Vor gut einem Jahr begann die Rettungsaktion für das überschuldete Griechenland. Obwohl die Auffangsnetze seither mit Hilfe des IWF und der EZB weit gespannt bleiben, taumelt Euroland. In Griechenland sind die Folgen der Schuldenkrise, die Folgen des brutalen Sparkurses überall mit bloßem Auge zu sehen und mit Händen zu greifen. Alles stöhnt unter der Last der inzwischen fünf harten Sparrunden – die Schulen, die Museen, die Universitäten, die Hospitäler, alle öffentlichen Einrichtungen stecken in Geldnot. Die Löhne und Gehälter, die Pensionen sind gekürzt worden, die ärmere Mehrheit in diesem reichen Land kämpft ums Überleben. Stadtflucht, die Abwanderung Tausender gut ausgebildeter, arbeitsloser junger Leute zurück aufs Land, wo es sich noch billiger leben lässt als in Athen oder Thessaloniki, ist nur ein Symptom dieser Krise, von der die griechische Gesellschaft erschüttert wird.
Bis zum 18. Juli reicht das Geld noch, dann braucht Griechenland die nächsten zwölf Milliarden aus dem 110 Milliarden schweren Hilfspaket, sonst ist der Staat zahlungsunfähig. Die Kommissare aus Brüssel, Frankfurt und Washington verlangen noch mehr und härtere Sparanstrengungen von der Regierung in Athen, die Drohung, den Geldhahn dicht zu drehen, hängt über ihr.
Veränderte Gläubigerstruktur
Deutschland hat das stärkste Interesse an einer Lösung dieser Schuldenkrise, denn die Bundesregierung will vor allem eines: die eigenen Banken retten, die sich in Griechenland wie auch in Spanien, Irland und Portugal schwer verzockt haben. Eine Staatspleite Griechenlands könnte den Euro nie in Gefahr bringen, aber für eine europäische Bankenkrise würde es reichen. Griechische Banken, Versicherungen und Pensionsfonds sind die wichtigsten Gläubiger des griechischen Staats, dann folgen die ausländischen Finanzinstitute mit insgesamt 72 Milliarden Euro, voran deutsche (mit 26,3 Milliarden), französische (19,8 Milliarden), britische, belgische und so weiter. Alle Gläubiger außerhalb der EU sind mit weniger als einem Prozent dabei, keine Gefahr also für die Schweizer Banken.
Seit Beginn der Rettungsaktion vor über einem Jahr hat sich die Gläubigerstruktur verändert, denn zu ihrer Freude sind viele Banken und Versicherungen in Griechenland ihre Staatsanleihen losgeworden – an die EU, die EZB und den IWF. Auch ausländische Banken haben seit September 2009 ihren Anteil an griechischen Staatspapieren um 50 Prozent oder 46 Milliarden Euro verringert. Mit jeder Finanzspritze aus dem Hilfspaket sinkt der Anteil privater und steigt der Anteil staatlicher Gläubiger. Inzwischen gehört gut ein Drittel der griechischen Staatspapiere der EU, der EZB und dem IWF. Allein bei der EZB liegt der Wert dieser Anleihen bei 50 Milliarden Euro. Bei einer Umschuldung Griechenlands würden die Zentralbank beziehungsweise ihre Anteilseigner Milliardenverluste erleiden. Ebenso der Währungsfonds, der Griechenland 42 Milliarden Dollar geliehen hat. Deshalb sind beide strikt gegen Umschuldungsaktionen, wie sie die EU-Kommission erwägt, um aus der Schuldenkrise heraus zu kommen.
Rekordzinsen von 23 Prozent
Die griechische Regierung hat gegen den wachsenden Widerstand der eigenen Bevölkerung gespart, was das Zeug hielt. Wie absehbar ist die Wirtschaft unter dieser Gewaltkur nicht gesundet, sondern geschrumpft: Minus zwei Prozent 2009, minus 4,5 Prozent 2010, für das laufende Jahr wird ein Minus von 3,5 Prozent erwartet. Immer tiefer rutscht das Land in die Rezession, die Steuereinnahmen brechen weiter ein, in den ersten vier Monaten dieses Jahres um fast zwei Milliarden Euro. Folglich steigen die Schulden des Landes, anstatt zu sinken. Bei schrumpfendem Bruttosozialprodukt steigt die Defizitquote. Von daher ist es kein Wunder, dass die griechische Regierung ihre Defizitziele im vergangenem wie in diesem Jahr nicht erreichen konnte. Darauf reagieren die Finanzmärkte mit prompter Zuverlässigkeit – inzwischen stehen die Zinsen für Griechenland auf Rekordhöhe, für zweijährige Anleihen müssten heute 23 Prozent Zinsen geboten werden. Die Rating-Agenturen haben den Bannstrahl geschleudert, Griechenlands Bonität wurde vor wenigen Tagen mit einem Schlag um drei Ränge herab gestuft. Keine Chance für die Griechen, da wieder heraus zu kommen.
Kommentare 4
Da alle wissen, dass die Griechen so schlau waren, für die Finanzierung ihres eigenen Wohlstandes so viele Schulden zu machen, dass klar ist, dass man die nicht in diesem Leben zurück zahlen kann, muss den Griechen nun endlich geholfen werden. Also, ran an die Druckmaschine, schnell das Geld gedruckt und am besten den Griechen gleich in bar in die Hände gedrückt, weil die zu ihren Banken ohnehin kein Vertrauen haben. Wenn es nicht reicht, kein Problem, dann schulden wir um. Den Monopoly -Spielern unter uns dürfte auch eine andere Lösung klar sein! Das machen wir später.
Maxi Scharfenberg
Merkwürdig, dass in deutschen Medien nur der gleiche Loop stattfindet. Haircut, raus aus dem Euro oder Pleite gehen lassen. Über den gerade stattfindenden Paradigmenwechsel kein Wort. Denn genau der ist essentiell für die Zukunft des Landes. Die verkrusteten Strukturen der Zünfte, die Korruption, der Steuerwahnsinn, die stalinistischen Gewerkschaften oder die verwöhnte griechische Jugend, die immer noch auf die “Verbeamtung” sozialisiert ist und keinerlei Eigeninitiative zeigt. Hat "der Freitag", so frage ich mich, überhaupt einen festen Korrespondenten in Athen? Der "Kommentar" des Autors jedenfalls bietet keinen Nährwert. Alles schon 100 mal gelesen. Wo genau liegt denn der "Streitpunkt"?
Kalimera sas,
das mag auf diesen Artikel zutreffen, aber einige Deutsche bemerken die Griechen, die schon lange auf die Barrikaden gehen, weil sie keine Arbeit bekommen trotz bester Ausbildung, und den Paradigmenwechsel, wie Sie es nennen. Trifft nicht auf den Großteil zu, stimmt, aber ganz ignorant sind die deutschen Medien und Menschen nicht.
Seit über einem Jahr kämpft die Europäische Union mit der Refinanzierungskrise einiger Mitgliedstaaten, der sogenannten Euro-Krise. Inzwischen wissen wir: Es ist keine Krise des Euro, es ist eine Krise des wirtschafts- und finanzpolitischen Regierens in der Währungsunion: bit.ly/k2zDWB