Klägliche Bilanz

Ein Jahr Florian Gerster Der große Aufbruch in der Bundesanstalt für Arbeit ist ausgeblieben

Florian Gerster schaut eigentlich aus wie der typische Angestellte, der genau in den Betonklotz der Bundesanstalt für Arbeit passt. Auch deshalb hat er seine Nürnberger Gespräche in den altehrwürdigen Nürnberger Rathaussaal verlegt. Dort dürfen dann illustre Redner wie zuletzt Bert Rürup ihre Wahrheiten verkünden, die auch die seinen sind: Die Lohnnebenkosten sind zu hoch. Und wäre das nicht so, dann wäre »Arbeit ist für alle da«. So der Titel seines Buches.

Natürlich hat Gerster sich von seiner Führungsakademie im beschaulichen Lauf bei Nürnberg einiges vordenken lassen, wie auch vom hauseigenen Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung. Ergebnis: Der Umbau der Bundesanstalt für Arbeit kann zwar seinen Teil zum Abbau der Arbeitslosigkeit leisten, aber nicht das Problem selbst lösen. Trotzdem schaut man seit jenem Februar 2002, als der große Vermittlungsskandal das aufdeckte, was jeder, der selbst schon mal arbeitslos war, längst wusste, auf die Nürnberger Bundesanstalt und ihren mal vorpreschenden, mal verhaltenen Chef. Nur was kann Gerster, der sich gern als »ordnungspolitisches Gewissen der deutschen Sozialpolitik« bezeichnet, tatsächlich leisten?

Im eigenen Hause hat er zunächst den Vorstand reformiert, der nicht mehr wie ein Verwaltungsrat, sondern unternehmerisch denken und handeln soll. Das kann er natürlich nur, wenn er die entsprechenden Bedingungen vorfindet. Und so wurden als erstes die Vorstandsräume für 1,7 Millionen Euro umgestaltet. Gerster selbst hatte sich zum Amtsantritt ganz unbescheiden eine Verdopplung des Gehaltes verordnet. Das sei auch auf Widerstände bei den Mitarbeitern gestoßen, sagt Pressesprecher Eberhard Mann. Aber zunehmend gelinge es dem Vorstand, die Angestellten für den Umbaukurs zu begeistern. An der Basis, in den Arbeitsämtern, klingt das freilich anders. Neue Informationen werden häufig nur der Presse entnommen. »Wir erleben dann die Überraschungen,« meint ein Arbeitsberater, der ungenannt bleiben will.

Entscheidend für Gerster ist der Vermittlungserfolg. Nur wenn es gelingt, die Zahl der zu betreuenden Arbeitslosen pro Vermittler drastisch zu senken, wird die Bundesanstalt dieses Ziel erreichen. Bislang ist allerdings wenig geschehen. Noch immer kommen 700 bis 800 »Klienten« auf einen Vermittler. Um so notwendiger ist für Gerster die Befreiung der Bundesanstalt von sachfremden Aufgaben. Sprachkurse für Spätaussiedler etwa oder die Bekämpfung von Schwarzarbeit will er loswerden. Wer wollte ihm widersprechen?

Weshalb aber ausgerechnet die Weiterbildung als wichtige Voraussetzung für spätere Vermittlungen erheblich gekürzt wird, ist dagegen nicht nachzuvollziehen. Friedrich Sendelbeck, Mitglied im Verwaltungsausschuss des Arbeitsamtes Nürnberg, hält die neue Praxis, nur noch Gutscheine herauszugeben, mit denen die Leute an einem Kurs teilnehmen können, für kontraproduktiv, weil sie nur zu gut einem Drittel eingelöst werden. So sorgt die Bundesanstalt bei den Trägern der Weiterbildung nur für neue Entlassungen. Letztlich gehe es Gerster darum, die Arbeitsämter nur auf reine Vermittlungsaufgaben zu beschränken, meint Friedrich Sendelbeck. Gerster habe gar nicht begriffen, worin das Versicherungsprinzip besteht und welche legitimen Ansprüche den Arbeitslosen zustehen. So werde eine Entwicklung eingeleitet, bei der am Ende sogar die Arbeitslosenversicherung insgesamt zur Disposition stehen könne.

Selbstverständlich ist Florian Gerster nicht für die Fehler der Wirtschaftspolitik verantwortlich, die sich in den schlechten Arbeitsmarktbilanzen zeigen, die er zu präsentieren hat. Ebenso wenig ist ihm vorzuwerfen, dass die von der Bundesregierung entworfenen Hartz-Instrumente für die Schaffung neuer Arbeitsplätze keine Lösungen bieten. Aber von einem Vorstandschef der Bundesanstalt für Arbeit, der behauptet, dass die »Grundfrage des Sozialstaats neu gestellt werden muss,« darf man mehr erwarten als eine angebliche Klimaverbesserung im eigenen Hause und die Beschränkung des Leistungskatalogs der Arbeitsämter.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden