Kinderpornografie-Fall Florian Teichtmeister: Die Kultur des Wegschauens
Missbrauch Der österreichische Schauspieler Florian Teichtmeister muss sich wegen des Besitzes von expliziten Darstellungen von Minderjährigen im Februar vor Gericht verantworten. Teile der Branche waren nicht überrascht
Der Burgtheater-Schauspieler Florian Teichtmeister
Foto: picture alliance/Marechal Aurore/ABACA
Die österreichische Kulturbranche muss sich derzeit eine Menge Kritik gefallen lassen und allen voran die Frage, wie es eigentlich um die eigene Kultur steht. Denn nachdem bekannt wurde, dass sich der Schauspieler Florian Teichtmeister wegen Besitzes „pornografischer Darstellung Unmündiger“, wie es im Strafgesetzbuch heißt, vor Gericht verantworten muss, bleiben zwei Fragen offen: Wer hat davon gewusst? Und wie lange schon?
Florian Teichtmeister, 43, ist bekannt aus Theater, Film und Fernsehen. Er war Ensemblemitglied des renommierten Wiener Burgtheaters. Zu sehen war er in den vergangenen Jahren sowohl in Krimiserien von ORF, ARD und ZDF, als auch bei den Salzburger Festspielen oder an der Staatsoper Berlin. Im Prozess, der am 8. Februar in Wien beginnt, geht es
, geht es um 58.000 Dateien auf 22 Datenträgern, aus dem Zeitraum von Februar 2008 bis August 2021. Es handelt sich um Missbrauchsabbildungen von Minderjährigen, aber auch von Unmündigen, also Personen unter 14 Jahren. Am Freitag brachte die Staatsanwaltschaft Wien den Strafantrag ein. Es gilt die Unschuldsvermutung.Laut Michael Rami, der Florian Teichtmeister medienrechtlich vertritt, wird sich sein Mandant schuldig bekennen. Er habe stets mit den Behörden kooperiert und sei seit zwei Jahren in psychologischer Behandlung, sagt er in einem Interview mit dem ORF. Teichtmeister übernehme „die volle Verantwortung für die Vorwürfe“. Gleichzeitig betont Rami in einem Statement, dass seinem Mandanten ein „rein digitales Delikt“ vorzuwerfen sei.Für Betroffene eine Verharmlosung. Denn wer Missbrauchsabbildungen ansieht, kauft, besitzt oder verbreitet, ist Teil des Missbrauchs. Die (Re-)Traumatisierung von Betroffenen wird in Kauf genommen. Expert*innen und Betroffenenverbände kritisieren Rami vehement. Daraufhin erklärte er am Dienstag auf Twitter, dass es ihm darum gegangen sei, dass Teichtmeister nicht angelastet werde, Kinder eigenhändig missbraucht zu haben. Der Begriff „digitales Delikt“ stamme aus der Rechtswissenschaft.Das Wiener Burgtheater gab am 13. Januar in einem Statement die Entlassung von Florian Teichtmeister bekannt, er habe aber auch mit sofortiger Wirkung sein Arbeitsverhältnis beendet. Die Inszenierung von Daniel Kehlmanns Nebenan, in dem Teichtmeister die Hauptrolle hatte, wurde abgesetzt. Im Burgtheater habe man von den Ermittlungsergebnissen „mit großem Entsetzen“ aus den Medien erfahren, so die Theaterdirektion. Dass man entsetzt war, ob des Ausmaßes, das mag sein. Dass man im Burgtheater gar nichts davon wusste, ist eher unwahrscheinlich.Die Ex-Lebensgefährtin zeigte ihn anDenn bereits im September 2021 waren die entscheidenden Vorwürfe gegen Florian Teichtmeister in der Branche bekannt. Die Tageszeitungen Der Standard und die Kronenzeitung berichteten über Ermittlungen und die schweren Vorwürfe „gegen einen prominenten Schauspieler“. Aus medienrechtlichen Gründen durfte damals kein Name genannt werden. Seine Ex-Lebensgefährtin hatte ihn angezeigt. Er soll in ihrer Beziehung mehrmals gewalttätig geworden sein, sie bedroht haben. Außerdem gab sie