Kernkraft kittet so manchen Bruch

Indien/USA Die Regierung in Delhi denkt an eine Kurskorrektur seiner amerika-freundlichen Außenpolitik. Das Land will aber trotzdem Atompartner der Supermacht bleiben

Auch wenn das Thema Afghanistan dazu führt, dass die Beziehung zwischen den USA und Indien von einer Schlechtwetterperiode in die nächste driftet, schien doch Anfang April unerwartet die Sonne. Nach neun Monaten zähem Hin und Her fiel in Washington der Startschuss für die Operationalisierung des Atomkraft-Abkommens zwischen beiden Staaten, das lange auf Eis gelegen hatte. Es war noch Präsident George W. Bush, der am 9. Oktober 2008 das Gesetz über die Lieferung von Nukleartechnologie an Indien unterschrieben hatte. Damit lief ein 30 Jahre altes Exportverbot für US-Atomtechnik nach Südasien aus und der jahrelang verhandelt Nuklearvertrag war endgültig besiegelt.

Und das, obwohl sich in den zurückliegenden Jahrzehnten jede Regierung in Delhi geweigert hatte, dem 1970 geschlossenen Atomwaffensperrvertrag (NPT) beizutreten. Begründung, die klassischen Atomstaaten hätten ihre Pflicht zur Abrüstung missachtet. Auch mache Pakistan keinerlei Anstalten, sich diesem Abkommen zu öffnen. Nichtsdestotrotz besteht nun ein weitreichendes Wiederaufbereitungsabkommen mit Indien, wie es die USA bisher nur mit der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) und Japan geschlossen haben.

Der Durchbruch kam zu einer Zeit, als sich in Delhi der Eindruck verstärkt hatte, die amerikanisch-indische Partnerschaft werde auf dem Altar des Krieges in Afghanistan geopfert. Tatsächlich ist das nicht von der Hand zu weisen, denn das Weiße Haus hat keine andere Wahl, als einer strategischen Partnerschaft mit Pakistan Priorität einzuräumen. Darauf zu verzichten, würde bedeutet, auf ein realistisches Szenario für einen Ausstieg aus dem Afghanistan-Konflikt zu verzichten.

Dehli ohne Wahl

Insofern hat Delhi keine Wahl, als über eine Kurskorrektur seiner allzu amerika­freundlichen Außenpolitik nachzudenken. Es könnte dabei die Scherben einer traditionellen Politik der Blockfreiheit einsammeln, wie sie auf die fünfziger Jahre und Jawaharlal Nehrus Vorstellungen von einer neuen Koexistenz der Nichtpaktgebundenen zurückgeht. Indiens damaliger Premierminister fand seinerzeit Mitstreiter für eine Staaten-Assoziation jenseits der Blöcke im jugoslawischen Staatschef Tito und dem indonesischen Präsidenten Sukarno. Kürzlich nun wurde bei einem Besuch von Premier Wladimir Putin ein Milliarden-Dollar-Waffengeschäfte mit Russland abgeschlossen, das auf eine vorsichtige Wiederbelebung der alten strategischen Partnerschaft zwischen Moskau und Delhi hindeutet.

Andererseits unterstreicht der Abschluss des Atom-Abkommens den besonderen Status Indiens für die Regionalpolitik der USA. Damit ließe sich das bilaterale Verhältnis vor einem ernsthaften Zerwürfnis bewahren. Den Kitt, um beiden Staaten einen Bruch zu ersparen, liefert das Geschäftsinteresse der US-Nuklearindustrie, die sich zweistellige Milliardenbeträge aus dem Kuchen des rapide wachsende indischen Kernenergie-Sektors herauszuschneiden hofft. Auf dem Subkontinent sind gegenwärtig 14 Reaktoren in Betrieb, neun weitere im Bau – nach Angaben von Experten sollen bis 2025 noch einmal 25 hinzu kommen. Um die lukrativen Verträge bemühen sich auch französische und russische Firmen – die besten Aussichten, engagiert zu werden, haben jedoch US-Unternehmen.

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