Kein Termin für Steinmeier

USA Wie blickt Washington auf die Bundestagswahl? Eigentlich blickt es kaum, kann aber der Langeweile etwas Gutes abgewinnen

Angela Merkel und Franz-Walter Steinmeier, auf der Berliner Zielgeraden. Steinmeier? Aufmerksame Zeitungsleser und Internet-User zwischen Washington und Wasilla kennen möglicherweise die Frau Merkel. Schließlich ist die Politikerin seit Jahren Chefin in Germany, aber ansonsten stößt die Bundestagswahl in den USA auf Desinteresse. Who cares? Und sitzen Merkel und der andere, der angebliche Rivale, gegenwärtig nicht im selben Kabinett? Ein Kommentar in der New York Times lässt durchblicken, dass es eigentlich gar nicht so schlecht sei, wenn die Deutschen langweilig Wahlkampf machen, und nicht die Welt beunruhigen.

Eine Wohltat nach Schröder

Für Präsident Barack Obama ist es nicht existentiell wichtig, wer in Deutschland gewinnt. Auch wenn Spekulieren verlockend ist über das Dreieck Obama-Merkel-Steinmeier. Hat Merkel Obama im US-Präsidentschaftswahlkampf brüskiert mit ihrem Nein zur Berlin-Rede im Sommer 2008? Oder hat Obama das alles vergessen und vergeben? Und hat der Präsident der Kanzlerin im Juni beim Washington-Besuch (halb im Scherz?) nicht vor laufenden Kameras versichert, sie habe die Wahl"schon gewonnen", sie müsse sich keine Sorgen machen? Ist er dadurch Außenminister Steinmeier auf die Zehen getreten, der zudem angeblich im Sommer 2009 keinen Termin bei Obama bekommen konnte?

Aus Sicht des Weißen Hauses kommt es darauf an, dass die deutschen Personalien stabil und verlässlich sind. Dafür steht definitiv Angela Merkel. Sie war schon eine Wohltat nach dem Egomanen Gerhard Schröder, dem man seinen wahlpolitisch motivierten deutschen Sonderweg vor dem Irak-Krieg nie verziehen hat. Merkel durfte zu George Bush auf die Ranch nach Crawford. War das Team Merkel anderer Meinung als der damalige Präsident, formulierte man das mit Respekt, etwa bei Vorbehalten gegen die Erweiterung der NATO in Osteuropa. Kritik an Guantánamo und an Voelkerrechtsbrüchen hielt sich in engen Grenzen.

In der Nahost- und Afghanistan-Politik folgte Merkel weitgehend Bushs Vorstellungen. Obama hat kein Landhaus, aber Obama und Merkel kommen anscheinend auch gut zurecht. Obama weiß Merkel wohl zu schätzen als verlässliche europäische Politikerin. Anders als der nicht nur im Privatleben eigenwillige französische Präsident Sarkozy.

Und im Gegensatz zum britischen Premier Brown, der zu Hause nicht auf festem Boden steht. Und sowieso anders als der aus Sicht des Weißen Hauses in der zweiten Klasse spielende Berlusconi. Obama dürfte Merkel das Leben ein bisschen leichter gemacht haben. Er erhebt weniger Anspruch auf ideologische Gefolgschaft, sondern legt mehr Wert auf Partnerschaft. Und Merkel muss sich nicht ständig auf die Seite eines in Deutschland denkbar unbeliebten US-Präsidenten schlagen.

Man nimmt, was kommt

Bundesaußenminister Steinmeier gilt als Obama-Fan. Auch er steht für Stabilität und Bündnistreue. Und an den Grundzügen der deutschen Außenpolitik würde sich – nimmt man die Wahlkampfreden ernst – nicht allzu viel ändern, sollte Steinmeier Kanzler werden. Dessen kürzlicher Vorstoß zu einem Afghanistan-Abzug läuft vielleicht parallel zu gegenwärtigen Überlegungen in den USA. Die Militärs in Afghanistan und die Falken in Washington machen Druck auf Obama, wollen den
Präsidenten fest legen auf mehr Streitkräfte. Obama scheint sich besonnen zu haben: Keine schnelle Entscheidung, Nachdenken ist angesagt über die Strategie in einem Land, das schon andere Großmächtein die Knie gezwungen hat.

Wenn es am Wahltag nach einer regierungsfähigen Koalition aussieht in Berlin – Schwarz-Gelb oder Wiederholungsvorstellung von SPD-Union, in Washington wäre man zufrieden. Die Glückwunschtelegramme sowie Telefon-Gratulationen sind schon vorbereitet. Vermutlich unterscheiden sie sich nur geringfügig, ganz gleich, wer Kanzler wird.

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