Kindergeld mit Leihwagen

Wahlabstinenz Es war in der Zeit, als die Wahlkämpfer ihren Wählern den Himmel auf Erden versprachen. Dazu gehörte für Familien natürlich ein anständiges ...

Es war in der Zeit, als die Wahlkämpfer ihren Wählern den Himmel auf Erden versprachen. Dazu gehörte für Familien natürlich ein anständiges Kindergeld. Frau Glück, Mutter von vier Kindern, vernahm das und ließ alsbald die Kandidaten bei sich vorsprechen. Immerhin sind zwei ihrer Kinder auch schon wahlberechtigt.

Der Sozialist wies zunächst darauf hin, was seine Partei und der kinderliebe Kanzler bisher schon alles für die Familie getan habe, auch wenn das die Öffentlichkeit gar nicht richtig würdige. Man werde das Kindergeld auf 200 Euro pro Kind erhöhen und nach dem zweiten Kind sogar auf 250 Euro steigern. Da lasse man sich von niemandem übertreffen.

Der Christlich-Konservative schwor, nichts liege ihm mehr am Herzen als die Familie. Natürlich seien die Versprechungen der Sozis nicht finanzierbar. Trotzdem habe man einen Weg gefunden, das Kindergeld in Zukunft erheblich stärker zu erhöhen, nämlich auf 300 Euro pro Kind. Außerdem werde jeder Familie mit mehr als zwei Kindern eine Haushaltshilfe gestellt, welche die Mutter wöchentlich 15 Stunden entlaste. Frau Glück bekam große Augen.

Der Liberale versicherte, an diesen Versprechungen sehe man, wie unseriös die anderen Parteien seien, denn niemand könne das bezahlen. Es sei denn, man wähle die Liberalen, denn die fänden schon einen Weg. Selbstverständlich müsse das Kindergeld erhöht werden und zwar kräftiger als die Großparteien dies in ihrer Kleinlichkeit vorhätten. 350 Euro pro Kind, ab vier Kindern 400 Euro und ein geräumiger Mercedes dazu, das sei ja wohl das Mindeste. Aber nur, wenn auch 18 Prozent schön brav liberal wählten.

Der Grüne wollte sich nun nicht lumpen lassen, als Frau Glück ihm das erzählte. Immerhin haben in seiner Partei die Frauen das Sagen. Also versprach er ein Kindergeld von 400 Euro pro Kind. Und ein großspuriger Mercedes sei ja nun typisch für die Liberalen. Da mache man nicht mit, sondern stifte einen vernünftigen VW-Bus, nicht erst ab dem vierten, sondern ab dem zweiten Kind.

Der Kandidat von den früheren Einheitssozialisten geriet unter Druck. Und weil er ohnehin nicht damit rechnete, für Wahlversprechen zur Verantwortung gezogen zu werden, garantierte er für jedes Kind einen kostenlosen Kindergartenplatz mit Vollverpflegung und eine ständige Haushaltshilfe, mit der man auch die Arbeitslosigkeit senken werde. Durch die Auflösung der Bundeswehr habe man genügend Mittel, um jeder Familie nicht nur 500 Euro pro Kind zu zahlen, sondern auch einen geräumigen Kleinwagen, dessen Produktion in den neuen Bundesländern sofort die Konjunktur und den Arbeitsmarkt beleben werde.

"Ist das nicht toll?", sagte ich zu Frau Glück, als sie mir davon erzählte. "Bei Ihnen kommt da ganz schön was zusammen." - "Wir verhandeln noch", sagte sie. "Verhandeln?", fragte ich. "Ja, schließlich brauchen wir auch Urlaub. Die Roten haben schon vier Wochen Mallorca geboten. Der liberale Kandidat sprach von drei Wochen auf den Malediven mit Leihwagen und Tauchunterricht für die ganze Familie. Natürlich Vollpension im Fünfsternehotel. Da mussten wir lächeln, als uns die Schwarzen vier Wochen Wanderurlaub im Schwarzwald anboten, ganz abgesehen von den zwei Wochen in der Sächsischen Schweiz, die uns der ehemalige Einheitssozialist in Aussicht stellte. Ohne Leihwagen, nur Fahrräder! Aber wie gesagt: Wir verhandeln. Schließlich wollen die doch alle gewählt werden!"

"Und für wen werden Sie sich dann entscheiden?", fragte ich. "Wählen, meinen Sie? Dass ich nicht lache, wir sind doch nicht bestechlich!"

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