Kein Grundrecht auf billiges Benzin

ÖLPREISE Die Ökosteuer steht nicht zur Disposition

Unser Mitleid war mit ihnen. Selbst bei vorübergehend gesunkenen Rohölpreisen sahen sich die Mineralölkonzerne im Frühjahr außerstande, den Spritpreis an der Zapfsäule zu senken. Die niedrigeren Preise könnten die Verluste der Tankstellen nicht auffangen, so der Tenor. Prompt blies Bayatollah Edmund Stoiber zum Generalangriff gegen die seit 1998 bestehende Ökosteuer, und von den Spediteuren bis hin zum Normalverbraucher schlossen sich alle an. Die Ökosteuer, so Ihre Anklage, verteuere den Sprit über die Maßen.

Fast hätten wir es ihnen geglaubt, doch nun wissen wir es besser: Letzte Woche veröffentlichten die Mineralölkonzerne ihre Bilanzen. Am ärmsten ist die Shell. Sie konnte ihre Gewinne im Vergleich zum letzten Jahr um knapp 100 Prozent verdoppeln. Andere Konzerne wie Elf oder BP konnten immerhin um 150 bis 250 Prozent höhere Gewinne in die Scheuer fahren. Gewinne, obwohl die Verluste an den Tankstellen nicht ausgeglichen werden konnten. Verkehrte Welt? Nein, denn der Konflikt ist ein anderer.

Die Ökosteuer, so unsere Grundannahme, soll den Umweltverbrauch verteuern und Arbeitskraft verbilligen. Immerhin stammen in der deutschen Treibhausgas-Bilanz dominante 37 Prozent der Kohlendioxid-Emissionen aus der Verbrennung von Mineralöl, der Rest aus Gas und Kohle. Dem Umwelt-Sachverständigenrat ging deshalb das Ökosteuerkonzept von Beginn an nicht weit genug. Der Literpreis für Benzin, so ließ er Ende letzten Jahres verkünden, müsste jetzt schon bei drei Mark liegen, wenn die Klimaziele der Bundesregierung noch erreicht werden sollen. Für den Zeitraum der nächsten zehn Jahre soll der Benzinpreis dann auf über vier Mark steigen. Sonst hätte nach Ansicht der Regierungsberater die Autoindustrie keinerlei Anreiz für erschwingliche Drei-Liter-Autos.

Dagegen nimmt sich die rot-grüne Ökosteuer mit ihrer jährlichen Erhöhung um gerade einmal sechs Pfennig pro Liter direkt bescheiden aus. Es wird keine Zurücknahme der Ökosteuer geben, und die nächste Stufe kommt wie geplant zum 1. Januar nächsten Jahres. Marktwirtschaftliche Schwankungen können nicht zum Ausverkauf der Umweltgesetze führen, und nur derjenige Verbraucher ist wirklich ein Teuerungsopfer, der seinen Spritfresser noch immer nicht gegen ein energiesparendes Modell eingetauscht hat. Es gibt kein Grundrecht auf billiges Benzin - es gibt aber billige Argumente gegen die Ökosteuer.

Denn gegen die machen seit Anbeginn CDU/CSU und F.D.P sowie die Kraftfahrt-Lobby Opposition. Aber es geht ihnen nicht um den Benzinpreis. Schließlich will die OPEC nach weltweiter Kritik am rekordverdächtigen Ölpreis die Förderung um 800.000 Barrel täglich anheben. Das wird ausreichen, um die auf mehr als 32 Dollar pro Barrel gestiegenen Ölpreise auf 22 bis 28 zu senken. Doch kann das die Kritik an der Ökosteuer stoppen? Kaum, denn die Opponenten zeigen nicht mit dem Finger auf die Ölkonzerne, die den Preisvorteil nicht an den Verbraucher weitergeben wollen. Ihnen geht es um etwas anderes. Sie wollen sich um die schmerzhafte Einsicht drücken, dass wir den Umweltverbrauch nicht durch niedrige Ressourcenpreise subventionieren dürfen..

Mag auch die CSU weiterhin davon sprechen, dass die Regierung die Autofahrer abmelken will, von der spürbaren Entlastung durch niedrigere Rentenbeiträge spricht sie nicht. Trotzdem hat sie in einem recht. Es ist an der Zeit, über die ökologischen Wurzeln dieser Steuer neu nachzudenken. Derzeit fließt sie komplett in die gesetzliche Rentenversicherung, was problematisch ist. Der Kontext zwischen Energieverbrauch und Rentenversicherung ist nicht nachvollziehbar. Die künftige Mittelverwendung über das Jahr 2003 hinaus muss daher sehr gründlich diskutiert werden. Wir wollen, dass ein beträchtlicher Teil in den Umweltschutz investiert wird. Damit erhält die Steuer ihren ökologischen Anspruch in beiderlei Weise - Besteuerung von Umweltverbrauch und Förderung ökologisch sinnvoller Projekte - zurück. So, wie es die Grünen von Anfang an wollten.

Unser Autor ist Bundestagsabgeordneter von Bündnis90/Die Grünen

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