Im Juni 2020 hat das UN-Klimasekretariat die internationale Kampagne „Race to Zero“ ausgerufen. Ihr Ziel: die CO2-Emissionen bis 2050 auf Netto-Null zu senken, also Klimaneutralität zu erreichen. Dem haben sich zahlreiche Unternehmen, Investoren, Städte und Regionen angeschlossen. Insgesamt decken sie fast ein Viertel der globalen CO2-Emissionen und über die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts ab. Doch was heißt Klimaneutralität? Netto-Null meint ja eben nicht null Emissionen, sondern nur den Ausgleich von Emissionen durch „negative Emissionen“, durch Zertifikatehandel und Kompensation. Ist dieser Ansatz der „Klimaneutralität“ dann überhaupt ein taugliches Klimaschutz-Instrument? Eva Rechsteiner hat gehörige Zweifel.
der Freitag: Frau Rechsteiner, die Begriffe „klimaneutral“ und „Klimaneutralität“ sind seit einiger Zeit allgegenwärtig. Man kann klimaneutral bei Shell tanken, klimaneutrale Milch im Supermarkt kaufen, und fast täglich bekennt sich ein weiterer Staat, ein Unternehmen oder eine Stadt dazu, in wenigen Jahrzehnten klimaneutral zu werden. Wird Klimapolitik jetzt endlich ernst genommen?
Eva Rechsteiner: Nein, das sind nur Versprechungen für eine ferne Zukunft. Wenn die EU und China in 30 beziehungsweise 40 Jahren wirklich keine CO2-Emissionen mehr ausstoßen möchten, müssten sie jetzt schon ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen ergreifen. Das passiert aber nicht.
Also wäre es besser, die Klimaneutralität oder die „Netto-Null-Emission“ schon bis 2025 beziehungsweise bis 2035 zu erreichen, wie das die neuen klimapolitischen Bewegungen Extinction Rebellion beziehungsweise Fridays for Future fordern?
Die Forderungen nach vorgezogenen Zielen sind gut, da sie den Druck auf die Politik erhöhen, reichen aber auch nicht. Denn das Problem ist das Ziel Klimaneutralität an sich. Es baut darauf auf, dass Treibhausgase Priorität haben vor Biodiversität, sauberer Luft und Wasser, Lärmschutz und Gesundheit. Andere Indikatoren wie Geschlechtergerechtigkeit und Ressourcenschonung werden zu „co-benefits“ heruntergestuft.
Was ist schlecht daran, wenn das Tanken mit einem Beitrag verbunden ist, der die Aufforstung von Wäldern in Peru oder Indonesien finanziert, wodurch Emissionen ausgeglichen werden?
Es besteht die Gefahr, dass die Emissionen zwar bilanziell, sprich: auf dem Papier gesenkt werden, ohne aber in der Realität weniger geworden zu sein. Nehmen wir das Beispiel Aufforstung. Hier stellt sich die Frage der Dauerhaftigkeit. Wenn der Wald zyklisch abgeholzt und wieder neu aufgeforstet wird, ist der Wert der Bilanz null. Außerdem ist ein aufgeforsteter Wald anfälliger für Waldbrände, Dürre und Schädlinge als ein langsamer und natürlich gewachsener Wald. Dadurch besteht die Gefahr, dass der Wald schnell wieder zerstört und das gebundene CO2 wieder frei wird. Eine Senkenwirkung ist damit immer nur temporär. Und es kommt noch etwas anderes hinzu: Es gibt viele Beispiele dafür, dass Aufforstungsprojekte von Unternehmen oder Staaten im Globalen Norden Landnutzungsrechte von indigenen Völkern in Frage stellen. Teils werden sie vertrieben.
Konzerne und Staaten rechnen sich ihre Klimabilanz also einfach schön, ohne dass Emissionen tatsächlich verringert werden?
