Kleine Nadelstiche

Buchauszug Meine Eltern hatten nie die Chance auf gute Bildung. Immer noch fühle ich mich angegriffen, wenn auf Menschen wie sie herabgeschaut wird
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 38/2019
Bottrop, Anfang der Siebziger. Dies ist nicht Michael Steinbrecher. Dies ist ein Lebensgefühl
Bottrop, Anfang der Siebziger. Dies ist nicht Michael Steinbrecher. Dies ist ein Lebensgefühl

Foto: Werner Otto/Imago

Wann ist unsere Würde in Gefahr? Viele von uns haben die Angst, irgendwann anderen Menschen und Situationen ausgeliefert zu sein. Nur noch als Nummer im System gesehen zu werden, abgestellt in irgendeinem Krankenhaus oder Pflegeheim. Kaum beachtet, nicht mehr als Person wahrgenommen, sondern zum reinen Pflegeobjekt degradiert. Andere beschreiben auch die Situation auf Ämtern als entwürdigend, weil sie sich dort – so formulieren es beispielsweise Hartz-IV-Empfänger immer wieder wörtlich – „ausziehen“ müssen. Ungeachtet der Frage, wodurch dieses Empfinden hervorgerufen wird: Was steckt in diesem Begriff? Sie haben das Gefühl, dazu gezwungen zu werden, Intimes preiszugeben. Sie empfinden Scham, fühlen sich als Objekt und bloß