Kräne stehen still

Port Package II Die Liberalisierung der europäischen Häfen ist vorerst gescheitert

Der Kampf hat sich gelohnt: Mit 532 zu 120 Stimmen erteilte das Europäische Parlament dem Port Package II eine deutliche Abfuhr. Damit scheiterte die EU-Kommission zum zweiten Mal mit ihrem Vorhaben, die Hafendienstleistungen in Europa zu liberalisieren.

In den vorangegangenen Wochen hatten Zehntausende Docker, Lotsen und andere Beschäftigte aus den Seehäfen europaweit auf den unsozialen Charakter der Richtlinie aufmerksam gemacht. Die Kräne in Rotterdam und Hamburg, in Marseille, Barcelona und Piräus standen streikbedingt still. Zwei Tage vor der Abstimmung im Europaparlament zogen Tausende Hafenarbeiter durch Straßburg. Sie warnten, Stellen würden massiv abgebaut, soziale und Sicherheitsstandards aufgeweicht und Seeleute skrupellos ausgebeutet werden, sollte Port Package II in Kraft treten. So kam es zum größten grenzüberschreitenden Massenprotest der vergangenen Jahre in EU-Europa.

Worum geht es bei der Richtlinie? Offiziell soll Port Package mehr Wettbewerb bei den Hafendienstleistungen ermöglichen. Doch dieser findet längst statt und gilt als effektiv. Allerdings gestattet der Gesetzentwurf, dass schlecht oder gar nicht ausgebildete, unterbezahlte Arbeitskräfte - zumeist ein Teil der Schiffsbesatzungen - Be- und Entladearbeiten in den Häfen durchführen. Damit würden bestehende Regeln für die registrierten Beschäftigten, die ihre Arbeit zu Tariflöhnen verrichten, unterlaufen; dem Sozialdumping wären Tür und Tor geöffnet. Tausende Arbeitsplätze sowie die hohen Qualitäts- und Leistungsstandards in den Häfen blieben auf der Strecke. Eine Untersuchung des Instituts für Seeverkehrswirtschaft Bremen im Auftrag der Bundesregierung sieht "die Gefahr von Kündigungen der aktuellen Arbeitnehmer (in den Häfen) eindeutig gegeben". Auch die Wissenschaftler räumen ein drohendes Sozialdumping ein: "Letztlich muss damit gerechnet werden, dass auch Anbieter in den Markt kommen, die sich nicht an die bestehenden Tarife gebunden fühlen und auch aufgrund des Kostendrucks tendenziell geringere Löhne zahlen." Die Folgen bekämen nicht zuletzt auch die regionalen Zulieferer und Kooperationspartner der Hafendienstleister, ja selbst die Kommunen zu spüren.

Bereits im November 2003 hatte das Europaparlament die erste Vorlage der Hafen-Richtlinie abgelehnt. Es sagt einiges über die gegenwärtige EU-Politik aus - und über die Arroganz gegenüber den Abgeordneten -, dass Brüssel das Papier nahezu unverändert wieder vorlegte. Eine ganz andere Sprache spricht der Massenprotest gegen Port Package II: Viele Menschen sind nicht mehr gewillt, den wirtschaftsliberalen Kurs von Regierungen und EU-Spitze reglos hinzunehmen, und die Gewerkschaften sowie die sozialen Bewegungen können einen transnationalen Widerstand auf die Beine stellen.

Mit dem Parlamentsvotum ist der Kampf gegen drohenden Arbeitsplatzabbau und Sozialdumping in den Seehäfen keineswegs beendet. Sowohl die EU-Kommission als auch die Anhänger von Port Package II haben bereits angekündigt, ihre Ziele noch erreichen zu wollen - notfalls durch die Hintertür. "Wir verfügen auch über andere Mittel, fairen Wettbewerb und günstigere Investitionsbedingungen in der Seehafenbranche zu schaffen", drohte Verkehrskommissar Jacques Barrot. Nicht auszuschließen auch, dass die Bolkesteinrichtlinie, die im Februar vom Europäischen Parlament abgestimmt wird, von der Kommission oder dem Europäischen Gerichtshof auf die Hafendienstleistungen angewendet wird. Der Liberalisierungswahn ist nicht gestoppt. Das vor Jahrzehnten in der Handelsschifffahrt von den großen Reedereien noch ohne europäische Gesetze oder WTO-Bestimmungen praktizierte Ausflaggen firmiert als Vorbild, pauperisierte Beschäftigte, pulverisierte soziale Standards und ausgeschaltete - heute noch starke - Gewerkschaften sind die Konsequenzen. Aber Globalisierung kann auch das internationale Zusammenwirken der Gegenkräfte bedeuten. Die Hafenarbeiter, ihre Gewerkschaften und politischen Partner haben das erfolgreiche Beispiel gegeben.


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