Königliche Paten des Dschihad

Interview Riad Al-Qadi, Sprecher des jemenitischen Exils in Deutschland, sieht Saudi-Arabien und Jemen als Schirmherren terroristischer Aktionen, an denen al-Qaida beteiligt ist

Der Freitag: Es gilt als gesicherte Erkenntnis, dass eine jüngst am Flughafen Köln/Bonn entdeckte Paketbombe aus dem Jemen stammte. Alle zeigen auf al-Qaida. Sie auch?

Riad Al-Qadi

: Ich denke schon, das so genannte Al-Qaida-Netzwerk auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) hat damit zu tun. Es handelt sich um Gruppen, die von verschiedenen Machtflügeln des saudischen und jemenitischen Regimes für ihre Zwecke genutzt werden. Die entdeckte Bombenfracht geht nach meinem Eindruck auf ein Spiel der Geheimdienste beider Länder zurück.

Aus welchen Kadern rekrutieren sich derartige Al-Qaida-Kräfte im Jemen?

Zum Teil aus Offizieren der Armee, aber auch aus Stammesführern und aus dem Geheimdienst. Von Bedeutung sind Ali Muhsin al-Ahmer, ein Halbbruder von Präsident al-Saleh, und Abdullmajeed al-Zindani, Rektor der Al-Iman-Universität in Sanaa.

Wie sind die Verbindungen dieser Netzwerke nach Saudi-Arabien?

Riad ist aus meiner Sicht der Urquell des dschihadistischen Terrors weltweit. Sicher hat in Afghanistan und Pakistan während der achtziger Jahre die CIA diese Kategorie von Islamisten aufgebaut und in die Schlacht gegen die Sowjets geschickt. Noch entscheidender aber ist die menschenfeindliche Ideologie der Wahhabiten in Saudi-Arabien. Sie ist letzten Endes zuständig für die Katastrophen in Afghanistan, Pakistan, Somalia und im Irak, für die Probleme im Libanon und im Jemen. Hat die deutsche Regierung vergessen, dass sie al-Moayed, den Buchhalter von al-Qaida, vor einigen Jahren an die USA ausgeliefert hat, wo er zu mehrmals lebenslänglich verurteilt wurde. Dieser al-Moayed verfügte über enge Kontakte zum saudischen Königshaus.

Ein gewisser Ibrahim al-Asiri wird derzeit als Spediteur des Sprengstoffpakets präsentiert. Hat der etwas damit zu tun?

Niemand aus der demokratischen Opposition des Jemens kennt einen Ibrahim al-Asiri im Unterschied zu führenden Al-Qaida-Kadern, die ungehindert durch Sanaa fahren und Präsident Saleh die Hand schütteln. Die Regierung Saudi- Arabiens weiß nur zu gut, wer der eigentliche Urheber des versuchten Sprengstoffanschlags war.

Die gerade von Wikileaks veröffentlichen Dokumente beweisen, dass Saudi-Arabien die Regierung Obama zu einem Krieg gegen Iran drängt, und Amerikaner die Dörfer der Huthi-Rebellen im Nordjemen bombardieren. Darauf haben Sie schon vor einem Jahr während der Angriffe gegen diese Minderheit in Ihrem Land verwiesen.

Jeder in Südarabien weiß, dass es US-Piloten sind, die Einsätze über dem Nordjemen fliegen und dabei Frauen und Kinder ermorden. Jetzt ist es offiziell dokumentiert. Hoffentlich hat das Folgen. Saudi-Arabien und die Falken im US-Militär planen den Krieg gegen Iran seit Jahren. Die Bombardierung der Schiiten des Huthi-Volkes im Jemen ist ein Vorspiel, weil sie im Kriegsfall eine schiitische Enklave des Iran sein könnten.

Gibt es Unterschiede zwischen al- Qaida im Jemen und in anderen Staaten?

Die Ideologie ist überall die Gleiche. Allerdings gibt es nirgendwo sonst eine Finanzierung wie in diesem speziellen Fall aus Regierungsquellen im Jemen und in Saudi-Arabien.

Wie könnte eine sinnvolle Strategie des Westens gegenüber al- ­Qaida aussehen?

Sie könnte mit Aufklärung beginnen. Die jemenitische Opposition im deutschen Exil fordert die EU seit langem auf, eine internationale Untersuchung anzustrengen und dabei das jemenitische Exil ein­zubeziehen, um Rädelsführer von al-Qaida zu benennen. Die Verantwortlichen könnten dann durch eine internationale Instanz zur Rechenschaft gezogen werden, falls sie ergriffen werden.

Wie stellt sich für Sie die politische Situation im Jemen momentan dar?

In jeder Hinsicht desolat. Es droht ein Flächenbrand, weil dieses Land nach allem, was ich weiß, vor einem Bürgerkrieg steht.

Was könnte das jemenitische Exil dagegen tun?

Es muss die westlichen Regierungen dazu auffordern, die immense finanzielle Alimentierung des Regimes im Jemen einzustellen, weil dies letztlich al-Qaida stützt und den Krieg von Präsident Saleh gegen die demokratische Opposition finanziert. Diese Hilfe versetzt das Regime in die Lage, die Bürgerrechtler im Süden des Landes zu unterdrücken und zu weiteren Massakern an den Huthi-Rebellen auszuholen. Wir – die demokratische Opposition des Jemens – fragen die deutsche Regierung: Warum geben Sie Geld, das einer korrupten Diktatur zugute kommt, die den Terror der Dschihadisten mit finanziert?

Das Gespräch führte Utz Anhalt

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