Kriminalistik und Archäologie

Crime Watch No. 51 Um Hammett wird viel zu wenig Geschrei gemacht«, beschwerte sich Dorothy Parker zu Recht. Um dessen Antipodin Agatha Christie jedenfalls wird viel zu ...

Um Hammett wird viel zu wenig Geschrei gemacht«, beschwerte sich Dorothy Parker zu Recht. Um dessen Antipodin Agatha Christie jedenfalls wird viel zu viel Geschrei gemacht. Obwohl die Ausstellung Agatha Christie und der Orient. Kriminalistik und Archäologie weniger an Geschrei als an das Geraschel vergilbter Blätter gemahnt. Das liegt nicht an den vielen wertvollen archäologischen Ausstellungsstücken, vornehmlich aus Grabungen in Mesopotamien und zur Verfügung gestellt von den feinsten Adressen. Es liegt auch nicht unbedingt an der ungünstigen Platzierung in den Sonderhallen im Berliner Kulturforum, die die Ausstellung in zwei Teile (oben und zwei Treppen weiter unten) teilt, ohne dass dies einen ersichtlichen konzeptionellen Grund hat.

Der Pferdefuß des Projektes des vorderasiatischen Museums Berlin liegt woanders. In der problematischen Zusammenfügung nämlich, die zwischen Agatha Christie und dem Orient, zwischen Kriminalistik und Archäologie Zusammenhänge konstruiert und diese als über das Anekdotische respektive Metaphorische hinausgehend beschwört. Natürlich hat Christie ein paar Bücher geschrieben, die im Orient spielen: Tod auf dem Nil oder Mord in Mesopotamien, oder in denen das Wort Orient vorkommt, eben der berühmte Mord im Orientexpress. Aber gerade weil alle diese Romane von Agatha Christie sind, sind ihre Schauplätze sowieso nur vom Prinzip des variatio delectat diktiert. Sie geben, genauso wie ihre Romane aus den englischen Provinzen, lediglich den beliebigen Rahmen für ihren schlichten Erzähl-Algorithmus ab. Der Nildampfer ist genauso ein abgeschlossener Ort wie die Insel der Ten Little Niggers. Staffage, nichts sonst. Und man tut Mrs. Christie keinen Gefallen, ihre, milde gesagt, kolonial-joviale Attitüde beim Zeichnen von »Lokalkolorit« für irgendwie bemerkenswert zu halten: All die kleinen lästigen, schmutzigen, gierigen, kindischen Araber, die Hercule Poirot und den Seinen (Detektiv und Täterin immerhin in ihrer Abneigung inniglich konform) so auf den Keks gehen. Die Ausstellung akzentuiert diese Sicht von Land und Leuten auch noch, indem sie nette kleine Filmchen zeigt, die die Christie für den Hausgebrauch gedreht hat und in denen sie sich, wie in Briefen und Reiseberichten, genauso gönnerhaft (»humorvoll« nennen das die Ausstellungsmacher) über die Grabungsarbeiter äußert. Ein Katalogbeitrag versucht dann zwar, Agatha Christies Perspektive in den Kontext der britischen Kolonialmentalität zu stellen, aber beide sind natürlich deckungsgleich. Wer hätte das gedacht? Die meisten Ausstellungsstücke zu diesem Themenkreis sind allerdings reine Devotionalien: Einkaufslisten, Rechnungsbücher, Fotos von Grabungscamps, Grabungskollegen und immer wieder Lady Agathas zweiter Gatte, Max Mallowan, dessen Expeditionen sie kräftig gesponsert hat. Weshalb sie auch immer dabei sein wollte.

Noch problematischer als diese nicht sehr überraschenden Erkenntnisse hingegen ist die Verbindung von Archäologie und Kriminalistik. Zweifelsohne muss sich die Kriminalistik manchmal archäologischer Methoden bedienen, und die Archäologie ist gut beraten, hin und wieder kriminalistisch zu denken. Aber was hat das mit Mrs. Christies Märchen zu tun, die mit Kriminalistik höchstens die ersten fünf Buchstaben gemeinsam haben? Die beiden Aufsätze von Ulrich Suerbaum und Volker Neuhaus im Katalog versuchen verzweifelt, einen solchen Zusammenhang zu konstruieren und basteln an dem Bild der Christie als irgendwie bedeutender Autorin (bedeutend sind nur ihre Auflagen, aber die hat Trivialliteratur nun mal), die man aber nicht ernsthaft diskutieren müsse - das hieße mit Mottenkugeln auf alte Spatzen schmeißen. Und sie verwischen die Tatsache, dass die Texte der Christie längst von den Verfilmungen überwölbt sind: Von den Ms. Marple-Filmen (die die Christie nicht mochte, weil sie Margaret-Rutherford-Filme sind) und den opulenten, schwelgerischen Starparaden der siebziger Jahre, die kein Mensch wegen der Stringenz der Handlung anschaut, sondern wegen der wollüstigen Ausstattung, die einen surrealen Postkarten-Orient feiert.

Deswegen sind die einleuchtendsten Stücke der Ausstellung auch ein Koffer-Set von Louis Vuitton und ein paar Klamotten aus dem Fundus der Filmproduktionen.

Agatha Christie und der Orient. Kriminalistik und Archäologie. Noch bis zum 30.9. in den Sonderausstellungshallen im Berliner Kulturforum. Katalog 39,- DM

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