Kriminalistische Wendungen

Was läuft Die ARD-Miniserie „Die Stadt und die Macht“ soll an die dänische Serie „Borgen“ angelehnt sein. Besser wäre es gewesen, an eigene Traditionen anzuknüpfen
Ausgabe 03/2016

Jahrelang hieß es, die Deutschen könnten keine akzeptablen Serien produzieren, komplexe Erzählungen in der Art, wie es die US-Amerikaner und Engländer, aber auch die Dänen vorgemacht haben. Das muss die Verantwortlichen in den Sendern mächtig gewurmt haben. Seit Herbst des vergangenen Jahres legten sie eine Reihe neuer Produktionen vor, die sie zunächst mit Vergleichen mit bekannten ausländischen Serien schmückten, um diese dann wieder zurückzunehmen. Morgen hör ich auf zum Beispiel (siehe Freitag 01/2016; zurzeit samstags im ZDF), von Programmdirektor Norbert Himmler zunächst als deutsches Breaking Bad bezeichnet, was den Hauptdarsteller Bastian Pastewka durchaus verärgerte. Und den ARD-Sechsteiler Die Stadt und die Macht lancierte man mit dem dezenten Hinweis auf die dänische Serie Borgen, was die Erwartungen derart steigerte, dass sie von der deutschen Produktion unter der Regie von Friedemann Fromm unmöglich erfüllt werden konnten.

Hinzu kommt: Die Miniserie Die Stadt und die Macht, die das Erste Programm an drei Tagen mit je zwei Folgen hintereinander ausstrahlte, hat mit dem angeblichen dänischen Vorbild nur wenig zu tun. Die Darstellung des Berliner Politikbetriebs, von dem anlässlich einer bevorstehenden Wahl erzählt wird, ist viel zu sehr mit dramatischen Effekten aufgeladen, die man sich beim Krimi oder dem Melodram geborgt hat. So kommt einem die Korruption zwischen Politik und Bauwirtschaft wie ein Kasperltheater vor, bei dem die Beteiligten ihre Absichten immer allzu laut aufsagen, damit es die Zuschauer auch irgendwie verstehen. Gleichzeitig ist der Vater der Kandidatin (Thomas Thieme) für das Amt des Regierenden Bürgermeisters nicht nur ein politischer Strippenzieher, ohne den in seiner Partei nichts geht – er steckt auch irgendwie hinter dem Verbrechen, mit dem die Serie startet. Und selbstverständlich ist er auch nicht der Vater der Kandidatin, weil er, wie sich am Ende herausstellt, nicht zeugungsfähig ist, was er wiederum durch Aggressivität kompensiert.

Das alles ist zu viel an familiären Wirrungen und kriminalistischen Wendungen (zu denen zu allem Überfluss ein unglaublich widerstandsfähiger, von Carlo Ljubek gespielter Journalist beiträgt), als dass es wirklich gut wäre. Manches funktioniert aber dann doch, etwa die kabarettistisch überzogene Darstellung des Wahlmanagers durch Martin Brambach. Hier wird der Kampf um die Wählerstimmen als medialer Zirkus inszeniert, bei dem es stets um die Effekte geht und nie um die politische Substanz. Auch die im Vergleich dazu zurückgenommene Charakterisierung des Amtsinhabers durch Burghart Klaußner hat eine besondere Qualität; dieser Politiker weiß genau, welche Rolle er wann und wie zu spielen hat, er kann einerseits seinen Charme vorzeigen, wenn der denn gebraucht wird, und andererseits eine eiserne Härte an den Tag legen, wenn es denn notwendig ist. Burghart Klaußner gelingen solche Übergänge wunderbar.

Die größten Schwierigkeiten mit all den Wendungen, die Krimi und Familienmelodram in der Handlung bewirkt haben, hat Anna Loos in der Hauptrolle der Kandidatin fürs Bürgermeisteramt. Mal übertreibt sie die Harmlosigkeit ihrer Figur derart, dass man ihr den Willen zur politischen Karriere nicht abnimmt, mal steigert sie sich so in das Elend hinein, das ihr das Drehbuch verordnet hat, dass man gar nicht glauben kann, sie würde den Wahlkampf bis zum Ende durchhalten. Trotzdem hat auch sie ihre starken Momente, zum Beispiel wenn sie auf einmal ihren Spaß an der Intrige entdeckt oder als große Aufklärerin in Erscheinung tritt.

Tatsächlich resultiert die größte Spannung von Die Stadt und die Macht weniger aus dem kriminalistischen Beiwerk als aus der Frage, ob die Kandidatin ihr politisches Ziel erreicht. Hätten sich die Drehbuchautoren (Annette Simon, Christoph Fromm, Martin Behnke) stärker darauf konzentriert und hätten sie mehr vom wahren Politikbetrieb in die Geschichte gesteckt – die Berliner Parteien liefern dafür nun wirklich jede Menge Stoff –, wäre die Serie wahrscheinlich besser ausgefallen.

Vielleicht hätte Die Stadt und die Macht dann an eine Tradition der früheren TV-Jahre anschließen können, als das westdeutsche Fernsehen pointiert vom Leben in der Bundesrepublik erzählte – sei es in den ersten Mehrteilern eines Dieter Wedel oder den Geschichten eines Helmut Dietl.

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