an, dass er Missbrauchsabbildungen besäße. Im Zuge der bereits im August 2021 eingeleiteten Ermittlungen wurden Datenträger sichergestellt.Der Standard hatte in seinen ersten Recherchen auch das Burgtheater mit den Vorwürfen konfrontiert, wie Stephan Hilpold, der Leiter des Kulturressorts in einem Nachrichten-Podcast berichtet. Dennoch hat es bis zum vergangenen Freitag keine öffentlichen Konsequenzen für den Schauspieler gegeben. Es seien im Burgtheater zwar intern Maßnahmen getroffen worden – es habe Gespräche gegeben, arbeitsrechtlich und mit dem Beschuldigten selbst, so Theaterdirektor Martin Kušej im Interview mit dem Standard. Das Ergebnis davon sei gewesen, dass das Burgtheater - wie offenbar auch große Teile der Film- und TV-Branche – der Erzählung von Teichtmeister geglaubt hatte, der angab, dass seine ehemalige Lebensgefährtin ihn aus Rache beschuldigte.Aber es gab auch Leute, die Konsequenzen zogen. Bei den Ermittlungen wurden auch Collagen gefunden, in denen Florian Teichtmeister Fotos, die er offenbar von teils minderjährigen Darsteller*innen an Drehorten gemacht hatte, mit sexuellen Gewaltfantasien ergänzte, wie der Standard berichtet. Im Oktober 2021 sei Dieter Pochlatko, Produzent des Thrillers Serviam, in dem Teichtmeister den Vater einer Zwölfjährigen spielt, von einer Anwältin kontaktiert worden. Es ging um eine minderjährige Darstellerin, deren Foto bei Teichtmeister gefunden worden war. Er sollte veranlassen, dass sich Teichtmeister dieser Schauspielerin nicht mehr nähert, so Pochlatko. Als Konsequenz sei der Schauspieler außerdem von allen Listen für Promotions- und Veranstaltungsterminen gestrichen worden.Die österreichische Kulturbranche hat ein ProblemEs vergingen eineinhalb Jahre, in denen weiter Serien und Filme gedreht und ausgestrahlt, Theaterstücke geprobt und aufgeführt wurden. Einer, der sich bereits nach den ersten Berichten 2021 öffentlich von dem Schauspieler distanziert hatte, war der Filmemacher Sebastian Brauneis. Die beiden hatten in den Jahren zuvor miteinander gearbeitet. Es sei in der Branche seit der ersten Berichterstattung vielen klar gewesen, um wen es sich handelt, sagt Brauneis dem ORF am Montag im Interview.Dem Standard sagte er im Gespräch, dass es vor allem der Vorwurf der häuslichen Gewalt gewesen sei, von dem man damals bereits wusste. Er halte es heute insgesamt nur für bedingt glaubwürdig, dass Leute, die mit ihm gearbeitet haben, nichts von all dem wussten, sagte Brauneis gegenüber dem ORF. Auf die Frage, wie die Arbeitgeber*innen hätten reagieren sollen, antwortet er: „Ich kann nicht für die Branche sprechen, aber ich denke, dass eine Distanzierung bis zur Klärung, auch ein Ruhigstellen von Beschäftigungsverhältnissen, bei einem derartig schweren und sensiblen Tatbestand, wahrscheinlich das Beste ist“.Dass die österreichische Kulturbranche ein Problem mit Tätern hat, und zwar vor allem, wenn es um deren Benennung geht, das ist spätestens seit dem Sommer 2022 bekannt. Im Juni teilt die Filmemacherin Katharina Mückstein ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung in der Filmbranche auf Instagram und tritt eine Welle von #MeToo-Berichten los. So viele, dass allen klar sein müsste, dass es sich hier nicht um ein individuelles Problem handelt, sondern um ein strukturelles. Die Branche als Nährboden für Missbrauch, ermöglicht vor allem von toxischer Männlichkeit und dem Wegsehen von Kolleg*innen.