Alle warten auf die Offensive der ukrainischen Armee. Recht unterschiedlich sind die Ansichten der Militärexperten, wie sehr oder wenig erfolgreich dieser militärische Vorstoß sein wird. Klar ist allerdings das Ziel der ukrainischen Führung – es ist maximalistisch. Präsident Wolodymyr Selenskyj hat wiederholt erklärt, dass das gesamte von Russland besetzte Territorium zurückerobert werden soll. Das heißt: auch die Halbinsel Krim und die Hafenstadt Sewastopol. Seinen entsprechenden Zwölf-Punkte-Plan kann man seit April auch in deutschen Medien nachlesen. Das ist ein nachvollziehbares, aber auch ein sehr kühnes und vielleicht unmögliches Unterfangen.
In diesem Ziel wird die Ukraine von den nordischen und osteuropäischen Staaten
es Unterfangen.In diesem Ziel wird die Ukraine von den nordischen und osteuropäischen Staaten aber unterstützt, ebenso auch durch das Vereinigte Königreich. Sollte die ukrainische Armee aber militärisch in die Lage kommen, den russischen Zugriff auf die Krim in Gefahr zu bringen, warnen nicht wenige im westlichen Europa vor einer weiteren, sehr harten militärischen Eskalation. Dies deshalb, weil unbestritten ist, dass ein Verlust der Krim für die russische Führung eine desaströse Kriegsniederlage wäre. Eine Niederlage, die Präsident Wladimir Putin politisch wohl nicht überleben würde. Daher will und muss Putin ein solches Szenario unbedingt verhindern.Putin könnte auf die Bedrohung der Krim mit einer horizontalen oder, schlimmer noch, mit einer vertikalen Eskalation reagieren. Eine horizontale Eskalation wäre der Versuch, zusätzliche Länder als aktive Streitparteien in den Krieg hineinzuziehen. Die vertikale Eskalation hingegen wäre der Einsatz von taktischen nuklearen Waffen durch die russischen Streitkräfte.Einsatz von Nuklearwaffen im Bereich des MöglichenEine horizontale Eskalation kann als weniger wahrscheinlich gelten, weil die russische Armee mit einer zusätzlichen Front völlig überlastet wäre. Nicht unbedingt wahrscheinlich, aber durchaus möglich hingegen ist der russische Einsatz von Nuklearwaffen bei dem drohenden Verlust der Krim. Ziel eines solchen Einsatzes wäre, die ukrainische Führung mit diesem ultimativen Mittel zu einem Abbruch ihrer Offensive zu zwingen. Dabei ist nicht klar, ob Russland damit militärische oder zivile Ziele angreifen würde.Die Unterstützer der maximalistischen Position meinen, die immer wieder geäußerten impliziten Drohungen der russischen Führung, nukleare Waffen einzusetzen, seien nur ein Bluff. Die russische Seite wolle Angst und Verunsicherung schüren, um damit die Unterstützung der Bevölkerungen der westlichen Staaten für die Ukraine zu brechen. Der Westen solle sich nicht selbst abschrecken, argumentieren die Kriegsmaximalisten. Man könne es also darauf ankommen lassen.Es kann auch sein, dass Russland nur blufft. Aber angesichts der katastrophalen Konsequenzen eines Nuklearwaffeneinsatzes wäre es doch besser, sich nicht darauf zu verlassen, dass diese Drohung eben nur ein Bluff ist.Moralisches Dilemma angesichts eines nuklearen RisikosDaher wäre im Westen dringlich eine Diskussion darüber nötig, mit welchen Waffenlieferungen die ukrainische Armee wozu befähigt werden soll. Die westlichen Staaten betonen immer wieder, sie würden die Ukraine finanziell und militärisch unterstützen, „as long as it takes“. Aber was ist mit diesem „it“ gemeint? Ein maximalistisches Ziel, oder doch ein Verzicht auf die Rückeroberung der Krim.Kritiker werden meinen, meine Position wäre moralisch unhaltbar und würde die Souveränität der Ukraine nicht völlig anerkennen. Ich gebe zu, dass das nicht ganz unrichtig ist. Aber angesichts eines nuklearen Risikos befinden wir uns in einem moralischen Dilemma.Manche machen es sich leicht und meinen, es sei das souveräne Recht der Ukraine, ihre Ziele zu bestimmen. Aber das stimmt realistisch gesehen natürlich nicht: Die Entscheidung des Westens darüber, welche Waffen er der Ukraine liefert, bestimmt auch die für die Regierung in Kiew erreichbaren Ziele. Das ist die bittere Wahrheit.