Ja, diese Gefahr besteht. Das Hauptproblem der Klimaneutralität ist, dass Staaten oder Unternehmen mit ihr ein Instrument gefunden haben, mit dem sie Emissionen vor Ort nicht oder nicht relevant senken müssen, sondern sie durch eine vermeintliche Reduktion in anderen Ländern – meist im Globalen Süden – „neutralisieren“ können. So setzen Unternehmen wie Daimler oder Audi zur Erreichung der Klimaneutralität größtenteils auf eine Verrechnung der Kohlendioxid-Emissionen mit Ausgleichszertifikaten oder Ökostrom. Bilanziell führt dies zu „Netto-Null“-Emissionen, während vor Ort immer noch genauso viel Kohlendioxid ausgestoßen wird. Die CO2-Einsparung durch sogenannte Kompensationsprojekte in anderen Ländern ist zudem deutlich geringer, als suggeriert oder berechnet wird.
Zur Person
Eva Rechsteiner hat Politikwissenschaft in Passau sowie Umwelt- und Energiemanagement an der Universität Twente in den Niederlanden studiert. Sie arbeitet seit 2014 am Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg, im Bereich „Kommunaler Klimaschutz“. Ihr Schwerpunkt sind die Energie- und CO2-Bilanzierung von Städten und die Umsetzung von lokalen Klimaschutzkonzepten. Sie engagiert sich in der Klimagerechtigkeitsbewegung und berät Fridays for Future
Kritik an den sogenannten Kompensationsprojekten oder am Offsetting gibt es schon länger.
Allerdings. Immer wieder zeigen Studien, dass viele Projekte auch ohne Kompensationsinvestitionen umgesetzt worden wären. Die Kompensationsmaßnahmen erfüllen also selten das Kriterium der Zusätzlichkeit. Manche Projekte wurden bereits vor Jahren umgesetzt und im Nachhinein angerechnet, oder Emissionen wurden im Vorfeld künstlich nach oben getrieben. Kompensationsprojekte führen somit selten dazu, dass Emissionen eingespart werden, aber häufig dazu, dass Menschen im Globalen Süden von Industrieländern weiter bevormundet werden.
Aber es gibt doch auch zertifizierte Kompensationsprojekte, die genau das ausschließen wollen.
Die gibt es. Der Goldstandard ist zum Beispiel eine Zertifizierung, die den Ausschluss von Großprojekten wie Staudämmen, Aufforstungs- oder Industriegasprojekten und die Forderung nach Zusatznutzen wie Einkommenssteigerung oder Biodiversität beinhaltet. Aber auch bei Projekten mit hohem Standard liegt der CO2-Preis pro eingesparter Tonne laut Umweltbundesamt nur bei zwei bis 23 Euro pro Tonne. Um die tatsächlichen Umweltfolgekosten zu internalisieren, ist dies viel zu niedrig. Das Umweltbundesamt empfiehlt 195 Euro pro Tonne. Und hinzu kommt: NGOs wie Friends of the Earth, Climate Justice Now oder das World Rainforest Movement kritisieren auch zertifizierte Kompensationsprojekte als „Feigenblatt im Kohlenstoffmarkt“. Sie würden eingefahrene Muster des Kapitalismus, Kolonialismus und des Patriarchats aufrechterhalten.
Verstehe ich Sie richtig? Klimaneutralität ist nur Greenwashing und ein besonders raffinierter Mechanismus, um die Ausbeutung des Globalen Südens durch den Globalen Norden aufrechtzuerhalten?
Zugespitzt könnte man es so nennen. Auf jeden Fall suggeriert das Erreichen des Klimaneutralitäts-Ziels, dass wir unsere imperiale Lebensweise und unser Konsumniveau fortführen können wie gehabt. Statt sich um CO2-Reduktionen vor Ort zu bemühen, wird bilanziert und kompensiert – oft auf dem Rücken der Menschen im Globalen Süden, die ja schon von den Folgen des Klimawandels ungleich stärker betroffen sind als wir im Norden. Mit den Prinzipien der Klimagerechtigkeit ist die „Klimaneutralität“, wie sie derzeit umgesetzt wird, quasi unvereinbar.
Quasi?
Nun, wenn klare Kriterien aufgestellt werden, die den Missbrauch der Klimaneutralität verhindern, sieht es natürlich etwas anders aus. Ein gutes Beispiel dafür ist der Antrag der örtlichen Fridays-for-Future-Gruppe an den Konstanzer Gemeinderat, der den Ausschluss von Kompensationsprojekten im Globalen Süden und enge territoriale Systemgrenzen vorsieht. Auch die Ortsgruppe in Münster hat bereits Kriterien zur Klimaneutralität aufgestellt.
