungsträger hier im Inland "beatmet" wurden, wie das jetzt im Jargon heißt. Dem kann man in der Tat nur entgegenwirken, indem diese Aufträge in schonungslos transparenter Weise vergeben werden.Nach den Affären der jüngsten Vergangenheit haben die etablierten Parteien noch mehr an Glaubwürdigkeit verloren. Wäre es da nicht sinnvoll, neue Parteien oder Bewegungen, die nicht im Bundestag vertreten sind, Mittel zur Verfügung zu stellen? Würden Sie solche Initiativen unterstützen? Oder gehört die PDS zum Club der Etablierten, der staatliche Gelder nur für sich beansprucht?Es gibt durchaus ein Ungleichgewicht bei der staatlichen Teilfinanzierung zwischen den Parteien, die im Bundestag vertreten sind und dem Rest. Da besteht dringender Reformbedarf. Ich werde auch in der nächsten Wahlperiode prüfen, inwieweit wir hier nochmals einen Vorstoß unternehmen. Wir machen uns nichts vor: Derjenige, der das Geld hat, der hat natürlich auch die Möglichkeiten, seine Positionen am wirkungsvollsten durchzusetzen. Allerdings sollten nicht nur die kleineren Parteien, die nicht im Bundestag vertreten sind Unterstützung erhalten, sondern insbesondere auch Bürgerinitiativen und ehrenamtliche Tätigkeiten. Das derzeitige Ungleichgewicht zwischen Parteiendemokratie und Bürgerdemokratie ist auf Dauer nicht hinzunehmen.Das Gespräch führte Hans Thie
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