„Corsage“ war Oscar-KandidatDie Frage nach dem Wegsehen muss sich derzeit auch die Filmemacherin Marie Kreutzer stellen lassen. In ihrem Historiendrama Corsage, das eigentlich von der alternden Kaiserin Elisabeth (Sisi) handelt, spielt Teichtmeister deren Mann Kaiser Franz Joseph I. Der Film ist einer der Kandidaten für den diesjährigen Auslands-Oscar. Mit 14 anderen Werken stand er auf der Shortlist, aus der am 24. Januar fünf Finalisten gekürt wurden, zu denen Corsage nicht mehr gehört. Am 12. März wird in Hollywood der Oscar verliehen. Die Dreharbeiten zu Corsage waren bei den ersten Berichten über Ermittlungen gegen Florian Teichtmeister bereits beendet und auch hier habe Teichtmeister „glaubhaft versichert“, dass die Gerüchte falsch seien, heißt es in einem Statement der Regisseurin und den Produzent*innen.An Corsage als Oscar-Kandidaten wurde erstmal weiter festgehalten, wie Alexander Dumreicher-Ivanceanu, der Obmann des Fachverbandes Film- und Musikwirtschaft, bekannt gab. In Österreich hat die Cineplexx-Gruppe den Film bereits aus dem Programm genommen. Ein Punkt, der in einem offenen Brief Kulturschaffender kritisiert wird. Darin wird ein angemessener Umgang mit Werken eingemahnt: Es sei eine Gratwanderung, „die Opfer zu schützen, die Täter nicht zu schonen und dennoch die Arbeit vieler Unbeteiligter nicht in Kollektivhaftung zu nehmen“. Unterschrieben wurde der Brief etwa von Elfriede Jelinek, Ruth Beckermann, David Schalko, Eva Menasse und diversen Fachverbänden. Man widerspricht auch dem Punkt, die Vorwürfe gegen Teichtmeister sei seit Herbst 2021 in der Branche allen bekannt gewesen.Brauneis sagt im ORF zum Festhalten an Corsage bei den Oscars: „Ich bin der Meinung, das ist problematisch, weil der Film sich selbst einer Missbrauchsthematik widmet. Zugleich ist der Film – ob er will oder nicht – ein Forum für jemanden, der Missbrauch gestanden hat“. Wenn ein Film, der auch mit Steuergeldern finanziert wurde, ein so großes Forum bekomme wie hier, dann würde es ja auch ein Stück weit das Land Österreich repräsentieren.Ein weiterer Name kursiert in der Branche„Heute Abend wird ein Täter auf der Bühne stehen und bejubelt werden. Und es gibt nichts, was wir dem entgegensetzen können“, schrieb Katharina Mückstein am 18. Juni 2022 auf ihrem Instagram-Profil. Es war der gleiche Abend, an dem Corsage Filmpremiere im Wiener Gartenbaukino feierte.Im Nachhinein wäre es naheliegend zu vermuten, dass Mückstein damals von Florian Teichtmeister sprach. Doch Mückstein schreibt auf Instagram, dass sie nicht ihn gemeint habe. Der Vorwurf, der nun ebenfalls im Raum steht: Ein anderer Darsteller von Corsage sei wiederholt durch sexuelle Belästigungen auffällig geworden, allerdings nicht am Filmset von Corsage. Auch dieser Name kursiert seit Monaten in der Branche, aber auch hier ist es medienrechtlich nicht möglich, den Namen zu nennen.Es wird nicht das letzte Mal sein, dass die österreichische Schauspielbranche durch ihre mutmaßlichen Täter im Rampenlicht steht. Man täte gut daran, offensiv die eigene Rolle zu reflektieren. Allen voran könnte man sich jetzt etwa die Frage stellen, wieso so viele so leicht dem Narrativ der rachsüchtigen Ex-Freundin aufgesessen sind. Und natürlich, ob der Vorwurf der häuslichen Gewalt gegen Teichtmeister, der, wie der Schauspieler Sebastian Brauneis dem Standard sagte, bereits vor den Ermittlungen bekannt gewesen sei, nicht schon hätte reichen müssen, um Konsequenzen zu ziehen.
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