Koch trifft Konsumentin

Dialog Messer, Blei und Kaffesatz. Unsere Kolumnisten reden über Weihnachtsgeschenke und Silvesterauslagen
Ausgabe 51/2014

Er: Liebe Konsumentin, wir müssen uns mit dem Messerblock beschäftigen. Ein sehr beliebtes Herrengeschenk jetzt an Weihnachten. Wer macht es, wer von uns schreibt darüber?

Sie: Lieber Koch, Herrengeschenke sind tatsächlich ein eigenes Feld. Die Produktgruppe „quadratisch, praktisch, gut“ kommt bei Männern jedenfalls besser an als das Segment „Wohlfühlwaren ohne unmittelbaren Gebrauchswert“. Das bestätige ich aus jahrelanger Geschenkeerfahrung. Jungs schauen verdattert, wenn man ihnen etwa ein Dekodingsbums aus Keramik schenkt. Sie wissen nicht, was sie damit anfangen sollen, darum machen solche Dinge ihnen Angst. Sehr gut gehen Autobatterien. Auch Socken sind in Ordnung, weil kein Zweifel besteht, was damit zu tun ist. Der Messerblock fällt genau in diese Kategorie: Man kann Dinge damit zerstören, klare Sache – wunderbar! Welches Schneidegefühl ist Ihnen lieber: Gemüse schnippeln oder Fleisch oder Fisch zerteilen? Mir wird bei Letzterem immer flau zumute. Darum kaufe ich nur Vorgeschnetzeltes.

Er: Diese Unterscheidung ist interessant. Wobei ich den Messerblock aber eben genau nicht in der Kategorie „quadratisch, praktisch, gut“ sehe. Dafür müssten die Blöcke noch einige Leatherman-Features haben. Etwa eine automatische Schleiffunktion. Oder ein eingebautes Infrarotthermometer, das piepst, wenn das Steak medium gebraten ist. Das ließe ein Männerherz höher schlagen. Nein, ehrlich, diese Ungetüme von Blöcken nehmen nur Platz weg. Außerdem verbergen sie die Länge der Klingen. Was ist das für ein Koch, der sein bestes Stück nicht zeigen will? Meine Messer kleben in Reih und Glied auf einer Magnetleiste an der Wand. Für mich ist der Messerblock nur der subtilste Höhepunkt dieser ganzen Aufbewahrungskultur, die von gutdinglichen Versandhäusern wie Manufactum gepflegt wird. Da findet sich für jedes Sächelchen das eigene Etui, die passende Schachtel oder der maßgeschneiderte Beutel. Aber da sind Sie die Expertin: Brauchen Dinge Kleidung?

Sie: Nein. Extraschächtelchen sind überbewertet. Ich bin eine Freundin der gut gelaunten Kruschelschublade. Sie befindet sich in meiner Küche und trägt die ideelle Aufschrift „Unklares Zeug, das man vielleicht noch mal gebrauchen kann“. Da finden sich Korken- neben Schraubenziehern, Zuckertütchen aus Italien neben Zahnstochern aus Schweden. Und viele Propfen und Zeugs. Wissen Sie, was ich mit Propfen meine? So Plastikteile, die womöglich zur Wasch- oder zur Spülmaschine gehören und im Schadensfall wichtig sein könnten. In der Schublade landet auch immer das Stück, das zu Silvester beim Bleigießen herausgekommen ist. Gießen Sie auch Blei am 31. Dezember?

Er: Nein. Ich bin natürlich Kaffeesatzleser. Und Sie? Glauben Sie etwa daran?

Sie: Jawohl. Aus irgendwas muss man doch Hoffnung schöpfen! Von allen Saisonaktionsregalen ist mir die Silvesterauslage die liebste. Da gibt es Sets mit Blei-Zink-Förmchen und einem Schmelzlöffel, oft ist ein Heftchen mit Symbolerklärungen dabei. Wer einen Baum gießt, startet brutal vital ins neue Jahr. Wer eine Krone gießt, hat Erfolg. Bei einem Herz ist die Sache eh klar. De facto gießen aber alle immer etwas Langes, Dünnes, Doofes, ein Spermium, einen Schleimklumpen oder etwas, das einer Steckrübe ähnelt. Da ist dann gruppendynamische Interpretationsleistung gefragt. 2013 kam bei mir ein schlanker Alien heraus, 2014 ein dürrer Steppenvogel. Für 2015 wird es, nach dieser unserer Unterhaltung, vielleicht … ein Pürierstab. Und ich hoffe auf den Weltfrieden, logo, besonders auf das Ende von Hogesa und Pegida. Lieber Koch, bitte bereiten Sie uns doch nun noch ein schmackhaftes Schlusswort.

Er: Aber Sie haben doch recht: Zuletzt gab es Populismus satt. 2015 beginnt hoffentlich appetitlicher, als 2014 endet.

Katja Kullmann schreibt in ihrer Kolumne Die Konsumentin über Lust und Last des Geldausgebens

Jörn Kabisch schreibt als Der Koch für den Freitag regelmäßig über Küchen- und Esskultur

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