Wie kommt es, dass der Begriff der Klimaneutralität so selten kritisch hinterfragt wird und sich selbst Fridays for Future und Extinction Rebellion überwiegend positiv auf ihn beziehen?
Oft fehlt das notwendige Hintergrundwissen. Damit man die Schlupflöcher der Klimaneutralität versteht, muss bekannt sein, wie Staaten, Kommunen und Unternehmen ihre Klimabilanz errechnen. Das zeigt auch das Beispiel Ökostrom. Den beziehen viele Bürger*innen und denken, dass es sich um Strom aus erneuerbaren Energien handelt. In Wirklichkeit steckt dahinter ein europäischer Zertifikatehandel, der in keiner Weise den Ausbau erneuerbarer Energien fördert. Und Netto-Null-Emissionen klingt ja auch erst mal so, als würden Emissionen reduziert werden.
Müssten Fridays for Future und Extinction Rebellion also ihre Forderungen umschreiben? Sollten Klimagerechtigkeitsgruppen in Zukunft die Kritik an der Klimaneutralität ins Zentrum ihrer Arbeit rücken?
Die Maßnahmen, für die wir uns entscheiden, orientieren sich an unseren Zielen. Setzen wir das Ziel der Netto-Null-Emissionen, ergreifen wir Maßnahmen, die vornehmlich die CO2-Reduktion anvisieren. Und das läuft derzeit verstärkt auf Kompensation oder Carbon Capture and Storage (CCS), also auf die Entziehung von Treibhausgasen aus der Atmosphäre, hinaus. Wählen wir andere Ziele – etwa das Ziel der Defossilisierung –, würden sich unsere Maßnahmen verstärkt auf die Reduktion von fossilen Energien konzentrieren – ohne Schönrechnerei.
Ist es nicht auch logisch unmöglich, das Prinzip der Klimaneutralität zu verallgemeinern? Man kann doch nicht auf Kosten des Auslands klimaneutral werden, wenn alle Staaten und Konzerne klimaneutral werden müssen.
Wenn alle Staaten über Kompensation klimaneutral werden wollen, braucht es ein Außen. Denn wo sollte das letzte Land, das noch Emissionen hat, seine Emissionen kompensieren? Möglich wäre es nur, wenn Carbon Capture and Storage eingesetzt wird. Dadurch können „negative“ Emissionen angerechnet werden. Allerdings ist CCS ein energieintensives und sehr teures Verfahren, das Kohlendioxid aus Produktionsanlagen abscheidet und es unter hohem Druck unterirdisch ablagert. Neben dem erhöhten Energieaufwand für die Abscheidung, den Transport und die Speicherung entstehen zudem Risiken für das Grundwasser und den Boden, vor allem durch Leckagen von CO2. Und auch hier zeigt sich: Klimaneutralität setzt auf End-of-Pipe-Techniken, bekämpft nur die Symptome und ist damit ein begrenzter Ansatz dafür, das viel größere Problem anzugehen: mit der Verbrennung von fossilen Brennstoffen aufzuhören.
Kommentare 16
Prinzipiell ist sicher vieles richtig, was hier beschrieben wird. Allerding eben nicht ganz. Ob zum Beispiel das wirkungsvolle(!) kompensieren 23 EUR kostet oder 195 EUR hat nichts mit der Wirkung zu tun. Die EU hat 195 EUR für Umweltfolgekosten NICHT kompemnsierter Emissionen vorgeschlagen. Wenn es nun (in begrenztem Maße) sehr günstige Möglichkeiten gibt CO2 aus der Atmosphäre zu bekommen, dann sollten wir die sofort massiv nutzen. Sehr viel geht zum Beispiel in der Landwirtscchaft (siehe z.B. https://www.indigoag.com/pages/news/indigo-launches-terraton-initiative )Seien wir ehrlich: Wir kommen um diese Kompensations-Projekte nicht herum. So schnell wie es nötig wäre - praktisch sofort - bekommen wir die Emissionen nicht massiv herunter weil wei Welt zu träge ist. Also MUSS sofort soviel wie mögilch kompensiert werden. Vielleicht auch für alle verbrannte Kohle? Siehe Offset Coal 2025 )Auf jeden Fall ist die reisserische Überschrift „Klimaneutralität gibt es nur auf dem Papier“ nicht ein Statement welches sonderlich konstruktiv ist oder uns weiter bringen würde.
