Keine feindliche Übernahme mehr

Kolumne FR wir FAZ: Beide Zeitungen schwimmen seit Langem auf der Woge des Konformismus – auch dort, wo dieser ekelhafte Züge annimmt
Ausgabe 10/2013

Dass die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Frankfurter Rundschau übernimmt – richtiger: das, was sie von ihr übrig lässt: 28 Redakteure – wäre vor 30, 40 Jahren undenkbar gewesen. Aber es wäre auch nicht nötig gewesen. Heute ist es nötig – aber kein Aufreger mehr. Dabei geht es der FAZ, die soeben ihre Wochenendbeilage einstellen musste, nur unwesentlich besser als der FR. Jetzt mag sie hoffen, dass es ihr mit dem neuen Geschäftsmodell noch ein paar Jahre besser geht als den Bremer Stadtmusikanten bei ihren alten Herrschaften.

In der Zeit, als es den beiden Zeitungen gut ging, waren sie Wortführer massiv konträrer politischer Vorstellungen. Es war die Zeit des Kalten Krieges. In der FR glaubten sie, der kommunistische Osten sei mit Friedensschalmeien zur Kooperation zu bringen. In der FAZ war man überzeugt, in Moskau verstehe man nur die Knute. Hinzu kam: Die mächtige Wirtschaftsredaktion der FAZ hielt die entsprechende Veranstaltung der FR für lächerlich. Das Feuilleton der FR hielt die Kultur in der FAZ für verzopft. Die FR mußte der SPD gegenüber verständnisvoll sein, aber beide Seiten werden – beim Schreiben wie beim Lesen – oft genug mit den Zähnen geknirscht haben. Die CDU musste gegenüber der FAZ still sein, auf Beschwerden von ihr gab es in der Hellerhofstraße allenfalls ein hässliches Lachen. Dabei verstanden sich die Kollegen aus den Blättern oft gut. Es gab vertrauensvolle Zusammenarbeit selbst bei so heiklen Themen wie dem Terrorismus. Es gab sogar einen kleinen gemeinsamen Stammtisch in einer Hinterhofkneipe am Oeder Weg, zu dem Robert Gernhardt einlud.

Das ist längst Geschichte. Heute hat die FR der SPD, der sie einst Stichworte lieferte, nichts mehr zu sagen. In der FAZ gibt es zwar noch einen gewissen Konservatismus, der jedoch behandelt wird wie der Familientrottel, der in ein Hinterzimmer gesperrt wird, wenn Besuch kommt. Beide Zeitungen schwimmen seit Langem auf der Woge des Konformismus, auch dort, wo dieser ekelhafte Züge annimmt. Es scheint, als seien ihnen die Themen abhanden gekommen. Die FAZ tut sich mit Schnickschnack aller Art hervor, die FR mit gar nichts. In der alten Bundesrepublik bildeten der Gegensatz von FAZ und FR idealtypisch die politische Alternative ab. Sollte es die nicht mehr geben? Sicher ist: Frankfurt ist nicht mehr das intellektuelle Zentrum der Republik und Berlin hatte noch nie Zeitungen für das ganze Deutschland. Zeitungskrise wegen der neuen Medien? Man sollte nicht alles darauf schieben.

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