Köhlers politischer Gefangener

Christian Klar entgnadigt Er hat nun den Status, den man ihm bisher nie zubilligen wollte

Als er vor Jahren den damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau um Begnadigung bat, zahlte Christian Klar einen hohen Preis. Er verstand sich immer als einen politischen Gefangenen und räumte deshalb der Bundesrepublik Deutschland und ihren Repräsentanten keine Autorität über sich ein. Mit seinem Gesuch erkannte er nicht nur an, dass er seinen Kampf verloren hat, sondern er wollte von Instanzen, die er bisher abgelehnt hatte, mehr als nur sein Recht: eben Gnade. Mit seinem früheren Selbstverständnis war das kaum noch zu vereinbaren.

Günter Gaus, der ihn zu seinem Schritt ermutigt hatte, hat von Christian Klar nicht verlangt, dass er sich für unpolitisch erkläre. Wahrscheinlich sah er darin die Chance des Übergangs von einer Politik zu einer anderen: der einstige Staatsfeind konnte sich innerhalb der Linken an einer vernünftigeren Stelle positionieren.

Mit dem Tod von Günter Gaus 2004 hat Christian Klar den vielleicht einzigen Menschen verloren, von dem er sich politisch etwas sagen ließ. Sein Grußwort an die Rosa-Luxemburg-Konferenz 2007 zeigte immerhin, wie viel er inzwischen gelernt hatte. Eine solche Botschaft, die sich an dem friedlichen Wandel in Lateinamerika orientierte, hätte er früher als revisionistisch verachtet. Soll ein Mann mit einer solchen Vergangenheit "resozialisiert" werden, ohne dass er zum Renegaten wird, kann dies nur innerhalb der Linken geschehen. Dennoch war der Sprung, den er mit seiner Erklärung machte, sehr groß.

Für den Mainstream der veröffentlichten Meinung war das aber nicht etwa zu wenig, sondern ein Zeichen der Verstocktheit: ein zu mehrmals lebenslänglich verurteilter Mörder nahm sich heraus, auch noch eine politische Meinung zu haben und bekannt zu geben. Es wurde etwas ganz Anderes von ihm verlangt: Denunziation seiner Genossen. Der Sündenbock war schon ausgeguckt: Stefan Wisniewski, nahezu der einzige Prolet in der RAF. Dann hätte zwischen Tätern und Opfer-Erben eine Art Agreement unter Kindern aus gutem Hause stattfinden können. Voraussetzung war, dass Christian Klar sich - anders als in seinem Grußwort - als entpolitisierten Straftäter darstellen ließ.

Er hat nicht mitgespielt. Dabei ist nicht sicher, ob er sein Verhalten kalkuliert hat. Wer sein Interview mit Gaus 2001 gesehen hat, musste bemerken, dass die lange Haft zumindest in Situationen der Anspannung seine Reaktionsfähigkeit verlangsamt oder sogar beeinträchtigt hat. Vielleicht bleibt dann nur noch ein Reflex: sich nicht auf Kosten anderer salvieren zu wollen. Nachdem Christian Klar schon so viel drein gegeben hatte, weigerte er sich, auch noch den letzten Preis zu zahlen.

Horst Köhler hat das honoriert, indem er ihn nicht begnadigte. Damit machte er aus einem Mann, der seit seiner Verurteilung ein Mörder wie jeder andere sein sollte, das, was man ihm bisher nicht zubilligen wollte: einen politischen Gefangenen.

Jetzt wird viel darüber geredet und geschrieben werden, ob Köhler im Interesse seiner Wiederwahl dem Druck aus der Union nachgegeben und sich selbst beschädigt hat. Das sollen diejenigen erörtern, die dazugehören wollen. Es gibt einen Aspekt, der für sie völlig gleichgültig ist, aber hoffentlich nicht für alle, nämlich:

Die Qualität einer geschlagenen Bewegung zeigt sich darin, wie sie sich gegenüber ihren auch persönlich gescheiterten Mitgliedern verhält: ihren Kranken, ihren Verrückten (zu denen Christian Klar nicht gehört), ihren ganz Armen und ihren Gefangenen. Dies gilt auch für die Linke im weitesten Sinn, die mit der RAF zu nahezu hundert Prozent nichts gemeinsam hatte. Es ist keineswegs gewiss, dass Christian Klar 2009 frei kommt. Die Bundesanwaltschaft muss das beantragen. Sie ist seit der Haftentlassung von Brigitte Mohnhaupt selbst unter Druck. So könnte es sein, dass der Rechtsbruch im Fall Klar noch bevorsteht: 2009. Tief aus dem Süden hört man schon den Einfall, dieser Mensch könne ruhig bis an sein Lebensende sitzen.

So hätten Bürgerrechtler in den nächsten beiden Jahren tatsächlich einmal eine schöne Aufgabe.


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