Wichtige und richtige Einwände von Eva Rechsteiner. Vielen Dank.
Es besteht die große Gefahr, daß Klima-Neutralität zur buchhalterischen Übung wird, eine Art Soll und Haben – Rechnung, über die sich trefflich diskutieren läßt, ohne wirklich an die Ursachen heranzugehen.
Dies ganz besonders im Zusammenhang mit Mitigation-Konzepten, die auf unrealistische technologische Innovationen hoffen und bauen.
Zeitverschwendung.
Letztendlich muß wahrscheinlich alles auf dasselbe hinauslaufen:
Reduzierung der CO2-Emissionen (kohlenstoffarme Wirtschaft) durch Änderung der Energiequellen und Setzen der Industrieprozesse auf Null-Emission.
Dafür gibt es augenblicklich nur drei ernsthafte Integrierte Strategien:
Power down (powerdown), e.g. https://en.wikipedia.org/wiki/Power_Down
Permaculture, e.g. https://en.wikipedia.org/wiki/Permaculture
Community-based Organizing, e.g. https://en.wikipedia.org/wiki/Community_organizing
Es gibt viel zu tun.
System. Change. Now.
Vieles, was hier gesagt wird, mag durchaus richtig sein. Trotzdem halte ich solche Diskussionen für vollkommen kontraproduktiv.
Diese Kompensationsmodelle mögen alles andere als perfekt, und in manchen Fällen sogar fragwürdig sein. Doch durch viele zusätzliche Regulierungen hier viel Energie, Aufwand und Aufmerksamkeit zu investieren, halte ich für Zeitverschwendung.
Dazu ist dieser Bereich in der großen Rechnung der weltweiten CO2 Emmission ein viel zu kleiner Faktor. Weder Aufforstungsprojekte noch CO2 captioning oder ähnliche Projekte zur aktiven CO2 Reduzierung haben eine potentielle Größenordnung, die global wirksam genug wäre, die mit dem Bevölkerungswachstum eingehenden Anstieg auch nur annähernd zu kompensieren.
Es gibt tausend andere Dinge, die weit wichtiger sind.
Ich stimme da vollkommen zu. Was noch hinzuzufügen wäre, ist eine Abschätzung der Zeiträume in denen dieser Wandel mit den Gesellschafltichen Widerständen die man überall beobachten kann zu bewerkstelligen ist. Wie lange dauert das denn? Meine Einschätzung ist, dass wir bzgl. Klimawandel schon so viel Zeit verloren haben, dass wir jetzt Zwischenlösungen wie die diskutierten Kompensationsprojekte unbedingt brauchen, sonst fährt die Sache gegen die Wand. Das CO2-Budget für 1.5 Grad ist schon sehr bald aufgebraucht...
Das globale Bevölkerungswachstum liegt bei ca. 1% und findet vor allem dort statt, wie Ressourcenverbraucht und Emissionen pro Kopf niedrig sind.Gleichzeitig haben wir ein globales Wirtschaftswachstum (und damit Ressourcenverbrauch) von ca. 3% - das findet vor allem dort statt, wo das Bevölkerungswachstum eher klein ist. Daraus resultiert, dass Wirtschaftswachstum klar das grössere Problem ist als Bevölkerungswachstum.Zum Thema was Kompensationsprojekte bringen können, empfehle ich z.B: diese Podcast-Episode: Outrage+Optimism: 39. Science! Leadership! Action! (Dieser Podcast ist ohnehin uneingeschränkt zu empfehlen)
Das ist nicht ganz präzise und verkennt vor allem den nichtlinearen Zusammenhang von Wirtschaftswachstum und CO2 Emissionen. Denn während in den westlichen Ländern trotz Wirtschaftswachstum die CO2 Emissionen stetig zurück gehen, schlägt das Wirtschaftswachstum von quasi null auf bescheidenes Wohlstands-Niveau in den Entwicklungsländern überproportional durch. Das kann man vor allem bei China mit aller brutalen Wucht beobachten. 2000 waren die Emissionen noch halb so hoch wie die der USA, in 2020 sind sie mehr als doppelt so hoch. Und bei Indien zeichnet sich bereits eine ähnliche Dynamik ab. Und die Bevölkerung dieser Länder wird sich voraussichtlich in den nächsten Jahrzehnten nochmal verdoppeln.
