Kein La Ola für den Kindle

E-Book-Lesegerät Was einen Buchhändler traurig macht, kann keinen Leser fröhlich stimmen. Jörg Sundermeier vom Verbrecher-Verlag ist alles andere als glücklich über Amazons Lesegerät

Was die Literaturwelt revolutionieren soll, wiegt 241 Gramm und erlaubt seinem Besitzer, bis zu 3.500 Bücher mit sich herumzuschleppen. Es ist der Kindle, das Lesegerät von Amazon, der in den vergangenen Tagen erfolgreich auf dem deutschen Markt eingeführt und von der Buchbranche mit großem Enthusiasmus begrüßt wurde. Zumindest glaubt man dies, wenn man das Börsenblatt des deutschen Buchhandels und andere Fachmagazine liest. Die Wahrheit sieht allerdings ein bisschen anders aus. Der klassische Sortimentsbuchhandel ist nämlich nicht glücklich über das Gerät.

Der Kindle, der in den USA bereits seit zwei Jahren erhältlich ist, ist eine sehr praktische Lesemaschine für E-Books. Er wiegt nicht viel, mit seinem Electronic-Inc-Bildschirm schont er die Augen (anders als Tablet-Computer wie das iPad), man kann seine E-Books überall und jederzeit erwerben; der Kindle-Store ist mit 650.000 Büchern gut gefüllt, wenngleich die meisten Titel in englischer Sprache sind. Es gibt allerdings auch viele E-Books kostenlos, Titel, deren Copyright ausgelaufen ist. Die Bücher für den Kindle sind günstiger als die Hardcoverausgabe eines Buches, doch nicht allzu günstig. So muss man für die gebundene Ausgabe des Romans Nemesis von Philip Roth 18,90 Euro berappen, für die E-Book- Version sind es immerhin noch 11,79. Die Preise sind verbindlich, denn auch für E-Books gilt die Preisbindung.

Nun rümpft manch einer hierzulande die Nase, wenn er von E-Books und Lesegeräten hört, doch es gibt ja auch noch immer Verächter des Mobiltelefons. In den USA oder in der Ukraine ist das Lesen auf diesen Geräten völlig normal.

Doch hat der Kindle ein Problem. Man erwirbt die E-Books für ihn ausschließlich bei Amazon, nicht mehr bei einem seiner Konkurrenten – wie man dies etwa mit dem Sony-Lesegerät tut. Der Kindle-Leser bindet sich somit fest an den Buchhandels­riesen. Das wird dem normalen Kunden nichts ausmachen, wohl aber allen Buchhändlern außer Amazon. Denn diese haben noch keine Lösung gefunden, wie man E-Books anderweitig vermarkten kann, obschon sie ein paar Jahre Zeit hatten. Der große Erfolg des Kindle zeichnet sich bereits ab. Andere Geräte, der Oyo oder der Iriver Story etwa, werden es dagegen schwer haben, eben weil Amazon beides hat: das Gerät und den Inhalt. Auf kurz oder lang wird sich sich Amazon eine Monopolstellung im deutschen E-Book-Markt erarbeitet haben.

Inwieweit das dann der Literatur zupass kommt, bleibt fraglich. Denn Quantität allein kommt der Literatur nicht entgegen; ein Buchladen mit 100.000 Büchern auf dem Lager muss nicht besser sein als einer mit 4.000. Wer aber berät die Kindle-Leserinnen und -Leser bei der Auswahl? Wer macht sie neugierig auf abseitige und abenteuerliche Bücher? Der gemeine Amazonkäufer kauft schon jetzt vor allem das, was er kennt, und auch die Connaisseuin findet sich auf der Amazonseite schon jetzt kaum mehr zurecht und entscheidet sich erschöpft eher für das, was mit nur wenigen Klicks erreichbar ist.

Zudem bietet Amazon in den USA inzwischen auch einige Bücher exklusiv im Kindle-Store an – Amazon wird somit selbst zum Verlag. Ob das alles wirklich von den deutschen, österreichischen und schweizerischen Verlagen gewollt werden kann? Der unabhängige Buchhandel jedenfalls begrüßt dieses Gerät und seinen Erfolg nicht. Wir wissen, dass das Buch bleiben wird. Aber wie es bleibt, das ist immer weniger abzusehen.

Jörg Sundermeier (geb. 1970 in Gütersloh) leitet den Verbrecher Verlag in Berlin

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