Kein Untergang des sozialistischen Abendlandes, aber ...

PDS-PROGRAMMENTWURF (II) Statt Kapitalismus ein Wolkenkuckucksheim modelliert - die "undogmatische Linke" der Partei weiß noch nicht, ob und wie sie in die Debatte ziehen soll

Alles läuft, wie von allen Seiten erwartet und vorbestimmt. Nachdem vor gut einem Jahr ein dickes, in sich unschlüssiges Thesenpapier von der PDS-Programmkommission vorlag, gibt es nun den Programmentwurf. Die einen sagen in ihrer Begründung zum Papier - Gabi Zimmer, Dieter Klein und andere - dass man noch Sozialismus wolle, aber bitte sehr, nur in kleinen Schritten, und Freiheit müsse dazu gehören. Außerdem sei Profitwirtschaft in Ordnung, die anderen - Wagenknecht, Heuer, Wolf - wittern wie immer den Verrat am Großen und Ganzen und sehen das sozialistische Abendland untergehen. Alles läuft eigentlich vorzüglich für die PDS-Parteispitze: Grobschlächtige Argumente von den selbsternannten Linken in der PDS reichen aus, um differenzierte, leise und nachdenkliche Kritik zum Programmentwurf zu marginalisieren. Ein Spiel, wie es seit Jahren läuft. Einmal - auf dem Parteitag in Münster bei dem Versuch, die friedenspolitische Ausrichtung der PDS zu verändern - trug es dem Vorstand eine Niederlage ein.

Dieses Spiel läuft immer nach dem gleichen Muster: Die Parteispitze unternimmt mehr oder weniger sinnige Vorstöße, dann werden die Pappkameraden Kommunistische Plattform und Marxistisches Forum gezogen und schon läuft alles wieder in die gewünschte Richtung. Pappkameraden, die wirklich nur aus Pappe bestehen, weil sie völlig unverhältnismäßig überhöht dargestellt und wahrgenommen werden. Und damit ist das Dilemma der PDS-Mitglieder beschrieben, die sich als undogmatische Linke in der Partei verorten. Man will einerseits nicht mit Leuten in einem Boot sitzen - Wagenknecht und anderen - die ein rückwärtsgewandtes, staatssozialistisches und bürgerrechtsfeindliches Gesellschaftsmodell vertreten, andererseits will man auch nicht die Politik der "SED- Reformerfraktion" absegnen, die zunehmend den Eindruck von Wahrnehmungsstörungen bei der Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse vermittelt. Nimmt man die Worte Kapitalismus, Kapitaldominanz, Ausbeutung von Mensch und Natur in den Mund, bekommt man - wenn es gut läuft - ein mitleidiges Lächeln spendiert. Wenn die Stimmung gereizter ist, muss man sich sagen lassen, das seien Binsenweisheiten, die der PDS jetzt nicht weiterhelfen würden, da die Partei ja auch keine Konzepte zur Veränderung habe. Das Problem ist nur, dass diese Binsenweisheiten die Schmerzquelle beim momentanen Spagat von PDS-Politik in den verschiedenen Konstellationen - besonders in den neuen Ländern - darstellen. In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, in denen die PDS mehr oder weniger in Regierungsverantwortung steht, wird sie eben an den schlechten Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsdaten gemessen. Dass die Zahlen so sind, wie sie sind, ist nicht einer miserablen SPD/PDS-Politik anzulasten, sondern resultiert entscheidend aus nun einmal gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Das ist keine Absage an Koalitionen - es ist einfach der Appell nicht zu vergessen, welches die Rahmenbedingungen sind, unter denen eine sozialistische Partei in dieser Gesellschaft agiert! Und da hat man zunehmend den Eindruck, Teile des "SED-Reformerflügels" wollen nicht wahrhaben, dass eine sozialistische Partei den Kapitalismus zuweilen auch als das benennen und analysieren muss, was er ist. Statt dessen wird ein Wolkenkuckucksheim modelliert. Wie soll sich nun unter diesen Bedingungen eine undogmatische PDS-Linke bei der Programmdebatte verhalten? Zwei Möglichkeiten bieten sich: Entweder sie sieht sich die x-te Vorstellung des Pappkameradenspiels an und lässt es über sich ergehen, wie bei den Aufführungen zuvor schon: Auf der einen Seite das Böse - Wagenknecht angereichert durch Teile des ehemaligen Stamokap-Flügels der SPD um Parteivize Dehm, auf der anderen Seite die wackeren schwer leidenden SED-Reformkräfte um Bartsch, Gysi, Brie, Claus und Parteichefin Zimmer, oder sie - die undogmatische PDS-Linke - bringt sich endlich eigenständig wahrnehmbar und strukturiert in die Debatte ein und versucht die Definitionshoheit für linke Positionen in der PDS und der Gesellschaft für sich zu gewinnen. Für was ich für mich entscheide, weiß ich momentan wirklich noch nicht, obwohl natürlich das strukturierte Einbringen das einzig Sinnvolle ist. Aber dazu gehören immer zwei Seiten. So lange Teile der SED-Reformkräfte ihre sehr stark SED-gesteuerte Mentalität nicht ablegen, ergibt das Ganze kaum Sinn. Man kann eben nicht reformsozialistische Inhalte mit alten autoritären Macht- und Denkmechanismen umsetzen.

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