Ob Deutschland seine heute 3% (die allein durch den Anstieg in Asien von alleine arithmetisch weiter abnehmen wird) an den weltweiten Emissionen jetzt halbiert oder ganz kompensiert ist angesichts dieser Dynamik reine Korinthenkakerei.
Ja, da ist sicherlich viel dran. Noch zu berücksichtigen wäre, das China und viele andere einen Großteil der Emissionen erzeugen weil wir unsere Produktionsprozesse dorthin ausgelagert haben. Je mehr wir hier konsumieren, desto höher sind die Emissionen dort drüben.
Hello @Ulf01. Guten Tag.
Es mag sein, daß dieser Versuch einer globalen Bilanzierung, national und regional heruntergerechnet, ein paar Vorteile hat.
Insgesamt, als strategische Hauptstoßrichtung zur Klima-Anpassung ist diese Methode jedoch viel, viel zu schwach und mangelhaft.
... Eine attraktive Pseudolösung für ein Land der Buchhalterseelen. (... oder vielleicht für BWL/VWL Kurse).
Praktische Schritte sind dringend angesagt, z.B.:
- Umorientierung des Katastrophenschutzes
- Rationierung der fossilen Brennstoffe
- Lokale Land-Stadt Märkte for Nahrungsmittel
- Stärkung der Orts- und Gemeindeverwaltungen
Und das mit einer gewissen Schnelligkeit.
Anderenfalls: Selbstmord auf Raten.
https://www.theguardian.com/environment/2021/feb/18/human-destruction-of-nature-is-senseless-and-suicidal-warns-un-chief
Ja, das spielt gewiss auch eine Rolle. Und ich denke ja auch, dass wir im Grunde alle unseren Ressourcenverbrauch auf den Prüfstand stellen müssen.
Was ich vor allem an den Diskussionen in Deutschland kritisiere, ist, dass wir uns zu oft völlig in Dinge verzetteln, die in ihrer globalen Gesamtwirkung völlig nebensächlich sind, und zudem entweder absurd viel Geld kosten oder gewaltigen regulatorischen Aufwand erfordern, und damit gerade für jene Schwellenländer, auf die es ankommt, völlig unpraktikabel sind.
Auf der Erkenntnis, dass eine Senkung der CO2-Emmission in Ländern wie der BRD am globalen Ausstoss nicht sehr viel ändert, kann man sich trefflich ausruhen: „Wir können ja eh nichts ändern“. Das ist natürlich bequem und funktioniert, solange die Themen Klima, Umweltschutz, Artenschutz, Gesundheit monothematisch, ohne Zusammenhänge behandelt werden.
Betrachten wir zum Beispiel mal die Massentierhaltung. Eine Flächenbindung, in dem Sinne dass nur so viele Tiere gehalten werden, wie von der vorhandenen Landfläche ernährt werden können, würde dazu führen dass Fleisch & Milch nur noch für den Inlandsbedarf produziert werden können. Mit dem Wegfall der Futtermittelimporte würde CO2 eingespart, das Ende des Exportes von Fleisch und Milchprodukten würde noch mal Emmisson verringern. Man kann das als angestrebte Hauptwirkung, oder als Nebenwirkung, wenn im Vordergrund die Ernährungsqualität steht. Diese dient der Gesunderhaltung, spart Medikamente, entlastet die Krankenkassen und verbessert das Wohlbefinden. Es lohnt sich also auf jeden Fall, unabhängig von der CO2-Emmission. Man kann viele Beispiele dafür finden, dass CO2-Reduzierung Hauptwirkung oder Kollateralnutzen sein kann, anderes Beispiel: weitgehende Verlagerung von Verkehr & Transport auf Schienen: Deutlich geringerer Energieverbrauch pro Personen-/Tonnenkilometer, was den Umstieg zu 100% emmisions- und strahlungsfreie Erzeugung von Elektroenergie erleichtert; die geringere Unfallrate spart Ressourcen und Energie für Instandsetzung; der freiwerdende Teil der Verkehrs-und Parkplatzflächen könnte deasphaltiert und begrünt werden, was das Stadtklima verbessert und der Gesundheit nützt usw.
