Kommunen sollen selber kürzen

Hartz IV 25 Quadratmeter für alleinstehende Arbeitslose? Zu Sparzwecken könnte es reichen, den Wohnungszuschuss zu pauschalieren

Im Streit um Wohn-Leistungen für Hartz IV-Empfänger lohnt der Blick nach Kassel. Denn dort hat die Stadt bereits erprobt, was das Bundesarbeitsministerium bald jeder Kommune ermöglichen will: eine regionale Pauschalierung der Wohn- und Heizkosten für Langzeitarbeitslose. In Kassel sitzt aber auch das Bundessozialgericht (BSG), nach dessen Rechtsprechung eine solche Praxis mit den geltenden Gesetzen nicht vereinbar ist: Wer vom Regelsatz leben muss, dem stehen die tatsächlichen Miet- und Heizkosten für eine angemessene Wohnung zu. Noch.

Die Bundesregierung will nun die Gesetze ändern. Bereits im Koalitionsvertrag hatten sich Union und FDP darauf geeinigt, die Pauschalierung von Heiz- und Nebenkosten zu prüfen: „Wir wollen damit auch dazu beitragen, dass die Zahl der Prozesse in diesem Bereich zurückgeht und gleichzeitig Anreize für einen sparsamen Energieverbrauch setzen.“

Wie das aussehen könnte, dazu sind mittlerweile Einzelheiten bekannt geworden. So schlägt das Arbeitsministerium von Ursula von der Leyen (CDU) nun vor, jede Kommune solle per Satzung festlegen, bis zu welcher Höhe Miet- und Heizkosten von Hartz-IV-Empfängern ungeprüft getragen werden. Mit Vorschlägen, wie sie jüngst Schlagzeilen machten, wonach Alleinstehenden nur noch Wohnflächen von 25 Quadratmetern zuzugestehen seien, will man dort allerdings nichts zu tun haben. „Weder das BMAS noch die Bundesregierung macht sich diese Größe zu eigen oder zum Maßstab“, heißt es. Bislang werden alleinstehenden Hartz-IV-Empfängern in der Regel 45 Quadratmeter als Wohnfläche zugestanden. In Paragraphen festgelegt ist das nirgends. Das Sozialgesetzbuch stellt nicht fest, was als „angemessene“ Wohnung für Langzeitarbeitslose gilt. Darüber müssen sich Betroffene im Zweifel jahrelang mit dem Jobcenter streiten.

Die Idee, den Wohnflächenanspruch zu senken, stammt laut Medienberichten aus der Gemeindefinanzkommission unter Vorsitz von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Dort beraten Vertreter von Bund, Ländern und Gemeinden über die Zukunft der kommunalen Einnahmen – aber auch über die Sozialausgaben der klammen Städte und Landkreise.

Mini-Wohnungen sind knapp

Die Wohnkosten für Hartz-IV-Empfänger belasten die Kommunen besonders stark. 2005, im ersten Jahr nach der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, mussten die Kommunen rund 8,6 Milliarden Euro dafür aufwenden. 29,1 Prozent der Gesamtkosten von 12,1 Milliarden Euro trug damals der Bund. Inzwischen haben neue Berechnungsformeln die Lasten zugunsten des Bundes verschoben. In diesem Jahr wird mit Ausgaben von 14,5 Mrd. Euro gerechnet. Laut Bundesregierung muss der Bund nur 23,6 Prozent davon tragen. Die Kommunen müssten rund 11 Milliarden Euro zahlen. Das, sagen sie, können und wollen sie nicht. Es sieht nun aus, als sollte ihnen die Verantwortung für Leistungskürzungen zugeschoben werden.

Die Größe einer Wohnung müsse das Existenzminimum decken, betont die stellvertretenden Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Städtetags Monika Kuban. Außerdem sei der Wohnungsmarkt in vielen Städten so eng, dass „günstigere Wohnungen für Langzeitarbeitslose und andere Hilfeempfänger kaum vorhanden sind“.

Der Sozialsenat in Berlin schlägt in die gleiche Kerbe: „Der Markt an kleinen Wohnungen wird eng“ – selbst in den Außenbezirken, betont eine Sprecherin. „Nicht nur Hartz IV-Bezieher, auch Studenten und kreative Künstler suchen kleine Wohnungen, dazu Grundsicherungsrentner.“ Die kommunale Pauschalierung aber hält der Städtetag für diskussionswürdig. Dass auch dies zu Lasten von Hartz IV-Empfängern gehen kann, geht das Beispiel Kassel nahe. Nachdem die Stadt – genötigt durch die Entscheidungen des Bundessozialgerichts – schließlich von der Pauschalierung abgerückt ist, rechnet das Sozialamt nun mit Mehrkosten von über zwei Millionen Euro in diesem Jahr: Geld, das den Hilfeempfängern vorher abgezogen wurde, erklären Kasseler Linke und DGB.

Beim Arbeitsministerium heißt es, Kosten gespart werden sollten in erster Linie beim Verwaltungsaufwand – „nicht aber bei der Miete für Langzeitarbeitslose“. Derzeit aber käme es auch dem Bund zugute, wenn die Mietausgaben der Kommunen sänken. Eine Änderung der Maßstäbe, nach denen sich der Bund an den Unterkunftskosten beteiligt, sei nicht geplant.

Katja Schmidt ist freie Journalistin und arbeitet in Kassel im Schatten des Bundessozialgerichts

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