Kein Platz zum Tanzen

Dokumentation Im November 1989 schrieb Renate Rauch für den „Sonntag“ die erste Mauerfallstory
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 45/2019
Eine Szene in Berlin-Kreuzberg, kurz nach der Maueröffnung
Eine Szene in Berlin-Kreuzberg, kurz nach der Maueröffnung

Foto: Imago Images/Peter Homann

Am Freitagmorgen kommt eine Kollegin mit verquollenen Augen zu spät zur Redaktionssitzung. Wir lachen verstehend, wir glauben, sie, eine gute Reporterin, sei unter den Westberlin-Besuchern der letzten Nacht gewesen. Sie antwortet mit Tränen. Als die Mauer gebaut wurde, sagt sie, war ich 20, jetzt bin ich 48 – 48 Jahre, die besten meines Lebens. Damals habe ich an die Mauer geglaubt, was hatte das alles nun für einen Sinn?

Später gehen wir zum Brandenburger Tor, um zu sehen, was an diesem Tag, dem 10. November 1989, geschieht. Jemand hatte gesagt, auf der Mauer würde getanzt. Durch das Brandenburger Tor hindurch sehen wir die Mauer. Sie ist tatsächlich voller Menschen, sie gestikulieren, wir hören ihre Rufe. Zum Tanzen ist kein Platz. Mein Kollege, de