Auf jeden Fall würde die bei Deutschen so beliebte Oberlehrerattitüde im Ausland weniger lächerlich wirken wenn wir als leuchtendes Beispiel voranschreiten könnten.
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Entwicklungsziele (Beispiele, kein allumfassendes Patentrezept:
Industrie: Möglichst lange Haltbarkeit der Produkte, leichte Reparierbarkeit, möglichst leichte Rohstoffrückgewinnung im Falle der Verschrottung, Energieeffizienz bei allen Geräten & Maschinen
Landwirtschaft: Gesunderhaltende, schmackhafte Nahrungsmittel, Bodenfruchtbarkeit und Artenvielfalterhaltende Anbaumethoden, keine industrielle Tierhaltung. Subventionen sind auf diese Ziele auszurichten.
Sozial: Leben in Gesundheit/Wohlbefinden/Lebensfreude für Alle, „materielle Suffizienz“
Es wurde dazu schon viel gesagt & geschrieben, hochvernünftige Vorschläge, und es gibt ein paar konkrete Lösungsansätze, aber kein gesamtgesellschaftliches Konzept mit solcher Zielrichtung, nicht mal Konsens. Allenfalls kleine Schritte, oft nur Symptom- statt systemischer Behandlung der Probleme, bei Weitem nicht was möglich wäre. Widerstände sind mächtiger als Fortschrittswillen, stellen wir immer wieder fest.
Was getan werden kann, um die Erwärmung des Erdklimas wirkungsvoll zu bremsen ist also bekannt. Warum geschieht, was geschehen könnte, nicht als umfassendes Konzept, sondern nur in winzigen Schrittchen und häufig mehr Schein als Sein?
Gegen grundlegende Änderungen gesellschaftlichen Handelns steht das Primat des privaten Profites. Daraus folgt, dass nur Massnahmen erlaubt sind, die Diesen nicht beeinträchtigen, oder idealweise erhöhen. Gegen Alles, das profitmindernd wirken könnte, werden Machtmittel eingesetzt, die von Propaganda bis zu Erpressung reichen.
Die Privatprofitwirtschaft umfasst nicht nur Luxusökonomie, sondern hat sich auch in Bereiche der grundlegenden Daseinsvorsorge hineingewoben und beherrscht per „Lobbyismus“ die Politik.
Davon weg zu kommen um die ökonomischen Grundlagen für wesentliche gesellschaftliche Fortschritte schaffen zu können im Bewusstsein dass die Menschheit nur dann längerzeitig Bestand hat, wenn die Grenzen, die uns der Planet, das Land, das Wasser und die Atmosphäre setzen akzeptiert werden ist die grösste und schwierigste Aufgabe, die vor uns liegt.
>>Daraus resultiert, dass Wirtschaftswachstum klar das grössere Problem ist als Bevölkerungswachstum.<<
Wenn man es isoliert nur auf das Problem des Klimawandels reduziert sieht. Bevölkerungswachstum bringt aber mehrere Probleme mit sich:
Der Planet bietet nur in begrenztem Umfang Agrarfläche. Wie kann, bei weiter wachsender Bevölkerung für Alle eine gesunderhaltende Ernährung gesichert werden? Dabei geht es nicht ausschliesslich um Kalorien.
Kann optimale medizinische Versorgung im Krankheitfall für Alle erreicht werden? Auch das würde Ressourcen verbrauchen.
Gibt es genug Baumaterial, damit Alle ein Dach über dem Kopfe haben? Auch das verbraucht Ressourcen.
Sauberes Trinkwasser für Alle? Heute nicht realisiert. Wie ist das bei weiter wachsender Bevölkerung realisierbar?
