Klare Haltung

Nachruf Zum Tod von Frank Unger

Am 19. Mai starb völlig überraschend Frank Unger. Die Entscheidung über die demokratische Präsidentschaftskandidatur in den USA erlebte er nicht mehr. Wie kaum ein zweiter war er mit dieser Kontroverse vertraut, lieferte unablässig Analysen über den Machtkampf innerhalb der Demokraten und förderte Hintergrundinformationen zu Tage, wo die meisten nur persönliche Gegensätze sehen konnten.

Die USA waren es, die Frank Unger sein Leben lang in ihrem Bann hielten, bereits als junger, in Berlin gegen den Krieg in Vietnam protestierender Student bis hin zur vorsichtig optimistischen Bewertung Barack Obamas in seinen letzten Artikeln. Als Professor für Politikwissenschaften und als Marxist, was er - im Gegensatz zu so vielen anderen 68ern - Zeit seines Lebens blieb, sah Frank Unger genauer hin und blickte tiefer als andere. Er war ein hervorragender Kenner der widersprüchlichen und von harten Kämpfen um soziale Gerechtigkeit und gegen Diskriminierung durchzogenen Geschichte der USA. Wer heute etwas über die Rolle der Religionen dort oder über die Aktualität der aggressiven Menschenrechtspolitik eines amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson erfahren will, wird in seinen Büchern und Artikeln fündig. Eine ganze Reihe dieser Beiträge erschien im Freitag. Wieder und wieder wies er nach, wie sich in der US-amerikanischen Außenpolitik alles, aber auch alles ums Öl dreht.

Da war es kein Wunder, dass es einem wie ihm schwer gemacht wurde im akademischen Leben, zumal im Kalten Krieg und dann auch noch im Westberlin der siebziger und achtziger Jahre. Berufliche Anerkennung wurde ihm eher woanders zuteil, als Gastdozent an der University of Oregon und an der University of British Columbia in Kanada, wo er jeweils für Jahre unterrichtete. In der letzten Zeit arbeitete er als Dozent am John F. Kennedy Institut der Freien Universität Berlin.

Frank Unger liebte die Menschen und die Kultur jenes von ihm so grundsätzlich kritisierten Landes. Kaum etwas ließ ihn deshalb wütender werden als jene so leicht hingeworfene Behauptung einer in den Staaten doch eigentlich fehlenden Kultur. Wer ihn einmal dort besuchte, konnte erleben, wie ihn die amerikanische Lebensweise geprägt hat und wie sie ihm behagte: Das Haus mit Pool, das bequeme große Auto, die Musik, etwa die der Eagles, der allgegenwärtige Sport, die Weite der Landschaft, die Offenheit ihrer Menschen. Dann gab es aber auch Gedichte von Bert Brecht und Peter Hacks auf seinem Nachttisch. Für Frank Unger gab es da keine Widersprüche. Er konnte genießen.

In seiner Trauerrede kennzeichnete ihn Wolf-Dieter Narr als einen Menschen, der mit einer Haltung durchs Leben ging. Besser kann man es nicht beschreiben. Für seine klare und konsequente Haltung brauchte er keine Stütze, etwa in Form einer Partei. Zwar war er in den neunziger Jahren eine Zeit lang Mitglied der SPD und trat unter anderem an der Seite von Horst Grabert gegen die Militarisierung in der deutschen Außenpolitik und leider auch in der Sozialdemokratie ein. Er verließ aber diese Partei, ohne Aufsehen zu erregen, als sich dieser Kampf als vergeblich erwies. Der neuen linken Partei stand er offen, solidarisch, aber auch kritisch gegenüber, da er genau beobachtete, wie sich auch dort allzu viele allzu schnell, mit dem Zeitgeist gehend, von für ihn weiterhin wichtigen Wahrheiten verabschiedeten. Da blieb Frank Unger sich und seinen Idealen lieber treu.

Treu und aufmerksam war er auch gegenüber jenen Menschen, die er einmal für sich gewonnen hatte, und die sich ihm im Geiste verwandt erwiesen. Zu diesen Menschen zu gehören, hatte ich das große Glück.

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