Kein Tabu mehr: Regelkrämpfe sind politische Kämpfe

Menstruationsbeschwerden Spanien will die Lohnfortzahlung bei Regelbeschwerden für Frauen einführen, sowie drei freie Tage. Hier ist die Menstruation mit Tabus behaftet. Zeit, dass sich das ändert
Ausgabe 21/2022
Sobald eine Frau es wagt, so etwas wie eine negative Reaktion zu zeigen, kommt gern der Spruch „Hast du deine Tage?“. Wir werden als nervig und hormongesteuert dargestellt
Sobald eine Frau es wagt, so etwas wie eine negative Reaktion zu zeigen, kommt gern der Spruch „Hast du deine Tage?“. Wir werden als nervig und hormongesteuert dargestellt

Foto: Sebastian Kahnert/Picture Alliance/dpa

Ich habe mich selten so wichtig gefühlt wie als unterbezahlte 18-jährige Kassiererin im Supermarkt. In keiner anderen Position habe ich Menschen durch meine Anwesenheit so aus dem Konzept gebracht: wenn sie Kondome kauften, Nackedei-Magazine – oder Tampons.

Regelmäßig rissen mir Frauen nach dem Scannen das Produkt rasch aus der Hand, um es dann so unauffällig wie möglich in ihrer Einkaufstasche verschwinden zu lassen. Die Menstruation ist nämlich auch in unserer ach so aufgeklärten Gesellschaft vielerorts noch tabu.

Menstruierende Personen werden zu Expert*innen darin, so zu tun, als wären sie von der Periode nicht betroffen. Viele schlucken lieber eine Schmerztablette und erobern den Tag, ganz gleich, ob und wie es eigentlich geht. Spanien will es Frauen nun als erstes europäisches Land ermöglichen, sich wegen Menstruationsbeschwerden krankschreiben zu lassen. Ein Gesetzesentwurf sieht vor, dass sie drei Tage lang zu Hause bleiben können. In dieser Zeit erhalten sie ihr Gehalt weiter. Die Beschwerden müssen sie aber von einem Arzt bestätigen lassen. Es ist also kein Urlaub, sondern eine vereinfachte Krankschreibung. Der Entwurf wird nicht nur in Spanien kontrovers diskutiert. Ich war zunächst auch freudig überrascht, als ich die Meldung las, und hielt den Entwurf für eine großartige Idee. Dann kamen mir Zweifel.

Wenn sich Frauen bezüglich ihrer Periode schon vor einer Schülerin an der Kasse schämen, wie sieht es erst gegenüber Personen aus, die sich in einer tatsächlichen Machtposition befinden, wie ihre Arbeitgeber*innen? Auch ich kann zwar über die Periode schreiben, Tampons kaufen, Treffen mit Freund*innen wegen Menstruationsbeschwerden absagen. Trotzdem läuft es mir bei der Vorstellung, dass meine Chefin mitbekommen könnte, dass ich mich regelmäßig wegen Regelschmerzen abmelde, kalt den Rücken runter.

Ich vermute, dass ich mit diesem Unwohlsein nicht allein bin, und schreibe dabei noch aus einer privilegierten Position. Was ist mit Frauen, die prekär arbeiten? Oder in „Männerberufen“? Frauen in kompetitiven Jobs? Denn die Periode ist nicht nur angeblich eklig, sondern lässt uns auch schwach aussehen. Sobald eine Frau es wagt, so etwas wie eine negative Reaktion zu zeigen, kommt gern der Spruch „Hast du deine Tage?“. Wir werden als nervig und hormongesteuert dargestellt. Ja, es ist kompliziert.

Ich glaube daher nicht, dass viele Frauen in Spanien den „Menstruationsurlaub“ in Anspruch nehmen werden. In Japan, wo es seit 1947 ein ähnliches Gesetz gibt, zeigt sich, dass nur zehn Prozent der Arbeitnehmerinnen diese Extra-Krankentage nehmen. Ist es am Ende nur Symbolpolitik?

Vielleicht, aber ich will trotzdem eine Lanze für dieses Zeichen brechen. Denn die Stigmatisierung der Periode reicht Jahrtausende zurück und kann daher nicht mit einer einzigen politischen Entscheidung gebrochen werden. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre so ziemlich jedes Gesetz Symbolpolitik. Sollte frau es daher lassen? Nein. Denn es muss Frauen die Möglichkeit gegeben werden, das zu tun, was für ihren Körper das Beste ist. Selbst wenn sie es nicht in Anspruch nehmen, kann das Gesetz dafür sorgen, dass es alltäglicher wird, dass Kolleginnen wegen Mens-Schmerzen ausfallen. So inspiriert das dann andere, sich krankschreiben zu lassen, anstatt heimlich auf der Bürotoilette zu leiden. Klar wären das Trippelschritte, und das kann auch nur der Anfang sein. Aber immerhin kämen wir dem Ende des Perioden-Shaming ein wenig näher.

Laila Oudray ist freie Journalistin und schreibt über vieles, was mit „M“ beginnt: Medienphänomene, Minderheiten und manchmal auch Menstruation

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Kommentarfunktion deaktiviert

Die Kommentarfunktion wurde für diesen Beitrag deaktiviert. Deshalb können Sie das Eingabefeld für Kommentare nicht sehen.