Kind, können wir deinen Fuß posten?

Erziehung Ungefragt sollten Eltern nichts von ihrem Nachwuchs ins Netz stellen. Es braucht Konsens
Ausgabe 51/2019
Bitte schön lächeln! Und danach: Stifte raus! Die schriftlichen Einverständniserklärungen sind bereits vorbereitet
Bitte schön lächeln! Und danach: Stifte raus! Die schriftlichen Einverständniserklärungen sind bereits vorbereitet

Foto: Imago Images/United Archives

Dieses Jahr Weihnachten langweilen sich nur noch gewissenlose Subjekte sowie übelste Missachter der Rechte anderer, kleiner, ja kleinster anderer. Alle anderen haben zu tun. Denn die kennen die gerade zu Ende gehende Kampagne des Deutschen Kinderhilfswerks #DenkenFragenPosten. Da geht’s um Folgendes:

Wer sein Kind knipst, etwa wie es sich unterm Weihnachtsbaum in Kuscheleinhörnern wälzt, soll dieses süße Foto nicht sofort posten, sondern erst mal überlegen: 1) Kann das Kind zu jedem Augenblick seines zukünftigen Lebens wollen, dass just dieses Foto von ihm im Internet vorrätig ist? 2) Zeigt das Foto Persönliches oder Privates, das eigentlich nicht ins Internet gehört? Eltern, die die Frage 1 klar bejahen, Frage 2 noch klarer verneinen, dürfen zu Schritt 3 vorrücken und das Kind fragen: Gefällt dir das Foto? Denn Kinder haben das Recht, aktiv mitzubestimmen, ob, wie und mit wem ein Foto von ihnen geteilt wird. „Säuglinge oder Babys können natürlich nicht gefragt werden. Umso wichtiger ist hier eine wohlüberlegte Entscheidung“, heißt es in den Elterntipps für 0- bis 5-Jährige.

Alle bereits sprechenden Kinder sollen aber – damit sie eine wohlüberlegte Entscheidung treffen können – auch über eventuell unangenehme Konsequenzen des Postens aufgeklärt werden. „Ich finde dieses Foto deines Fußes super“, hebt man an, „aber dennoch solltest du wissen, dass es Leute gibt, die bringt so ein Fuß auf ganz ungute Ideen ...“ Die „Leitlinien zur Achtung, zum Schutz und zur Verwirklichung der Rechte des Kindes im digitalen Umfeld“ des Europarats erwähnen „Grooming oder sexuelle Belästigung“ – also das Anbahnen sexueller Kontakte im Netz. Kinder müssen, so heißt es dort weiter, in die Lage versetzt werden, Pornografie, Gewalt oder auch sexuellen Missbrauch von Kindern zu verstehen und damit umzugehen. Das gehöre zum Recht auf Bildung. Schluck!

Für weniger Bildungsversessene reicht vielleicht der Hinweis, dass sich Fotos nie, nie mehr zurückholen lassen. Sollte Ihr Hasardeur von Kind immer noch wollen, dass Sie posten, lassen Sie sich das vom Kind schriftlich geben. Danach könnte Ihr Kind richtig einwenden, dass auf dem Foto auch Oma und Onkel Bodo drauf seien und ob man die nicht auch fragen müsse. Schließlich könne denen auch was drohen: „Grooming, Oma, Grooming!“

Jetzt müssen Sie als Eltern mit gutem Beispiel vorangehen, fragen Sie Oma und Onkel Bodo, halten Sie Postinggenehmigungen bereit. Erfahrungsgemäß will Onkel Bodo seine Einwilligung nur für ein anderes Foto geben, da ist aber das Kind dagegen – und gegen ein drittes Foto, auf das sich Onkel Bodo und das Kind einigen können, sperrt sich die Oma. Haben Sie mehrere Kinder oder eine Familie, die an Weihnachtstagen aus mehr als drei Personen besteht, sollten Sie mehrmals täglich „heures fixes“ einrichten, Termine, an denen verhandelt wird, wer welche Fotos in welchen Netzwerken mit welchen Einstellungen posten darf. Nein, Omas Vorschlag, gar nichts zu posten – wie früher –, kann nicht angenommen werden, denn: „Kinder sind Teil unserer Gesellschaft, und sie müssen sichtbar sein! Und das auch im Internet.“

Onkel Bodo hat aber eine gute Idee: Wäre es nicht toll, wenn es eine App gäbe, die einem schon fertige Familien-Weihnachtsfotos zum Posten bereitstellt, mit Genehmigungen und allem Pipapo. Da ist garantiert nichts Persönliches oder Privates drauf. Kein lästiges Fotografieren, kein gruseliges Aufklären über Gefahren – nur posten!

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