Klingt gut, bringt wenig

Mietpreisbremse Wer weiterhin vermieterfreundliche Gesetze vorlegt, anstatt Probleme wirklich anzugehen, könnte bald noch mehr Hausbesetzungen erleben
Ausgabe 23/2018
53 Prozent der Menschen in Berlin halten Hausbesetzungen für ein legitimes Mittel
53 Prozent der Menschen in Berlin halten Hausbesetzungen für ein legitimes Mittel

Foto: Christian Mang/Imago

Eine Investition, die einen dauerhaften Mietaufschlag von acht Prozent garantiert? Das ist angesichts des derzeitigen Niedrigzinses ein Goldesel. Acht Prozent Preisaufschlag! Um das zu verdienen, muss man anderswo mit Kryptowährungen oder Credit Default Swaps spekulieren. In Deutschland braucht man lediglich eine Wohnung zu besitzen: Wer modernisieren lässt, soll die Kosten für diese Investition zukünftig zu acht Prozent jährlich – und damit innerhalb von 12,5 Jahren komplett – auf seine Mieter umlegen dürfen. Ein neuer Gesetzesentwurf von SPD-Bundesjustizministerin Katarina Barley macht’s möglich. Obszön? Nicht doch!

Vielmehr soll das Ganze ein Beitrag zur Eindämmung der Mietkosten sein. „Immer häufiger können sich Mieter die Miete für ihre Wohnung nach einer umfangreichen Modernisierung nicht mehr leisten und müssen ihr gewohntes Umfeld verlassen“, steht dem Vernehmen nach in Barleys Gesetzesentwurf zur Überarbeitung der Mietpreisbremse. Dass garantierte acht Prozent Preisaufschlag die Mieten bremsen sollen, klingt absurd. Es macht nur vor dem Hintergrund Sinn, dass bislang satte elf Prozent der sogenannten Modernisierungsumlage im Gesetz stehen, festgelegt in der Hochzinsperiode der 1970er und als Anreiz für Vermieter gedacht, sich endlich der Millionen unsanierter Wohnungen mit Ofenheizung und Klo auf halber Treppe anzunehmen.

Spätestens seit den 1990ern ist die Modernisierungsumlage ein reines Geldgeschenk an Vermieter. Statt sie endlich auf ein realistisches Niveau zu bringen, schreibt die Sozialdemokratin Barley die Lizenz zum Gelddrucken fort, reduziert sie ein bisschen und verkauft das als mieterfreundlichen Schritt. Die „soziale Frage des 21. Jahrhunderts“ hat Barley das Wohnungsproblem jüngst genannt. Soweit ihr Gesetzesentwurf bekannt ist, entspricht er einem Bekenntnis, diese Frage nicht anzugehen: Verschärfungen, die gut klingen, aber wenig bringen. Dass es eine „vorvertragliche Auskunftsverpflichtung“ geben soll, der zufolge Vermieter erklären müssten, warum sie eine höhere Miete als zulässig verlangen, mag es für Mieterinnen und Mieter einfacher machen, Verstöße gegen die Preisbremse ahnden zu lassen. Solange das Gesetz voller Ausnahmen steckt, die ebendiese Bremse aushebeln, nützt das den Betroffenen herzlich wenig.

So ist auch die sogenannte Kappungsgrenze, in deren Sinne Mieterhöhungen nach Modernisierungen auf drei Euro pro Quadratmeter beschränkt sind, für die meisten Haushalte eine Garantie zum Abkassiertwerden. Wer sieben Euro pro Quadratmeter zahlt – die durchschnittlichen Mietkosten in Gesamtdeutschland liegen ein paar Cent niedriger –, muss nach einer Modernisierung mit bis zu 43 Prozent höheren Kosten rechnen. Wo war da die Bremse? Barley hat sie offensichtlich nicht gefunden. Mag sein, dass die Union als Koalitionspartner Radikaleres verhindert hat. In einem früheren Entwurf des Gesetzes hatte Barleys Vorgänger Heiko Maas noch geträumt, die Modernisierungsumlage nach zehn Jahren auslaufen zu lassen – kein Kommunismus, aber immerhin wäre es mit dem leistungslosen Verdienen auf Kosten der Mieterinnen und Mieter irgendwann vorbei gewesen. Nun darf die SPD weiter über die Union stöhnen, in trauriger Hoffnung, dass man ihr das als Erneuerung durchgehen lässt.

Kein Wunder, dass in Berlin, wo die Vermieter derzeit besonders krass zulangen, inzwischen 53 Prozent der Menschen Hausbesetzungen für ein legitimes Mittel halten, um auf das Thema Wohnungsnot aufmerksam zu machen.

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