Lang ist es her, dass meine Mutter mit zehn Freundinnen auf dem Handballfeld dem braunen ledernen Ball hinterher jagte. Das Spiel auf dem Feld, das mit fünf Stürmern, drei Läufern und zwei Abwehrspielern sowie einer Torhüterin ausgetragen wurde, kannte damals sogar noch Abseits und Elfmeter, und das Tor hatte die Ausmaße eines Fußballtores. Für viele Menschen unserer Generation ist kaum vorstellbar, dass Handball früher einmal auf dem Rasen stattfand. Ähnlich wie beim Basketball musste der Ball auf den Boden geprellt werden, wenn man mehr als drei Schritte mit dem Ball laufen wollte.
Die Anfänge des Feldhandballs in Deutschland sind eng mit Frauen verknüpft: 1915, als Max Heiser die ersten Regeln für die Sportart festlegte, wurde s
e, wurde sie fast ausschließlich von Frauen ausgeübt. Feldhandball erfreute sich in Deutschland großer Beliebtheit und wurde 1936 in Berlin erstmals bei den Olympischen Spielen ins Wettkampfprogramm aufgenommen. Nun gab es jedoch nicht an allen Orten die gleichen Bedingungen. Das unbeständige, kalte Wetter machte Probleme, in den skandinavischen Ländern konnte für recht lange Phasen nicht draußen gespielt werden. Also verlegte man das Spiel in die Halle, was sich bald als wesentlich schnellere, spannendere Spielvariante entpuppte. Auf dem Feld und unter freiem Himmel blieben die Tor-Ergebnisse im einstelligen Bereich, es waren lange Strecken im Mittelfeld zu überwinden, was in der Halle durch die Spielfeldanpassung wegfiel. Die Attraktivität lag vor allem im höheren Tempo, was letztendlich zu einer Verdrängung des Feldhandballs führte: Der letzte Feldmeister wurde 1975 ausgespielt, 1972 in München war Hallenhandball olympisch geworden, zunächst für die Männer, 1976 in Montreal dann auch für die Frauen. Von nun an meinte jeder, der von Handball sprach, Hallenhandball. Die Techniken wurden verfeinert, und Sprungwürfe, die es zu Mutters Zeiten fast noch gar nicht gab, verringerten die Distanz zum Tor. 1997 kehrte der Frauenhandball in Deutschland zunächst mit der Weltmeisterschaft gewissermaßen zu den Wurzeln zurück. Als Rekord-Weltmeister (1971, 1975 und 1978 als DDR, 1993 dann gesamtdeutsch) und mit steigenden Zuschauerzahlen in den Ligenspielen, schienen die Voraussetzungen bestens, doch der große Wurf gelang nicht: Stattdessen machte ein erschreckender Vorfall Schlagzeilen, als ein deutscher Fan beim Halbfinale in der Berliner Deutschlandhalle zwei dänische Fans niederstach. Die gravierendste Veränderung im Wechsel vom Feld- zum Hallenhandball bekommen die Spielerinnen sprichwörtlich am eigenen Leibe zu spüren, es ist die höhere Verletzungsgefahr. Besonders hart traf es in dieser Saison den letztjährigen deutschen Meister DJK/MJC Trier, der eine umfangreiche Verletztenliste aufzuweisen hat, fast alle mit Knie- und Fußproblemen. Kein Wunder also, dass die erste Werbung, die einem auf der Suche nach Frauenhandball im Internet ins Auge fällt, eine für Knieschoner ist. Überhaupt ist Handball auch bei den Frauen sehr viel härter geworden, die Brutalität, mit der hier manchmal in den Wurfarm gelangt wird, ist schon erstaunlich.International liegen die Skandinavierinnen nun schon länger im vorderen Bereich, jedoch haben in den vergangenen Jahren auch afrikanische Teams zu den WM-Teilnehmern aufgeschlossen, das mussten die deutschen Frauen schmerzlich mit einem Unentschieden im Gruppenspiel bei der letzten WM gegen Angola erfahren. Bei der Frauen-Handball WM in Kroatien ab dem 1. Dezember geht es für den Rekordweltmeister nun allerdings wohl nicht so sehr um den WM-Titel als um die Olympiaqualifikation für Athen. Als klare Außenseiterinnen müssen die deutschen Spielerinnen in einer sehr stark besetzten Gruppe bestehen. Das Teilnehmerfeld mit 24 Mannschaften weist mit den Teams aus Australien, der Elfenbeinküste, Uruguay und Argentinien zwar relative Neulinge auf dem internationalen Parkett auf, jedoch mit Dänemark, Slowenien, Ungarn und China in der deutschen Gruppe auch mehrere harte Brocken. In der Vorbereitung wurden zwar erfreuliche Ergebnisse erzielt, doch dürfte in Kroatien jedes Spiel zum Endspiel werden. Gegen den Erzrivalen Österreich zog man im letzten Turnier vor der WM nur knapp mit 31:33 den Kürzeren und monierte zahlreiche vergebene Chancen.Ich habe meine Mutter nicht gefragt, warum sie mich letztendlich als Kind nie zum Handball geschickt hat, denn trotz aller Härte ist das Spiel schnell und durch die vielen Tore wirklich spannend, der Spielfluss macht nicht nur beim Zusehen Spaß. Ich bin bei einer anderen Sportart gelandet, bei der ich mir allerdings auch mehrfach die Finger gebrochen habe.