Kritik wird langsam gehört

Fukushima Im Juni 2011 gestaltete der japanische Illustrator Jose Franky für uns eine Doppelseite zur damaligen Lage in Fukushima. Nun wird sie mit anderen Werken in Tokio ausgestellt

Damals schrieb Jose Franky unter dem Eindruck der Katastrophe den folgenden Text:

"Ich lebe in Tokio. Meine Frau hat kurz nach der Katastrophe unsere Tochter zur Welt gebracht. In den ersten Wochen nach dem Beben wurde pausenlos im Fernsehen berichtet. Die unzähligen Schicksale haben die japanische Seele im Mark getroffen. Die Medien spielten die Katastrophe aber zunächst herunter. Man versuchte uns glaubhaft zu machen, dass man sich zwar generell vor Regen schützen müsse, der Regen am heutigen Tag jedoch harmlos sei. Morgen hingegen könne er eventuell gefährlich sein. An manchen Tagen gab es in Tokio die bis zu 300 Mal höhere radioaktive Strahlung als normalerweise. Besonders an einem Regentag sind viele Menschen dann gar nicht erst vor die Tür gegangen.

Auf der Straße sah man viele Leute nur mit Mundschutz, andere hatten zusätzlich ein feuchtes Tuch im Mund. Als mich mein Neffe besuchte, kam er mit einer Skibrille an. Durch Panikeinkäufe verunsicherter Menschen waren die Supermarktregale anfangs schnell leer. Dass die Medien versuchten, uns weiszumachen, dass Leitungswasser nicht mehr radioaktiv belastet sei, wenn man es abkoche, empfand ich dabei als schlechten Witz. Genauso die Empfehlung, gegen leichte Kontamination würden Seealgen helfen. Erst später wurde die nukleare Katastrophenskala von Level 4 auf die höchste Stufe 7 angehoben. Als die AKW-Betreiberfirma Tepco schließlich zugab, dass es direkt nach dem Beben Kernschmelzen gegeben hatte, war dies nur noch eine kleine Meldung wert.
Sich kritisch über die Situation zu äußern, ist hier verpönt, da viele Opfer aus den Tsunamigebieten größeres Leid ertragen müssen. Generell beschwert man sich nicht gern in Japan, man möchte andere nicht belasten. In den Nachrichten wurde kaum über die aufkeimenden Demonstrationen gegen Atomkraft berichtet. Für mich und meine Familie wünsche ich mir vor allem die Gewissheit, dass wir keine gesundheitlichen Folgen davontragen werden."


Die Illustration ist nun bis zum 25. März 2012 zusammen mit anderen Illustrationen und Frankys Portfolio in Tokio im Rahmen einer Ausstellung zu sehen.

Hier der Link zur damaligen Ausgabe. Jose Franky hatte die Seiten 24 und 25 gestaltet

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Die Vielfalt feiern – den Freitag schenken. Bewegte Zeiten fordern weise Geschenke. Mit dem Freitag schenken Sie Ihren Liebsten kluge Stimmen, neue Perspektiven und offene Debatten. Und sparen dabei 30%.

Print

Für 6 oder 12 Monate
inkl. hochwertiger Weihnachtsprämie

Jetzt sichern

Digital

Mit Gutscheinen für
1, 6 oder 12 Monate

Jetzt sichern

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden