Dem Begriffspaar "menschlich - d.h. närrisch" aus Jean Pauls Hesperus entlehnte Klaus-Peter Noack einmal den Titel für seine Ausgabe von dessen Aphorismen, die zwischen 1979 und 1987 im (damals Leipziger) Kiepenheuer-Verlag in immerhin vier Auflagen publiziert wurde. - Und als einen in diesem jean-paulschen Sinne "närrischen" Menschen hatten wir mit ihm zu tun. Das bildete sozusagen den intellektuellen und moralischen Mittelpunkt seines Lebens. Wir erinnern uns so an ihn als einen großzügigen Freund, dem wir jüngere Studenten immer wieder einmal einen selteneren Buchtitel verdankten, als störrischen Denker, vor dem kein sogenannter Klassiker ohne weiteres Bestand hatte und als ironischen Kollegen, dessen hochgezogene Augenbrauen aber dem Kundigen signalisierten, dass wieder einmal Hopfen und Malz verloren waren.
Noack kommt - wie Max Weber (worauf er gern hinwies) - aus Erfurt. Seit 1961 war er Philosophiestudent in Leipzig. Er interessierte sich sofort für die moderne Wissenschaftstheorie und das formale, abstrakte Handwerkszeug des vernünftigen philosophischen Denkens. Das lernte er in den Logik-Kollegs von Lothar Kreiser und des (bis 1968) tschechischen Gastprofessors Karel Berka. Gleichzeitig war er beeindruckt von der vom Leipziger Philosophiehistoriker Helmut Seidel 1966/1967 unternommenen Rekonstruktion der ursprünglichen Marxschen Theorie, die den - zunächst paradoxen - Satz des Meisters ernst nehmen wollte, dass natürlich "die Praxis der Philosophie selbst theoretisch" wäre. So hatte Noack bald den - in jener Zeit selber närrischen - Einfall, mitzuhelfen diese beiden philosophischen Denkeinsätze vielleicht verbinden zu können. So versuchte er dann mit einigen anderen Philosophen (in Leipzig und Berlin), den Theorieanspruch des Marxismus auf das Niveau des modernen Denkens zu heben. Hier war es namentlich die Poznaner Schule des analytischen Marxismus (um Leszek Novak), die Noack in die Begriffsarbeit auch des philosophischen Denkens in der DDR zu implementieren gedachte. Hier ist auf seinen Aufsatz Marx und die Kopernikanische Wende (1981) aufmerksam zu machen, der zum theoretisch Besten gehört, was überhaupt Marxismuskundiges in der DDR publiziert wurde.
Noack war ein exzellenter Kenner der Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie, namentlich der analytischen Richtungen im englischen Sprachraum; sowohl seine Dissertation Über den semantischen Status moralischer Sätze (1971) als auch seine Habil-Schrift zur Behavioristischen Methodologie (1983) legen davon Zeugnis ab. Aber einer aus jener Denkwelt, ein namhafter Dissident analytischen Denkens befeuerte den "närrischen" Impetus von Noack wie kein anderer: Paul Feyerabend mit seinem Werk Wider den Methodenzwang (1975). Noack blieb mit dieser Gemütslage der Wahrheitssuche mit skeptischen Antlitz natürlich in einer Umwelt weltanschaulich "felsenfester Überzeugungen" (Nietzsche) immer randständig. Zumal er gewissermaßen einen Imperativ des jungen Marx verinnerlichte: "Die wesentliche Form des Geistes ist Heiterkeit." So verließ er - ein begabter philosophischer Lehrer - kurzerhand den Universitätsbetrieb. Er trug dann als Lektor bei der Kiepenheuer-Verlagsgruppe mit dazu bei, Texte der literarischen Moderne (seit der Romantik) neu für die Lesekultur der DDR zu entdecken. In den vergangenen fünfzehn Jahren war Noack an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein - immer ein geistiger Flaneur - mit Theorie der Mode befasst. Am 7. Februar 2006 ist er in Leipzig gestorben.
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