Wer sucht findet mehr Fragen.
https://www.freitag.de/autoren/bienensterben/ueberbevoelkerung-trash
Gruss
Ich wünschte ja, Sie hätten Recht in Bezug auf nachhaltige Landwirtschaft. Doch ist das die nächste bittere Pille. CO2 technisch schneidet Massentierhaltung und der Import von Agrargütern leider besser ab als lokale Biolandwirtschaft, da am Ende die Transportemissionen geringer sind als der höher Ressourcenverbauch in einem gemäßigten Klima wie Deutschland.
Trotzdem rede ich keineswegs der Massentierhaltung das Wort, genauso wie ich nicht sage, dass wir in Deutschland keine Anstrengungen zur CO2 Reduktion machen sollten. Doch muss man eben immer wieder Kompromisse machen und vor allem müssen wir, gerade weil das Problem so gigantisch und nahezu unbezwing bar ist, lernen in großen Dimensionen und radikal pragmatisch zu denken. Mit planlosem kleinklein und trial & error haben wir keine Chance.
A conclusion that local small-scale agriculture has higher emissions and a larger ecological footprint than large-scale mass animal production and global transportation is probably wrong.
Eine Schlussfolgerung, dass die lokale kleinbäuerliche Landwirtschaft höhere Emissionen und einen groesseren "ecological footprint" aufweist als die Massentierhaltung/produktion und der globale Transport (incl. Export/Import) von Tieren, ist wahrscheinlich falsch.
https://www.onegreenplanet.org/animalsandnature/facts-on-animal-farming-and-the-environment/
https://news.trust.org/item/20180918083629-d2wf0
>>Eine Schlussfolgerung, dass die lokale kleinbäuerliche Landwirtschaft höhere Emissionen und einen groesseren "ecological footprint" aufweist als die Massentierhaltung/produktion und der globale Transport (incl. Export/Import) von Tieren, ist wahrscheinlich falsch.<<
Das sehe ich auch so. Dass die industrielle Agrarwirtschaft von Interessenten verteidigt wird wundert nicht, schliesslich fliesst von dort einiger Profit auf Investorenkonten. Auf welche Weise aber eine Reduzierung der Viehbestände* die Emission von C02-Äquivalenten erhöhen soll ist schon sehr erklärungsbedürftig. Da ist doch eher eine Emissionsreduzierung erwartbar.
Und was den industriellen Pflanzenbau in grossflächigen Monokulturen angeht: Eine Gesamtbilanz vom Rohstoff über Transporte zur Herstellung, die Produktion und den Transport zur Anwendung von Pestiziden und synthetischem Mineraldüngern könnte ernüchternd wirken.
Ein einfache Behauptung als Glaubensbekenntnis genügt jedenfalls nicht.
*aus Gesundheits- und Tierwohlgründen anzustreben
>Wie kann, bei weiter wachsender Bevölkerung für Alle >eine gesunderhaltende Ernährung gesichert werden?Die Frage ist doch sehr, sehr einfach beantwortet: Weniger oder kein Fleisch mehr und die Kapazitäten reichen problemlos. Das Thema muss ohnehin gelöst werden. In China - Haupt Schweinefleischkonsument - wird schon sehr intensiv an Alternativen gearbeitet.>Kann optimale medizinische Versorgung im Krankheitfall >für Alle erreicht werden? Auch das würde Ressourcen verbrauchen.Ich denke nicht, dass das wirklich ein so großes Thema ist. Es lässt sich recht gut prognostizieren, dass die Weltbevölkerung ca. 11 Mrd erreichen wird und nicht viel mehr (weil die entwicklung der Länder die Geburtenzahlen drückt). > Gibt es genug Baumaterial, damit Alle ein > Dach über dem Kopfe haben? Auch das verbraucht Ressourcen.Es gibt da enormes Innovationspotential um deutlich weniger Ressourcen zu nutzen. Man sieht ja jetzt bzgl. CO2-Emissionen sehr schön, was für Lösungen da plötzlich für Beton im Anmarsch sind.> Sauberes Trinkwasser für Alle? Heute nicht realisiert. Heute nicht rellisiert aber ich denke heute schon viel besser, oder? Trotz deutlich gestiegener Bevölkerungszahl.