Die Siedler, ihre wichtigsten Unterstützer, hat Ajelet Schaked nach knapp zwei Monaten im neuen Amt nicht vergessen. „Sollten die USA einen Siedlungsstopp in Judäa und Samaria verlangen, wird es keine Regierung mehr geben“, drohte Israels Innenministerin Ende Juli ihren Rücktritt für den Fall an, dass Naftali Bennett einem längerfristigen Moratorium für die rund 130 jüdischen Siedlungen in der Westbank zustimmt. Kurz zuvor hatte der rechte Regierungschef ein Treffen des für die Baugenehmigungen zuständigen Komitees abgesagt – offenbar auf Druck aus Washington.
Nationalistische Siedler in den von offiziellen Stellen als Judäa und Samaria bezeichneten Gebieten bilden die wichtigste Wählerbasis von Schaked, die seit Juni
seit Juni das Innenressort unter ihrem Parteifreund Bennett führt. Die Jamina-Liste zog im März mit sieben Abgeordneten in die Knesset ein. Bis zum Schluss hatte die 45-Jährige den dreieinhalb Jahre älteren Bennett bedrängt, einer Regierungsbildung mit den linken Parteien Meretz und Awoda keinesfalls zuzustimmen – und schon gar keine Koalition mit der israelisch-palästinensischen Ra’am einzugehen. Zu sehr war sie auf Rückhalt in ihrem Umfeld bedacht. Und das bedient sie seit Jahren mit scharfen, bisweilen rassistischen Kommentaren. So postete Schaked auf Facebook schon einmal einen Artikel, in dem Palästinenser als „Feinde“ bezeichnet wurden, die man töten müsse. Deren Kinder nannte sie „kleine Schlangen“, die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber „eine strategische Angelegenheit“.Zugleich gilt der 1976 in Tel Aviv geborenen Schaked Loyalität als hohes Gut, nicht zuletzt gegenüber Naftali Bennett. Politisch angenähert haben sich die beiden Mitte der 2000er, als sie im Büro von Benjamin Netanjahu arbeiteten. 2010 gründeten sie die außerparlamentarische Bewegung „Mein Israel“, zwei Jahre später folgten die Trennung von Netanjahus Likud und die Hinwendung zur Partei „Jüdisches Heim“. Schaked hatte den Eindruck, der Likud sei zu weit nach links gerückt. 2018 schließlich gründete sie mit Bennett eine eigene politische Kraft, die „Neue Rechte“, die anders als andere konservative Plattformen in Israel säkulare wie religiöse Wähler ansprechen will.Ideologisch folgt die prägende Gestalt der Wahlliste Jamina einem revisionistisch-zionistischen Programm. Schaked will die israelische Souveränität auch auf die Siedlungen in den seit 1967 unter Militärverwaltung stehenden besetzten Gebieten ausweiten. Sie lehnt einen palästinensischen Staat klar ab und plädiert für den unerbittlichen Kampf gegen Hamas wie Hisbollah. Eiskalt und blitzgescheit dekliniert Schaked diese Positionen in Interviews immer wieder durch, etwa als sie sich jüngst gegen die Familienzusammenführung israelischer und palästinensischer Eheleute verwahrte. „Ich kalkuliere kühl und tue einfach, was getan werden muss“, so ihr Credo. „Wollte ich beginnen, emotional auf Dinge zu reagieren, würde das meine Arbeit zerstören.“Das erklärt vielleicht ihr Einlenken gegenüber Bennett. Da der nach der vierten Wahl in zwei Jahren in einer Koalition mit Jair Lapids liberaler Zukunftspartei die einzige Möglichkeit sah, die Ära Netanjahu zu beenden, beugte sich Schaked im Juni schließlich seinem Willen. Sie wurde dafür mit dem Amt der Innenministerin belohnt und zum zweiten Mal Ressortchefin. Nur zwei Jahre nach ihrem ersten Einzug in die Knesset leitete sie von 2015 bis 2019 unter Netanjahu das Justizministerium. Und das mit bemerkenswertem Erfolg. Sie setzte sechs konservative Juristen für das Oberste Gericht durch, die eine von ihr angestrebte Stärkung religiöser Prinzipien in Israels Rechtsprechung garantieren. Das von Schaked vorangetriebene, 2016 verabschiedete NGO-Gesetz schränkt die Arbeit aus dem Ausland finanzierter Nichtregierungsorganisationen mit dem Ziel ein, eine mutmaßliche Einmischung in innerisraelische Angelegenheiten abzuwehren. Kritiker vergleichen die vor allem gegen linke Gruppen gerichtete Verordnung mit ähnlichen Maßnahmen in autoritären Staaten wie Ägypten und Russland. Ihr vielleicht größter Erfolg unter Netanjahu: das sogenannte Nationalstaatsgesetz, mit dem 2019 der Charakter Israels als jüdischer Staat festgeschrieben und Arabisch als zweite Amtssprache gestrichen wurde.Schakeds Weltanschauung festigte sich nach der Schulzeit, die sie in einer wohlsituierten Mittelstandsfamilie im Norden Tel Avis verbrachte. Ihre Großmutter väterlicherseits wanderte in den 1950er Jahren aus dem Irak nach Israel ein, die Vorfahren ihrer Mutter kamen Ende des 19. Jahrhunderts aus Russland und Rumänien nach Palästina. Ihren Militärdienst leistete sie in Hebron bei der traditionsreichen, im Unabhängigkeitskrieg 1948 aufgestellten Golani-Brigade, danach studierte sie an der Universität Tel Aviv Elektrotechnik und Informatik und machte in Israels Hightech-Industrie Karriere als Marketing-Managerin bei Texas Instruments. Verheiratet mit einem Reserveoffizier der Luftwaffe, wurde sie in einem Fernsehinterview gefragt, ob sie sich wünsche, dass ihr Mann bei Einsätzen „die Araber hart mit Bomben unter Beschuss nimmt“. Sie lachte und sagte: „Ja.“Mit dieser klaren Haltung spricht sie vielen Israelis aus der Seele. Doch ob es Schaked gelingen wird, eines Tages nach Golda Meir die zweite Ministerpräsidentin zu werden, hängt auch davon ab, ob ihr eine Rückkehr in den Likud glückt, die wichtigste konservative Partei des Landes. Solange Netanjahu dort den Ton angibt, ist das ausgeschlossen. Allerdings ist Schaked 27 Jahre jünger als der einstige Langzeitpremier.