Kriegswende

AFGHANISTAN Die Zeit der Taleban läuft ab. Was nun?

Die Taleban haben Kabul kampflos geräumt und die Nordallianz marschiert in der afghanischen Hauptstadt ein. Kabul befreit? Das wird sich in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten zeigen. Auf jeden Fall scheint die mittelalterliche Taleban-Herrschaft zu Ende zu gehen. Dass die neuen alten Herren in Kabul sich nicht an Anweisungen aus Amerika halten, nimmt man dort - bisher - eher gelassen hin. Wenn die einen abziehen und die anderen einmarschieren, können wir herzlich wenig dagegen tun, heißt es lakonisch in Washington.

Der Krieg in Afghanistan ist nach sechs Bomben-Wochen an einem Wendepunkt. Nur wohin? Als die Taleban im September 1996 in der von den Kämpfern der Nordallianz zerstörten Hauptstadt einmarschierten, wurden auch sie mit Erleichterung als Befreier begrüßt. Und in Washington blickte man hoffnungsvoll stabileren Verhältnissen entgegen. Wie die dann aussahen, ist bekannt. Wie ein neues Afghanistan aussehen soll, davon haben weder die Befreier noch ihre ausländische Luftwaffe eine und schon gar nicht dieselbe Vorstellung.

Sollten die Kämpfer der Nordallianz ihren Herrschaftsbereich weiter nach Süden ausdehnen, sind neuerliche Konflikte mit der paschtunischen Bevölkerungsmehrheit dort programmiert. Nur, wer will das verhindern? Die Amerikaner haben ihre Bodentruppen nicht im Griff. Sie können sie höchstens nicht unterstützen. Das ist aber auch schon alles und beileibe keine Garantie für eine irgendwie geartete politische Lösung. Denn: Was soll mit den Taleban geschehen, die jetzt nach Süden ausweichen: zurück nach Pakistan? Integrieren? Wer beschäftigt sich dann mit ihren Verbrechen?

Und was wird aus Osama bin Laden? Fallen so lange Bomben, bis er sich stellt oder getötet wird und bis irgendein Regierungssprecher sein Netzwerk für zerschlagen erklärt? Und wie lange gilt das dann? Bis zum nächsten Terroranschlag?

Der Westen setzt in Afghanistan auf den greisen König Zahir Schah. Doch dass der in der Lage sein könnte, einen repräsentativen Interimsausschuss von 120 Persönlichkeiten zu bilden, der seinerseits die Einberufung einer Loya Jirga - der traditionellen Versammlung aller Stammesführer - vorbereitet, dafür spricht im Moment nicht viel. Die Rivalitäten sind heftig, die Feindschaften nach über zwanzig Jahren Bürgerkrieg groß.

Und über all dem steht der nahende Winter. Vielleicht bedeutet die Kriegswende ja, dass wenigstens die geflüchtete Bevölkerung mit Hilfsgütern versorgt werden kann. Das wäre ein Erfolg. Bis zum Frühjahr könnte Afghanistan dann herrschaftlich geteilt bleiben zwischen Nordallianz und paschtunischem Süden - mit oder ohne Taleban. Ein Menetekel? Möglicherweise.

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