Kraftlose Union

Krise Portugal hat gewählt — und sowieso verloren. Das Land ist zum Symbol für die Krise des politischen Europas geworden, das an Euro und Nationalismen zu scheitern droht

Vergangenen Sonntag hat in Portugal Pedro Passos Coelho von der konservativen Partei Partido Social ­Democrata die Wahl gewonnen: sein „Ja“ zu einem straffen Sparprogramm bescherten der PPS einen Zuwachs von knapp 10 Prozent – die Sozialisten unter José Sokrates hingegen stürzten unter die 30-Prozent-Marke. Fußnote: Damit gibt es jetzt nur noch vier sozialistische oder sozialdemokratische Regierungen in den 27 EU-Staaten – die europäische Linke wird zu einer bedrohten Spezies.

Coelhos Wähler scheinen nicht eingepreist zu haben, dass die Handlungsfähigkeit des neuen Regierungschefs de facto sehr beschränkt sein wird. Denn eigentlich ist es egal, wer die Regierung führt. Die Portugiesen haben in jedem Fall ­verloren: Sie sind unter den EU Rettungsschirm gerutscht, ein großer Griff in die Tasche und der Verlust haushalts­politischer Autonomie stehen ihnen bevor.

Man mag das begrüßen. Schließlich sind auch in den Ländern, denen es jetzt wirtschaftlich besser geht, Regierungen über drastische Spar- und Strukturprogramme gestürzt. Und natürlich muss Portugal wieder wettbewerbs­fähig werden. Dennoch waren Schulden nicht das vordringlichste Problem des Landes.

Der eigentliche Sieger der Wahlen waren die Spekulanten und Rating-Agenturen, die aus dem Herunterstufen eines Landes und Zinsaufschlägen für Staatsanleihen Gewinn machen, solange die EU am Ende für ­alles bürgt. Es ist daher Zeit, durch eine kontrollierte Umschuldung dafür zu sorgen, dass der europäische Steuerzahler nicht für die Wettschulden ­risikofreudiger Anleger einstehen muss. Sogar Bundesfinanzminister Schäuble hat dies – im Gegensatz zu den meisten EU-Partnern – inzwischen eingesehen. Außerdem sind Reformen auf den Finanzmärkten über­fällig. Dazu würde neben einer europäischen Bankenaufsicht auch gehören, den Rating-­Agenturen das alleinige Urteil über die Kreditwürdigkeit eines Landes zu entziehen. Aber diese Lösung ist nur auf euro­päischer Ebene zu haben. Mehr noch, sie ist ein Schlüssel dazu, Europa wieder zum Blühen zu bringen.

Potenzial liegt brach

Derzeit droht Europa jedoch am Euro und an neuen Nationalismen zu zerschellen. Das ­eigentliche europäische Potenzial liegt derzeit jedenfalls brach. Dabei müsste es nicht nur aktiviert, sondern sogar ausgebaut werden. Denn wer Griechen oder Portugiesen de facto „vom Markt“ nehmen und „verwalten“ will, braucht dafür eine politische Union. Die ­jetzige Organisation europäischer Legitimität reicht dafür nicht aus. Die Sprachregelung, dass jeder nur „sein Haus in ­Ordnung halten muss“, greift viel zu kurz.

Europa steht zwischen Baum und Borke. Der rettende Sprung ans europäische Ufer würde vorrausetzen, dass Deutschland ebenso mit seiner derzeitigen Politik der hohlen europäischen Lippenbekenntnisse Schluss macht wie mit seinen globalen Alleingangsversuchen. Soviel Europa wie nötig, aber sowenig wie möglich – das kann nicht die Devise sein. Vor allem aber muss der tiefe Bruch im deutsch-französischen Verhältnis repariert werden. Denn die Organisation einer engeren politische Union ist kein ­Kinderspiel: Dazu bedarf es mindestens zweier ebenso mutiger wie überzeugender Führungsnationen in Europa.


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